20 Jahre Staatsziel Tierschutz = 20 Jahre Versäumnis Tierschutz

PROVIEH bilanziert tierschutzwidrige Verhältnisse in der landwirtschaftlichen Tierhaltung 

Berlin, 01.08.2022: Heute vor 20 Jahren ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz in Kraft getreten. Demnach gilt es, jedes Tier als eigenes Lebewesen zu schützen. Seither ist jedoch keine grundlegende Verbesserung im Tierschutz erkennbar. Insbesondere die landwirtschaftliche Tierhaltung ist heute überwiegend tierschutzwidrig geprägt. PROVIEH fordert den längst überfälligen und weitgehenden Umbau der Tierhaltung im Sinne der Tiere und ihres Schutzes.

„Das Erheben des Tierschutzes ins Grundgesetz stellt einen Meilenstein, auch für die Arbeit von PROVIEH, dar. Die anschließende Umsetzung durch Anpassung von Gesetzen und Verordnungen blieb jedoch aus. Nach 20 Jahren geht ein Leben in der Intensivtierhaltung noch immer mit erheblichen Leiden durch Haltung, Zucht, Transport und Schlachtung einher. Der wirtschaftliche Profit durch die Nutzung des Tieres steht weiterhin über seinen Bedürfnissen. Die Politik steht durch das Staatsziel jedoch in der Pflicht, diese defizitären Bedingungen durch Gesetzgebung und Gesetzesvollzug im Sinne des Tierschutzes auszurichten”, so Patrick Müller, Hauptstadtreferent bei PROVIEH.
 
Die heutige Form der Tierhaltung in der Landwirtschaft ist zu großen Teilen tierschutzwidrig. Obgleich das Tierschutzgesetz eine „verhaltensgerechte Unterbringung“ fordert, sind durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung beispielsweise noch immer folgende Haltungsbedingungen zulässig: die Einzelhaltung von Kälbern fernab von ihren Müttern in sogenannten Iglus, 2,5 Quadratmeter für einen 600 Kilogramm schweren Bullen, die Haltung von intelligenten Schweinen auf Betonvollspalten in strukturlosen Buchten und bis zu 26 Masthühner auf einem Quadratmeter, mit mehr als 40.000 Tieren pro Stall. PROVIEH fordert, dass Verantwortung für die Tiere übernommen wird, indem ein flächendeckender Umbau und Rückbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung hin zu einer tiergerechten Haltung erfolgt.  
 
Die Bundesregierungen der letzten Jahre, wie auch die derzeitige Bundesregierung, haben bisher verfehlt, dem Tierschutz im Grundgesetz den entsprechenden Stellenwert einzuräumen und für eine konkrete, tiergerechte Ausgestaltung zu sorgen. Die aufgelisteten Defizite sind an konkrete Forderungen geknüpft, unverzüglich umfangreiche Besserungen im Sinne des Tierschutzes umzusetzen, um so das Staatsziel Tierschutz von einem reinen Papiertiger nachhaltig zum Leben zu erwecken. 


Hintergrund 

Diese Defizite illustrieren das zwanzigjährige Versäumnis Tierschutz:
 
An Haltungsbedingungen angepasste Tiere 
Zentrale arteigene Verhaltensweisen, wie das Wühlen von Schweinen, das Sandbaden von Hühnern oder das Schwimmen von Enten sind von den meisten Tieren nicht ausführbar. Amputationen, das Abschneiden oder Entfernen von Körperteilen, sind laut Tierschutzgesetz verboten. Ausnahmen gelten jedoch für das Entfernen der Hornanlagen bei Kälbern mit einem Glüheisen, das Abschneiden des Ringelschwanzes von Schweinen ohne Betäubung und das Kürzen des sensiblen Putenschnabels. Diese Eingriffe sind mit Schmerzen und anschließenden Einschränkungen im Ausleben arteigener Verhaltensweisen für das Tier verbunden.  
 
Zucht auf Kosten der Gesundheit  
Darüber hinaus sind „zuchtbedingte Schäden“ und Qualzucht ein lang toleriertes Problem. Schweine entwickeln im Zusammenhang mit ihrer Leistung Nekrosen, durch Entzündungen absterbendes Gewebe. Kühe können, zu Lasten ihrer Gesundheit, mit der Futteraufnahme nicht genug Energie für ihre Milchmenge während der „Leistungsspitzen“ produzieren. Hühner entwickeln durch die enorme Lege- beziehungsweise Mastleistung Herz- und Kreislaufversagen wie auch Knochenbrüche. Diese Züchtungen auf Hochleistungen stehen dem Tierschutz entgegen und zeigen, welche Kosten im Sinne des Profits getragen werden.  
 
Tierschutzwidrige Transporte  
Noch immer werden Tiere meist zur Schlachtung über weite Strecken, oftmals tage- und wochenlang über die Grenzen der EU hinaus transportiert. Während des Transports leiden die Tiere unter Hunger und Durst, Enge und Stress, Hitze oder Kälte und es fehlen Versorgungsmöglichkeiten, insbesondere für nicht-abgesetzte Jungtiere wie Kälber oder Ziegen, diese benötigen noch Milch. In bestimmten Drittstaaten erwarten die Tiere nach der anstrengenden Reise darüber hinaus tierschutzwidrige Umgangsformen.  
 
Leidvolle Schlachtbedingungen
Auch zum Lebensende müssen Tiere aus der Landwirtschaft häufig große Angst und Leid ertragen. Zwar ist die Betäubung vor der Schlachtung für alle Tiere verpflichtend, damit sie während der Tötung bewusstlos sind. Doch die Betäubungsmechanismen sind bei allen Tieren häufig mit großem Leid und zum Teil erheblichen Fehlern bei der Betäubung verbunden. Schweine müssen durch die Betäubung mit CO₂ an Erstickung leiden, Geflügel wird durch das elektrische Wasserbad häufig erst nach mehreren Anläufen ganz bewusstlos und der Bolzenschuss bei Rindern hat eine große Fehlerhäufigkeit: Die Rinder wachen durch unsachgemäße Betäubung wieder auf, bevor oder während der tödliche Halsschnitt seine Wirkung entfaltet. 
  
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Ada Brandt
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