Nicht noch mehr Schweinerei: Schweinefabrik auf Fehmarn verhindern!

Die Insel Fehmarn ist bekannt für sonnige Strände, verträumte Dörfchen und besonders beliebt bei vielen Tourist:innen. Mehrere hunderttausend Menschen besuchen die Insel jedes Jahr, um hier entspannt ihren Urlaub zu verbringen. Und nun das: Ein Investor mit zwei bereits jetzt sehr großen Schweineanlagen beantragt, noch sehr viel mehr Tiere halten zu dürfen. Insgesamt 23.000 Tiere möchte er demnächst halten. Und das unter Bedingungen, die absolut nicht tiergerecht sind. Vollspaltenboden, keinerlei Einstreu, kein Auslauf, noch nicht einmal Kontakt zum Außenklima. Aus tierschutzfachlicher Sicht ein Skandal, dass solche Anlagen überhaupt noch genehmigt werden.

Die Schweineanlage

Der Investor auf Fehmarn möchte seine Anlagen von heute 1.000 Sauen und 9.000 Mastschweinen auf 1.800 Sauen und 13.000 Mastschweine und Ferkel (zusammen rund 23.000 Tiere) erweitern. Er plant die Tiere auf Vollspaltenboden in vollständig geschlossenen Ställen zu halten; die bisher vorhandenen Kastenstände und sogenannten Ferkelschutzkörbe sollen weiter genutzt werden. Eigentlich sind diese Haltungseinrichtungen verboten – nur noch in einer viel zu langen Übergangsfrist dürfen sie bis 2029 bzw. 2036 weiter genutzt werden. Die Tiere werden außerdem niemals ausreichend Beschäftigungsmaterial haben, um sich nicht vor Langeweile gegenseitig die Schwänze anzufressen. Die Schwänze werden deshalb routinemäßig abgeschnitten werden müssen, um noch stärkere Verletzungen zu vermeiden. Dabei ist das genau das Problem: Durch das (eigentlich seit 1994 EU-weit verbotene) Abschneiden der Schwänze werden wieder einmal Tiere an das Haltungssystem angepasst und die starken Defizite des Haltungssystems kaschiert, statt das Haltungssystem endlich tiergerecht auszugestalten. Diese Probleme zeigen eindeutig: Das dort geplante Haltungssystem ist nicht tiergerecht!

PROVIEH bringt sich ein

PROVIEH als Tierschutzverband ist in Schleswig-Holstein verbandsklageberechtigt. Entspricht eine Baugenehmigung nicht dem Tierschutzgesetz oder hat andere Fehler, kann der Verein deshalb Klage einreichen und die Baugenehmigung muss ggf. durch ein Gericht geändert werden. Davor jedoch zieht sich ein langes, umfangreiches Verfahren. PROVIEH bekommt jährlich mehrere solcher Bauanträge zur Kenntnis. Es können Einwendungen eingereicht werden, um auf die Probleme hinzuweisen, die dann möglicherweise von den Behörden benannt und dem Investor beauflagt werden – dann muss er diese abstellen. Hier auf Fehmarn ist PROVIEH diesen Weg gegangen und hat zunächst im Dezember 2020 akribisch die fast 2.000 Seiten Bauantragsunterlagen durchleuchtet. In einem ersten Schritt wurde eine Einwendung gegen die Erweiterung der Anlage eingereicht, da gleich mehrere Fehler, Probleme und Unklarheiten entdeckt wurden. Beanstandet wurde der damals noch geplante Bau von Kastenständen, welcher nach heutigem Recht bereits verboten ist. Weiterhin hat PROVIEH sich zu den Bereichen Beschäftigungsmaterial, der Haltung auf Vollspaltenboden ohne Stroh, dem aus Tierschutzsicht mangelhaften Brandschutzkonzept und weiteren, tierschutzrelevanten Themen geäußert. Danach ist sehr lange nichts passiert. So lange, dass der Investor seinen eigentlichen Plan, Kastenstände neu zu bauen, aufgeben musste. Die Gesetzeslage hatte sich geändert, so dass dies nicht mehr zulässig ist. Ein erster kleiner Erfolg! Es wurden weiterhin einige wenige Unterlagen nachgereicht, immer wieder kleinste Verbesserungen bei Brandschutzkonzept und Wasserversorgung gemacht – aber keine wirklich dem Tierschutz dienenden Verbesserungen nachgereicht. 1,5 Jahre fast nur „abwarten“.

PROVIEH-Hauptstadtreferent Patrick Müller bei der Kundgebung anlässlich des Erörterungstermins in Heiligenhafen

