Intakter Ringelschwanz und Aktionsplan Kupierverzicht

Seit 1991 ist EU-weit das routinemäßige, vorbeugende Kupieren der Ringelschwänze bei Schweinen verboten. Trotzdem gehört das Kürzen der Schwänze bis heute zu den systematischen Eingriffen, die an den wenige Tage alten Ferkeln ohne Betäubung oder Schmerzmittelgabe vorgenommen werden. Begründet wird dieser Eingriff damit, dass sich die Schweine im Laufe ihrer Aufzucht gegenseitig die Ringelschwänze abbeißen könnten.  

Das Schwanzbeißen ist eine Verhaltensstörung, die durch verschiedene Faktoren vor allem bei Absatzferkeln und Mastschweinen ausgelöst wird. Zu den Hochrisikofaktoren zählen die Haltungsbedingungen der konventionellen Intensivtierhaltung, wie eine unstrukturierte und einstreulose Bucht, meist mit Vollspaltenboden (67 Prozent der Betriebe), zu wenig Platz durch hohe Besatzdichte, schlechte Stallklimabedingungen, Fütterungsfehler oder auch unzureichende Tränkwasserqualität sowie die Hochleistungszucht. Der Gesundheitsstatus der Tiere, Konkurrenz um Ressourcen wie Futter, Wasser, Beschäftigungsmaterial und Ruheplätze erhöhen ebenfalls auf das Risiko für Schwanzbeißen und Schwanznekrosen.  

Ein Ferkel wird kupiert. Fotos © : Andrew Skowron /We Animals Media

Leid und Langeweile im Schweinestall

Über 90 Prozent unserer „Nutzschweine leben auf Betonspaltenböden ohne Einstreu und mit geringem Platzanspruch. Jedem Schwein mit 50 bis110 Kilogramm Lebendgewicht stehen laut Gesetz gerade einmal 0,75 Quadratmeter zur Verfügung. Zum Ende der Mast ist der Platz pro Tier so knapp, dass ein Teil der Tiere auch in den Kotecken in den eigenen Exkrementen liegen muss. Weil die einstreulose Haltungsumwelt so reizarm und langweilig ist, benötigen die Schweine Beschäftigungsmaterial. Die Anforderungen daran sind jedoch bisher ebenfalls völlig ungenügend: Bereits ein Stück Holz, das an einer Kette in der Bucht hängt, reicht gemäß gesetzlichen Vorgaben aus. elbst ein Stück Pressstroh, das in einem Metallzylinder mit einer kleinen Öffnung zum Knabbern an einer Buchtenwand befestigt ist, genügt den Anforderungen bisher, obwohl es spätestens nach 24 Stunden nichts mehr taugt; denn dann hat es schon zu sehr den Ammoniakgestank der Stallluft angenommen und schmeckt den Schweinen nicht mehr. So bleibt dasselbe Stück Pressstroh oft über lange Zeit in der Halterung und dient als “Alibi-Beschäftigungsmaterial”, falls eine Veterinäramtskontrolle durchgeführt wird. Dem Tierwohl dient das nicht. Dabei wäre Abwechslungsreiches Beschäftigungsmaterial und Raufutter enorm wichtig für die so neugierigen, umtriebigen und intelligenten Schweine; denn die kahle Buchtengestaltung und große Enge bietent keine Möglichkeit für arteigenes Verhalten, geschweige denn zur eindeutigen Strukturierung in die Bereiche Ruhen, Aktivität/Futteraufnahme und Koten/Harnen. Selten haben die Tiere Zugang zu Auslauf, meist noch nicht mal zu Außenklima durch Offenfrontställe. Das alles führt zu Frust, Leid und Langeweile.  Zudem stehen diese in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so erlaubten Haltungsbedingungen in eklatantem Widerspruch zum geltenden Tierschutzgesetz, das eigentlich eine übergeordnete Rechtsnorm darstellt. Es schreibt vor, dass den Tieren weder unnötiges Leid noch Schmerzen zugefügt werden darf. Bisher verstecken sich Ämter, Behörden und Gesetzgeber hinter dem Totschlagargument, dass bessere Haltungsbedingungen im internationalen Vergleich zu teuer wären und es sich deshalb nicht um „unnötiges“ Leid und Schmerzen handelt, sondern aus wirtschaftlicher Sicht überlebensnotwendig für die Betriebe sei. PROVIEH setzt sich daher seit Anbeginn der Kampagnenarbeit für intakte Ringelschwänze ein sowie dafür, parallel geeignete Fördersysteme einzurichten, die die besseren Tierhaltungsstandards finanzieren helfen.   

