Schlachtung

Tierschutz darf niemals an der Stalltür enden

Probleme und tierschutzkonforme Lösungsmöglichkeiten

Am Ende eines jeden „Nutztier“lebens steht der Tod. Auch wenn Verbraucher:innen immer weniger Rind-, Schweine- und Putenfleisch konsumieren, wurden 2022 in Deutschland insgesamt rund 701,4 Millionen Hühner, Puten und Enten geschlachtet. Pro Tag sterben in deutschen Schlachthöfen 8.200 Rinder, 142.000 Schweine und 1,7 Millionen Hühner. Der Appetit auf Hühnerfleisch ist zudem ungebrochen und steigt leider weiter an (Quelle: destatis). Publik gewordene Tierschutzfälle, sei es aus amtlichen Untersuchungen, Studien oder verdeckten Ermittlungen von Tierrechtsorganisationen, zeigen, dass auf den Schlachthöfen sehr vieles im Argen liegt.  

Transport und Schlachthof bedeuten Stress für Tiere 

Eine Kuh in einem Tiertransporter
Foto: Richard Schramm/stock-adobe.com

Für PROVIEH steht fest, dass die Verantwortung für Nutztiere nicht an der Stalltür enden darf, sondern bis zum Tod des Tieres getragen werden muss. Aus Sicht des Tierschutzes ist dieser Zeitspanne lange Zeit zu wenig Bedeutung geschenkt worden. Sowohl beim Transport als auch vor und während des Schlachtvorganges gibt es zahlreiche „Fehlerquellen“, die zu großen und vermeidbaren Leiden und Schmerzen führen. Und selbst ein bestmöglicher, schonender Transport und ein professionell geführter Schlachthof bedeuten durch das Herausnehmen aus der vertrauten Herde und Umgebung noch immer Stress für die Tiere. Der Transport selbst, der Umgebungswechsel, die Wartezeiten beim Transport und vor der Schlachtung, häufig mit fremden Tieren (Sammeltransporte) zusammen auf engstem Raum, haben einen erheblichen Anteil. Hier müssen viele Stellschrauben gedreht werden, um Tiere umfassend zu schützen. 

Große Tierqual durch übliche Schlachtmethoden 

Masthühner Schlachtung
Foto: © zhang-yongxin / stock-adobe.com

Arbeit im Akkord, fehlende Sachkunde und vernachlässigte Wartungen der verwendeten Geräte sind einige Gründe für unnötiges Tierleid. Aufgrund von Fehlbetäubungen sterben beispielsweise geschätzte 468 bis 1.775 Schweine am Tag – schlimmstenfalls erst in der Brühanlage. Aber auch davor leiden sehr viele Tiere. Die Tiere erreichen den Schlachthof nicht selten erst nach vielen Stunden auf zum Teil überfüllten oder ungeeigneten Transportfahrzeugen. Vor Ort erfolgt das Bewegen der Tiere allzu häufig unsachgemäß und durch viel zu häufig eingesetzte Elektrotreiber, die Anwendung von Gewalt und das Zufügen von Schmerz. Weitere Wartezeiten von sechs bis zwölf Stunden oder auch mehr bis zur Schlachtung sind keine Seltenheit. Die Wasser- und Futterversorgung ist dabei häufig mangelhaft oder fehlt gänzlich. In der fremden, oft lauten Umgebung erleiden die Tiere auch grundsätzlich Stress und Angst. Die Betäubung erfolgt dann mittels Bolzenschuss, Kohlendioxid oder elektrischer Durchströmung. Ein Schnitt in die Kehle oder den Brustraum soll nachfolgend durch Blutverlust den Tod herbeiführen. Der Schlachtvorgang selbst sowie Fehler bei der Betäubung oder beim Ausblutvorgang führen bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Tieren zu vermeidbaren Leiden und Schmerzen. Vereinzelt werden Tiere gar „bei lebendigem Leibe“ gebrüht oder gerupft. “Nach Angaben der Bundesregierung werden in Deutschland jährlich rund 70 Millionen Geflügel, sechs Millionen Schweine, 350.000 Rinder und 100.000 Schafe beim Schlachten fehlbetäubt. Das bedeutet, in neun Prozent aller Fälle erleiden die Tiere große Schmerzen.”