Der Erörterungstermin

Schließlich wurde endlich der Erörterungstermin anberaumt. Für den 23. August 2022 wurde in den Kursaal Heiligenhafen geladen, da viel öffentliche Beteiligung und ein großes Interesse der Presse zu erwarten war. Der Erörterungstermin ist in solchen Verfahren ein zentraler Termin, sitzen dort doch der Investor, die zuständige Genehmigungsbehörde und ggf. weitere Ämter und Behörden gemeinsam mit allen, die Einwendungen geschrieben haben, zusammen. Die Behörde verliest alle Einwendungen, der Investor und die Einwender:innen können sich äußern und letztlich wird oft bereits hier vorentschieden, ob die Einwendung berechtigt ist oder nicht – und was dies für Folgen hat. PROVIEH wollte unbedingt dabei sein und die Einwendung verteidigen. Öffentlicher Druck und die Bündelung von Unmut der Anwohner:innen konnte durch PROVIEH in einer Kundgebung vor dem Erörterungstermin erreicht werden. Über 100 Menschen beteiligten sich an der Kundgebung. Falco Siering von den Grünen Fehmarn, Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe, Andre Brockstedt von der lokalen Bürgerinitiative „Lebenswertes Fehmarn“ sowie PROVIEH-Vertreter:innen beleuchteten in ihren Reden ganz unterschiedliche Aspekte, warum die Schweineanlage auf Fehmarn nicht erweitert werden darf. Medien wie der NDR, die Lübecker Nachrichten oder das Fehmarnsche Tageblatt berichteten ausführlich und zum Teil mit Interviews über die breite Kritik an den Plänen des Investors. Dieser erschien auch selbst auf der Kundgebung und versuchte im Einzelgespräch, seine Sicht der Dinge darzustellen.

Von 10 bis 18 Uhr wurden im Kursaal Heiligenhafen die Einwendungen detailliert erörtert. PROVIEH hatte für diesen Termin die renommierte Anwältin Dr. Davina Bruhn engagiert, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Den ganzen Tag waren auch viele Anwohner:innen vor Ort, auch ein Vertreter des BUND; ein weiterer Anwalt war von den Anwohner:innen engagiert worden. Einige Kritikpunkte konnten ausgeräumt werden, einige Unklarheiten wurden durch den Investor beseitigt. Viele Forderungen von PROVIEH bleiben jedoch offen. Das Brandschutzkonzept ist beispielsweise weiterhin völlig unzureichend, eine Rettung der Tiere im Brandfall ist realistisch nicht möglich. Dabei schreibt dies die Landesbauordnung Schleswig-Holstein so vor. Auch die Haltungsbedingungen sind weiterhin nicht tierschutzgerecht.

Was folgt?

Die Genehmigung für die Erweiterung der Schweineanlage auf Fehmarn ist trotzdem zu erwarten. Denn die Behörden setzen nicht das Tierschutzgesetz direkt um, sondern orientieren sich an der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Und dieser entspricht das Bauvorhaben auf Fehmarn vermutlich vollständig. Ob die Verordnung jedoch dem Tierschutzgesetz entspricht, ist unklar, ein Normenkontrollantrag des Landes Berlin soll dies aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht klären. Möglicherweise verstößt die Verordnung gegen das Tierschutzgesetz und/oder den Tierschutz insgesamt, welcher seit mittlerweile 20 Jahren Verfassungsrang genießt. Diese Verankerung im Grundgesetz hat aber leider bisher nicht dazu geführt, dass Tierhaltung in der Landwirtschaft immer tiergerecht stattfindet. Hier ist noch sehr viel Arbeit, auch von Verbänden wie PROVIEH, nötig. Die Entscheidung, ob die Erweiterung des Schweinestalls genehmigt wird, steht aktuell noch aus. PROVIEH als verbandsklageberechtigter Verein behält sich das Recht zu klagen vor.  

Patrick Müller

Infobox: Emissionsberichte

Die Anlage auf Fehmarn ist bereits jetzt so groß, dass sie als „Industrieanlage“ geführt wird. Die Emissionen dieser Industrieanlagen werden regelmäßig überprüft, immer wieder werden Verstöße festgestellt. Manchmal sind Filteranlagen defekt oder werden nicht eingeschaltet, so dass deutlich mehr Emissionen in die Umwelt abgegeben werden als eigentlich zulässig. Auch bei der Schweinefabrik auf Fehmarn sind Verstöße gefunden worden, das kann man in dem durch die Überwachungsbehörde veröffentlichten Kurzbericht nachlesen. Konkrete Details werden jedoch nicht genannt. PROVIEH hat deshalb die vollständigen Überwachungsberichte der Anlage beim dafür zuständigen Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume angefragt. Diese stehen jedem Menschen nach dem Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein zu. Der Anlagenbetreiber wehrt sich jedoch gegen die Herausgabe der Berichte. Seit mittlerweile fast zwei Jahren, nach mehreren juristischen Entscheidungen, Widersprüchen und einer durch den Investor gegen die Behörde geführte Klage gegen die Herausgabe gibt es eine Gerichtsentscheidung: Die Berichte müssen herausgegeben werden. Auch dagegen hat der Investor jedoch verschiedene Rechtsmittel eingelegt. PROVIEH bleibt natürlich dran, die Berichte sind von höchstem Interesse, sagen sie doch ggf. etwas über die Zuverlässigkeit des Schweinehalters aus Fehmarn aus. Natürlich darf sich in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik mit allen juristischen Tricks gegen die Herausgabe solcher Berichte gewehrt werden – die Vehemenz und der Aufwand, der hier betrieben wird, um die Berichte geheim zu halten, lässt jedoch das Gefühl aufkommen, dass dort wirklich relevante, ernsthafte Verfehlungen zu finden sind.


 Dieser Artikel ist im PROVIEH-Magazin “respektiere leben.” 03-2022 erschienen.

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