Durch zahlreiche Studien und Praxisversuche, die PROVIEH seit 2008 mit angestoßen und begleitet hat, wurde belegt, dass nicht alle Tiere in der Intensivtierhaltung sich immer beißen. Die Maßnahmen, die zur Vermeidung von Nekrosen und Schwanzbeißen jeweils erforderlich sind, sind bei den Betrieben jeweils unterschiedlich. Wenn die Bedingungen an bedarfsgerechtes Futter und Wasser, Klimaführung im Stall und hohen Gesundheitsstatus etc. genau passen, bleiben die Ringelschwänze meist unversehrt. Aber die Zucht auf Hochleistung hat zur Folge, dass – besonders bei einzelnen Rassen – die Schweine zu sensibel schon auf kleine Einflüsse und Änderungen ihrer Umgebung reagieren. Zum Beispiel können Krankheitsausbrüche und Unwohlsein durch Hitze, Kälte oder Zugluft im Stall sowie der Ausfall eines Fütterungsautomaten oder einer Tränke „das Stressfass“ (je nach Grundlast) umgehend zum Überlaufen bringen. Wenn die Anpassungsfähigkeit der Schweine an ihre nicht art- und verhaltensgerechte Haltung überfordert wird, kann dies sehr schnell Schwanzbeißen auslösen.  

Das hat dazu geführt, dass bisher die Praxis des Ringelschwanzkupierens als alternativlos von Gesetzgebung, Veterinärämtern und Bauernvertretungen angesehen wurde. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der intakte Ringelschwanz das größte Risiko für das Schwanzbeißgeschehen ist und die Anpassung der Haltungsbedingungen aus wirtschaftlichen, arbeitstechnischen und hygienischen Gründen nicht umsetzbar sei.  

PROVIEH kämpft für den intakten Ringelschwanz!

PROVIEH setzt sich daher seit Anbeginn der Kampagnenarbeit nicht nur für intakte Ringelschwänze ein, sondern auch dafür, dass parallel geeignete Fördersysteme eingerichtet werden, die die besseren Tierhaltungsstandards finanzieren helfen.   

Durch zahlreiche Studien und Praxisversuche, die PROVIEH seit 2008 mit angestoßen und begleitet hat, wurde unter anderem belegt, welcher Maßnahmenkatalog von Tierhalter:innen abzuarbeiten ist, um dem Schwanzbeißen vorzubeugen bzw. es zu verhindern. Auch wurde gezeigt, dass nicht prinzipiell alle Tiere in der Intensivtierhaltung sich immer beißen. Die Maßnahmen, die zur Vermeidung von Nekrosen und Schwanzbeißen jeweils erforderlich sind, sind bei den Betrieben unterschiedlich. Wenn die Bedingungen bezüglich bedarfsgerechtem Futter und Wasser, Klimaführung im Stall und hohen Gesundheitsstatus etc. genau passen, bleiben die Ringelschwänze meist unversehrt. Allerdings hat die Zucht auf Hochleistung zur Folge, dass – besonders bei einzelnen Rassen – die Schweine zu sensibel schon auf kleine Einflüsse und Änderungen ihrer Umgebung reagieren. Zum Beispiel können Krankheitsausbrüche und Unwohlsein durch Hitze, Kälte oder Zugluft im Stall sowie der Ausfall eines Fütterungsautomaten oder einer Tränke „das Stressfass“ (je nach Grundlast) umgehend zum Überlaufen bringen. Wenn die Anpassungsfähigkeit der Schweine an ihre nicht art- und verhaltensgerechte Haltung überfordert wird, kann dies sehr schnell Schwanzbeißen auslösen. Der intakte, gesunde Ringelschwanz ist somit das beste und gut sichtbarste Anzeichen dafür, dass es den Schweinen gut geht. In der Praxis haben die Tierhalter:innen die Chance für dieses gut erkennbare Warnzeichen jedoch nicht wahrgenommen, sondern das vorbeugende Ringelschwanzkupieren schon im Ferkelalter als alternativlos dargestellt, was vom Gesetzgeber, Veterinärämtern und Interessenvertretungen seit über 30 Jahren akzeptiert wird. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der intakte Ringelschwanz das größte Risiko für das Schwanzbeißgeschehen ist und die Anpassung der Haltungsbedingungen aus wirtschaftlichen, arbeitstechnischen und hygienischen Gründen (letzteres vor allem bei Sauen) nicht umsetzbar sei.  

