Industrielle Intensivtierhaltung

Im Schnitt isst jeder Deutsche pro Jahr knapp 60 Kilogramm Fleisch1, das sind auf den Tag gerechnet ungefähr 160 Gramm. Um diesen Hunger zu stillen, wird massenhaft Fleisch produziert.  Denn je größer der Maßstab der Produktion, desto geringer die Kosten.  

Tiere als Produktionseinheiten 

Putenmast. Andrew_Skowron_WeAnimalsMedia
Putenmast; Foto: © Andrew Skowron/WeAnimalsMedia

Die industrielle Intensivtierhaltung ist die treibende Kraft hinter dem Angebot von billigem Fleisch. Sie wird auch industrielle Massentierhaltung, landlose Tierproduktion oder „moderne“ Tierhaltung genannt. Diese Begriffe mögen sich in semantischen Feinheiten unterscheiden, umschreiben im Endeffekt allerdings in jedem Fall die hochspezialisierte massenhafte Produktion tierischer Erzeugnisse mittels technologisch-mechanischer Abläufe. Sie sind auf eine möglichst hohe ökonomische Effizienz ausgerichtet und arbeiten dementsprechend mit hohen Besatzdichten (Zahl der Tiere beziehungsweise deren Masse in Kilogramm je Quadratmeter) auf möglichst engem Raum. Eine individuelle Betreuung der Tiere ist kaum umsetzbar. Das Wohl der Tiere spielt in diesen Gesetzmäßigkeiten eine untergeordnete Rolle. Die Auslebung von arteigenen Verhaltensweisen wird massiv eingeschränkt und die kognitiven und emotionalen Bedürfnisse werden ebenso weitreichend ausgeklammert. Das führt dazu, dass die Tiere physisch wie psychisch stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Je höher der Gewinn pro Tier und Arbeiter beziehungsweise pro Quadratmeter Stallfläche sein muss, desto intensiver die Tierhaltung. Das rein ökonomische Denken führt dazu, dass die Tiere ein immer kürzeres Dasein fristen, weil die zu Hochleistungen gezwungenen Milchkühe, Sauen und Legehennen bereits nach wenigen Jahren zu ausgelaugt sind, um noch Maximalleistungen zu bringen. Dann werden sie „gemerzt“ (getötet) und ersetzt. 

Die Tiere werden an das Haltungssystem angepasst – nicht umgekehrt 

In den aus den beschriebenen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten hervorgehenden Haltungsbedingungen der industriellen Tierhaltung mangelt es an Platz und Auslauf, Strukturierung und komfortablen Liege- und Ruhebereichen, frischer Luft und ausreichend Licht, Beschäftigungsmaterial wie auch geeigneten Gruppengrößen. Die Haltungsbedingungen unterscheiden sich je nach Tierart, Zuchtlinie und teils auch nach dem Geschlecht. So verbringt zum Beispiel ein Mastschwein ein anderes Leben als eine Zuchtsau, eine Legehenne lebt anders als ein Masthuhn und einer Milchkuh ist üblicherweise deutlich mehr Komfort vergönnt als einem Mastbullen. Allerdings ist ihnen allen gemein, dass sie ein strikt durchstrukturiertes System durchlaufen, das ihnen wenig Platz bietet, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben. Damit viele Tiere auf wenig Platz gehalten werden können, und sie sich nicht aufgrund von Stress, Langeweile und den viel zu beengten Haltungsbedingungen gegenseitig verletzen, werden  “Nutz”tiere standardmäßig an die jeweiligen Haltungssysteme angepasst. Ferkel werden kastriert, Kälber enthornt und Puten die Schnabelspitzen abgetrennt. Auch das Schwanzkupieren bei Schweinen und Rindern ist an der Tagesordnung. Die Tiere werden als „Produktionsfaktoren“ zur Erwirtschaftung eines Deckungsbeitrages degradiert, statt sie als empfindungsfähige, soziale Lebewesen mit arteigenen Bedürfnissen und angeborenen Verhaltensweisen anzuerkennen.  