Diese Begründung ist für PROVIEH nicht akzeptabel und widerspricht nicht nur dem oben erwähnten deutschen Tierschutzgesetz, sondern auch der EU-Richtlinie 2008/120/EG (eine Neufassung der Richtlinie aus 1991). Bereits 2008 begann PROVIEH daher mit einer Kampagne zum Thema „Intakter Ringelschwanz“, um die längst überfällige Umsetzung des seit 1991 in Europa bestehenden Kupierverbots endlich durchzusetzen. Richtig Druck machte PROVIEH 2011 mit einer gegen Deutschland gerichteten Beschwerde bei der EU-Kommission, die fast zur Verhängung von Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe gegen Niedersachsen und NRW geführt hätten, da dank unserer Partnerorganisation CIWF umfangreiches Bildmaterial aus dortigen Ställen mit kupierten Tieren vorlag. Die EU schob das Thema nach umfangreichem Schriftverkehr und Kontrollbesuch 2013 allerdings für einige Jahre auf die lange Bank, da dies ein „länderübergreifendes Thema mit besonderen Schwierigkeiten“ sei und zuerst Studien zur Umsetzung des Kupierverzichts erforderlich seien.  

Weitere Beschwerden folgten in den darauffolgenden Jahren. Zudem war PROVIEH maßgeblich an einigen Studien sowie der Ausarbeitung von Leitlinien beteiligt, die das Halten von Schweinen mit intaktem Ringelschwanz ermöglichen. Die Ringelschwanzprämie, die Betriebe bei der Umsetzung des Kupierverzichts unterstützt, hat PROVIEH ebenfalls mit erarbeitet, sowie die Grundlagen für die Erschaffung der Initiative Tierwohl (ITW, heute von QS betrieben). Die ITW war ursprünglich von uns und unseren Mitstreitern der ersten Stunde nicht als Siegel, sondern als brancheninternes Fördersystem für höhere Tierwohlstandards gedacht, vor allem für Maßnahmen für intakte Ringelschwänze. Die Kampagne endete mit dem Erfolg, dass es eine branchenweite Vereinbarung zur privatwirtschaftlichen Förderung von mehr Tierwohl gibt, die zwar zunächst hinter unseren Forderungen und Wünschen weit zurückblieb, aber immerhin den Grundstein zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gelegt hat und sich auch weiterentwickelt in Bezug auf die Förderkriterien. Zudem kamen 2017 erneut EU-Kommissionsvertreter zu Kontrollen nach Deutschland und monierten das Umsetzungstempo für intakte Ringelschwänze. 

Maßnahmen zum Ausstieg aus dem Schwanzkupieren

Aufgrund dieser Kontrollen verfasste die EU-Kommission eine Aufforderung zur Gestaltung eines Maßnahmenplans zum Ausstieg aus dem Kupieren. Erst diese Ermahnung durch die EU veranlasste Deutschland 2018, mit dem Einstieg in den Ausstieg aus dem Schwanzkupieren endlich ernsthafter zu beginnen. Schleswig-Holstein folgte sogar erst 2019 mit seiner Aufforderung an die Veterinärämter.  

Der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitete „Aktionsplan Kupierverzicht“. fordert jeden Schweinehalter auf, jährlich die Schwanzbeißproblematik in seinem Stall zu erfassen und zu bewerten. Er muss versuchen, auf das routinemäßige, vorbeugende Kupieren im Ferkelalter zu verzichten und Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen ergreifen.  

Wenn trotzdem Schwanzbeißen auftritt müssen Maßnahmen ergriffen werden, die sich schon aus der EU-Richtlinie zum Schutz von Schweinen (2008/120/EG) ableiten, wie zum Beispiel mehr Beschäftigungsmaterial bereitstellen sowie das Stallklima und/oder das Tier- Fressplatzverhältnis verbessern. Die Richtlinie schreibt ebenfalls „Maßnahmen, um Kämpfe zu vermeiden” und „ausreichend Möglichkeiten sich vor den anderen Schweinen in einen sicheren Bereich zurückzuziehen“ vor, und nochmal ganz explizit “Die Fütterungs- und Tränkanlagen müssen so konstruiert, gebaut und angebracht werden, dass (…) etwaige achteilige Auswirkungen aufgrund von Rivalitäten zwischen den Tieren auf ein Mindestmaß begrenzt werden”. Auch ist vorgesehen, dass artgemäße Tierfütterung zu erfolgen hat – dazu gehört aus Sicht von PROVIEH ohne Zweifel Raufutter – sowie gegebenenfalls die Einstellung von mehr Personal und bessere Tierpflege im Krankheitsfall. Abschließend heißt es in der Richtlinie weiter: “Ein Kupieren der Schwänze oder eine Verkleinerung der Eckzähne dürfen nicht routinemäßig und nur dann durchgeführt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass Verletzungen am Gesäuge der Sauen oder an den Ohren anderer Schweine entstanden sind. Bevor solche Eingriffe vorgenommen werden, sind andere Maßnahmen zu treffen, um Schwanzbeißen und andere Verhaltensstörungen zu vermeiden, wobei die Unterbringung und Bestandsdichte zu berücksichtigen sind. Aus diesem Grund müssen ungeeignete Unterbringungsbedingungen oder Haltungsformen geändert werden.“ 

An den in Deutschland gesetzlich erlaubten Haltungssystemen hat sich durch den Aktionsplan leider noch nichts geändert. Mit der Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung im Februar 2021 wurde nur die Anforderung an das Beschäftigungsmaterial etwas angepasst. Ab dem 01.08.2021 muss dieses nun zumindest faserreich und organisch sein und das Bedürfnis nach Erkunden und Bewühlen erfüllen. Ein Plastikball an einer Kette – wie vorher häufig genutzt – ist daher nicht mehr zulässig. Jedoch sind Holzstücke an einer Kette erlaubt, die ein echtes „Bewühlen“ im eigentlichen Sinne nicht ermöglichen. Dafür wäre Bodennähe notwendig, wie bei Stroh. Außerdem wurden die weiteren oben genannten Vorschriften der EU-Richtlinie bezüglich Maßnahmen für besserer Haltungsbedingungen einfach ignoriert, weshalb die deutschen gesetzlichen Mindeststandards aus Sicht von PROVIEH nicht ausreichend verbessert wurden. Die Platzvorgaben für Mastschweine und Absatzferkel wurden nicht vergrößert. Einstreulose Haltung auf Voll- oder Teilspalten ist in Deutschland weiterhin erlaubt. Es sind auch zukünftig weder Buchtenstrukturierung noch Auslauf, nicht einmal die für Schweine so wichtigen Außenklimareize vorgeschrieben. Zudem wird dem Einfluss der Hochleistungszucht keinerlei Rechnung getragen, dem Wahnsinn der einseitigen Selektierung auf Höchstleistungen, die häufig zu Problemen beim Tierwohl (natürlich nicht nur Schweinen!) führt. Es bleibt also bisher eine betriebsindividuelle Managementfrage, ob die Tierhalter:innen es schaffen, das Stressniveau der Tiere gering genug für intakte Ringelschwänze zu halten. Die meisten scheuen die Kosten und den Mehraufwand dafür, die derzeit nicht ausreichend vergütet werden. 