Viele Tiere – wenig Höfe 

Um den Produktionsaufwand so gering wie möglich zu halten, haben sich die meisten Betriebe im Verlauf der Zeit nicht nur auf eine Tierart, sondern ausschließlich auf einen einzelnen „Produktionsabschnitt“ im Leben der Tiere spezialisiert. Sie verfügen außerdem über keine eigene Futterproduktion, sondern kaufen große Teile des Futters zu. Mehr als 50 Prozent der nutzbaren Landfläche in Deutschland wird aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischen Produkten für den Anbau von Futtermitteln genutzt2

Diese Form der Tierhaltung fördert die Entwicklung sehr großer Betriebe, die wiederum kleinere Betriebe und Höfe verdrängen. So kommt es, dass immer mehr Tiere auf immer weniger Höfen gehalten werden und dass trotz steigender Produktionszahlen immer weniger Menschen in der Tierhaltung arbeiten.   

Auswirkungen der industriellen Intensivtierhaltung auf die Umwelt 

Die industrielle Intensivhaltung hat nicht nur für die landwirtschaftlich genutzten Tiere negative Konsequenzen – sie hat auch massiven Einfluss auf unsere Umwelt: Der Anbau von Futtermitteln und die Gewinnung von Rinderweiden sind die Hauptgründe für die Abholzung von Regenwäldern, für hohen Mineraldünger- und Pestizideinsatz sowie hohen Wasserverbrauch. Riesige Monokulturen für Futtermais und gentechnisch veränderte Sojabohnen verbrauchen immer mehr Pestizide und beschleunigen den Verlust der Artenvielfalt. Die lokal konzentriert anfallenden hohen Güllemengen führen zu Luftverschmutzung, Überdüngung von Böden und einer Beeinträchtigung des Grundwassers. Ammoniak belastet den Boden und die Luft. Zwei Drittel der klima- und ozonschädlichen Treibhausgase aus der Landwirtschaft (Methan, Lachgas und CO₂) entfallen auf die Tierhaltung, sodass allein auf die “Nutz”tierhaltung fünf Prozent aller klimaschädlichen Emissionen Deutschlands kommen. 

Klasse statt Masse 

Schweine im Stall
© hans pixabay.com

Mehrmals in der Woche billiges Fleisch zu essen erzeugt Folgekosten, die viel höher als der Fleischpreis sind. Ökonomisch profitabel ist die industrielle Intensivtierhaltung nur, solange die Betriebe nicht die Kosten für die von ihnen verursachten Schäden tragen müssen. Die Gewinne werden privatisiert, die Folgekosten jedoch „vergesellschaftet“ und damit von der Gemeinschaft getragen. Es ist höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel zum Leitmotiv „weniger ist mehr“, dass das bisher gültige Motto „Wachse oder weiche“ ablösen kann. Wenn die Tiere zu unserem Nutzen geboren werden und sterben müssen, sollten wir ihnen mindestens ein lebenswertes, leidfreies und von positiven Emotionen geprägtes Leben ermöglichen. Wichtig ist, die durch fundierte wissenschaftliche Forschungsarbeiten in der Tierethologie mehr als hinreichend bekannten physiologischen und psychologischen Bedürfnisse der Tiere in Bezug auf Platz, Bodenbeschaffenheit, Licht, Raufutter/Beschäftigungsmaterial, Zahl der Artgenossen pro Stall etc. zu befriedigen und ihnen damit das Ausleben ihrer arteigenen Verhaltensweisen zu ermöglichen.  

PROVIEH kämpft für ein Ende der oft tierquälerischen Haltungsbedingungen der industriellen Intensivtierhaltung und für den Umstieg auf eine tierfreundliche, sozial-ökologische Landwirtschaft. Eine Neuausrichtung von Agrarsubventionen nach Tier- und Umweltschutzstandards, der Stopp von Exportsubventionen und die Einführung einer Haltungskennzeichnung für Fleisch, ähnlich wie sie bereits für Eier gilt, können dabei helfen.

Fußnoten:
  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36573/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-fleisch-in-deutschland-seit-2000/
  2. Perspektiven für eine umweltverträgliche Nutztierhaltung in Deutschland. 33/2021, Hrsg. Umweltbundesamt, S.26