Wie geht es weiter mit dem Ausstieg aus dem Schwanzkupieren? 

Der schleswig-holsteinische Erlass sieht entsprechend dem Nationalen Aktionsplan allerdings vor, dass „Betriebe, die nicht auf das Kupieren verzichten können, nachvollziehbar darzulegen haben, warum sie das Kupieren durchführen und welche Maßnahmen sie bislang ergriffen haben, um das gegenseitige Schwanzbeißen zu vermeiden. Mit der Umsetzung des Aktionsplanes sollen die Landwirte aufgefordert werden, betriebsindividuelle Lösungen zu finden, die das Auftreten von Schwanzbeißen vermindern. Es soll eine Ausgangsbasis geschaffen werden, um schrittweise die Anzahl der nicht kupierten Tiere im Betrieb zu erhöhen. (…) Und: Betriebe, die ihre Schweine vorerst weiterhin kupieren bzw. kupierte Tiere einstallen, haben die Unerlässlichkeit den zuständigen Behörden darzulegen. In einem ersten Schritt sind betriebsindividuelle Risikofaktoren zu identifizieren und Optimierungsmaßnahmen festzulegen und umzusetzen. Es ist ein Nachweis über vorliegende Verletzungen zu erbringen, die Daten sind in einer Tierhaltererklärung festzuhalten. Die Tierhaltererklärung dient zur Vorlage bei der zuständigen Veterinärbehörde und hat eine Gültigkeit von einem Jahr.“ 

Im Klartext bedeutet dies, dass die Tierhalter jedes Jahr probieren müssen, unkupierte Schweine zu halten und ggf. weiterreichende Maßnahmen ergreifen müssen, um das Schwanzbeißen zu vermeiden gesetzliche Mindestanforderungen hin oder her. PROVIEH wird daher Einsicht verlangen in die entsprechenden Unterlagen und prüfen, ob tatsächlich geeignete Maßnahmen getroffen wurden.  

Aus Sicht von PROVIEH reicht es nämlich keinesfalls aus, wenn die Tierhalter:innen ein Stück Holz an einer Kette in die Buchten hängen und dann, oh Wunder, dadurch keine Abhilfe in Sachen Schwanzbeißen schaffen. Doch dafür bekommen sie womöglich jedes Jahr eine Blankovollmacht von den Veterinärbehörden ausgestellt, weil sie angeblich „genug versucht und dem Gesetz Genüge getan“ hätten. Die obenstehenden, umfangreicheren Maßnahmen aus der Richtlinie müssen mindestens ausprobiert bzw. umgesetzt werden – dann könnte erfahrungsgemäß in vielenFällen, so zeigen es Studien, auf das Kupieren verzichtet werden. 

Vorerst bleibt das Schwanzbeißen aber ein weit verbreitetes Problem. Eine konkrete Frist zum Verzicht auf das Schwänzekupieren wurde vom Gesetzgeber ebenfalls noch nicht formuliert. Wenn Deutschland nicht bald für die vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie sorgt, wird eine weitere Beschwerde in Brüssel unumgänglich — was für die Steuerzahler sehr teuer werden kann. Das Geld könnte man besser jetzt bin eine geeignete Förderung der Umstellung stecken, nachdem die Behörden hier so lange tatenlos zugesehen haben, wie den Tieren unnötig Leid, Schmerzen und Schaden zugefügt wurde!  

Fazit: 

PROVIEH fordert insgesamt Mindeststandards, die sich an den Bedürfnissen der Schweine orientieren. Dazu gehört eine Haltung mit Raufutter, Einstreu und Auslauf sowie ausreichend große Buchten, die die Möglichkeit zur Strukturierung geben: in einen eingestreuten Liegebereich, einen Aktivitätsbereich und einen Kotbereich. Bestehende Verbote zu Eingriffen an den Tieren, wie das Schwanzkupieren, müssen eingehalten werden. Die Fristen zur Anpassung der Schweinehaltung an eine artgemäße Haltung müssen absehbar und zielorientiert sein. Eine geeignete Förderung des Umbaus und der laufenden Maßnahmen in den Betrieben (z.B. für Einstreu und Raufutter) müssen unbedingt gewährleistet sowie die Branchenvereinbarungen ausgeweitet werden, um den Wettbewerbsverlust durch die höheren Kosten auszugleichen. Schweden hat – wenn auch für die meisten seiner Schweinehalter leider zu spät – ein Beispiel geliefert, wie es gehen könnte; allerdings nur, wenn man die Förderung von Anfang an betreibt.  

Die Branche hat aus Sicht von PROVIEH mit der jüngsten Verabschiedung einer Herkunftskennzeichnung für vollständig in Deutschland erzeugtes Schweinefleisch ab 1. Januar 2024 einen bedeutenden Schritt in die richtige Richtung getan. Denn Deutschland kann als EU-Mitgliedsland keine eigenen Importschranken gegen „Substandardware“ aus dem EU-In- oder -Ausland errichten, die unter geringeren Tiergesundheits- und Tierwohlbedingungen produziert wurde. Das verbieten die EU-Verträge seit vielen Jahren. Daher ist ein gemeinsames Vorgehen aller Mitglieder der Erzeugungs- und Vermarktungskette auf dem Weg zum intakten Ringelschwanz unerlässlich. PROVIEH wird sich auch weiterhin im Dialog engagieren und einbringen, damit es zügig vorangeht.    

Herkunftskennzeichnung: Aktionsplan Kupierverzicht 

2017: Die EU-Kommission teilt Deutschland mit, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien für Mindestanforderungen für Schweine in Bezug auf das Kupieren der Ringelschwänze ungenügend sind, um das Schwanzbeißen grundlegend und nachhaltig zu verhindern 
Februar 2018: Deutschland wird im Auftrag der EU-Kommission durch die Generaldirektion Sante auditiert mit dem Ergebnis, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen der Bundes- und Länderbehörden zur Reduzierung des Schwanzbeißens ungenügend sind und somit das Schwänze kupieren weiterhin systematisch durchgeführt wird 
Ende 2018: Agrarminister-Konferenz beschließt den Aktionsplan Kupierverzicht

Dieser sieht zwei Optionen vor: 

  1. Betriebe, die vorerst weiterhin kupieren bzw. kupierte Tiere einstallen. Von diesen Betrieben ist der Nachweis der Unerlässlichkeit des Eingriffs bzw. der Haltung kupierter Tiere über die o.g. Nachweise zu erbringen. Die Verantwortung für die erforderlichen Nachweise liegt beim Tierhalter. 
  1. Der Betrieb steigt in den Kupierverzicht ein. 
    • 01. Juli 2019: alle Tierhalter müssen eine schriftliche Erklärung unterzeichnen, ob sie Option 1 oder 2 wählen. Grundlage ist eine Risikoanalyse und daraus folgende Optimierungsmaßnahmen in Bezug auf Beschäftigung, Stallklima, Gesundheit und Fitness, Wettbewerb um Ressourcen, Ernährung, Struktur und Sauberkeit der Buchten 
    Option 1: Im Betrieb sind bei mehr als zwei Prozent der Tiere Schwanz-/Ohrverletzungen aufgetreten. Das Schwänzekürzen bleibt unerlässlich. 
    Option 2: Der Betrieb beginnt mit dem Verzicht auf das Kupieren und hält daher nachweislich mindestens ein Prozent der Tiere mit unkupierten Schwänzen. 
    • Die Risikoanalyse und die Tierhalter-Erklärung müssen jährlich neu erstellt werden. Der Tierhalter muss bei Option 1 die Haltungsbedingen kontinuierlich verbessern, um auf den Kupierverzicht hinzuarbeiten. 
    • In 2021 sollte der Aktionsplan Kupierverzicht durch das BMEL evaluiert werden 

Nationales Wissensnetzwerk Kupierverzicht (NaWi Kupierverzicht) 

Laufzeit: 01.10.2019 – 31.12.2023

 Der sieht allerdings bisher nur Maßnahmen zur Bereitstellung von Raufutter und Beschäftigungsmaterial vor.

November 2023