 Schlachtort Betäubung und Schlachtvorgang Fehlerquellen/Probleme Folge 
Rind Tier wird einzeln in eine Schlachtbox getrieben Bolzenschuss ins Gehirn Betäubtes Tier wird mit dem Kopf nach unten aufgehängt Tod erfolgt durch Stich ins Herz oder Kehlschnitt durch Ausbluten  Hohe Fehlbetäubungsraten (durchschnittlich 9 Prozent und im Einzelfall belegt bis zu 49 Prozent) durch sich bewegende Tiere und unzureichend geschultes Personal sowie enormer Zeitdruck, auch aufgrund von Akkordarbeit  zum Teil mehrfacher Bolzenschuss in Nacken oder falsche Hirnregionen verursachen starke Schmerzen und erzeugen Panik. Schlimmstenfalls erleben Tiere Schlachtvorgang bei vollem Bewusstsein   
Schwein Gruppenweise Hineintreiben in eine Gondel oder Tier wird einzeln in eine Schlachtbox getrieben        CO2-Betäubung oder ElektrozangenbetäubungCO2-Betäubung: Tiere erleiden in Einleitungsphase des Gases 10-30 Sek. Erstickungsatemnot mit enormen Stressaufkommen; Einzelbox mit Elektrozange: Stress durch Vereinzelung; Stromschlag ist schmerzhaft; Fehlbetäubung durch unsachgemäß angelegte Betäubungszange oder zu geringe Stromstärken (bis zu 12 Prozent im Durchschnitt bei handgeführter Betäubung und bis zu 39 Prozent Fehlbetäubungen in Einzelfällen) CO2: 9% erleiden nach 10-30 Sek. Atemnot, Erstickungskampf und Panik; Elektrozangen-Betäubung: Erfolgt Entblutungsstich nicht unmittelbar (19 bis 31 Sekunden), sind die Tiere wieder empfindungsfähig, bei Fehlbetäubung erleben Schweine Schlacht- und teilweise Brühvorgang bei vollem Bewusstsein 
Hühner, Puten, Enten, Gänse Kopfüber Aufhängen an einem Fließbandsystem Betäubung mittels stromführendem Wasserbad   Aufhängung am Fuß; Betäubung: Kleinere oder zappelnde Tiere werden nicht vom Wasserbad erfasst und bleiben unbetäubtAufhängung an den Füßen durch Haken sehr schmerzhaft; Fehlbetäubung: Wenn Flügel erst Wasser berühren, schmerzhaft; Kehlschnitt bzw. Brühbad bei vollem Bewusstsein  

Mobile Schlachtung direkt am Hof 

Für PROVIEH steht außer Frage, dass neben einer besseren Ausbildung und Sorgfalt aller tierbetreuenden Personen, verschärften Kontrollen und Kameraüberwachungen vor allem mobile und hofnahe Schlachtmethoden gegenüber der Tötung auf Schlachthöfen zu bevorzugen sind.  

Die zahlreichen Vorteile zum Wohle der Tiere sprechen für sich:  

Ein aufmerksames Schwein
  • Tiere leben bis zum Schluss in vertrauter Umgebung
  • Transporte zum Schlachthof werden erspart: Stressaufkommen durch Angst, Enge, Hitze, Hunger und Durst kann vermieden werden 
  • In Kombination mit einem geschlossenen Aufzuchtsystem auf ein und demselben Hof blieben den Tieren sogar lebenslang sämtliche Transporte erspart (Beispiel: kuhgebundene Kälberaufzucht mit anschließender Mast) 
  • Großes Stressaufkommen beim Schlachthof durch Auf- und Abladen, quälende Wartezeiten und unachtsames Treiben kann vermieden werden  
  • Mehr Zeit und Ruhe für Betäubung und Umgang mit den Tieren einerseits durch die geringeren Tierzahlen und andererseits durch keinen Zeitdruck wegen Fließband oder Akkordlöhnen (Lohn abhängig von Stückzahl) 

PROVIEH fordert einen Ausbau der hofnahen Schlachtung, weil dies der schonendste Weg zum Lebensende ist und Tieren sehr viel Stress durch Transport und Aufenthalt am Schlachthof erspart wird. 

Hofnahe Schlachtung durch Weideschuss oder mobile Schlachteinheit 

Die Schlachtung mittels Kugelschuss auf der Weide ist als schonendste Variante einer hofnahen Schlachtung zu bewerten und erspart Tieren nahezu jeglichen Stress. Hierbei wird das Tier in der Gruppe auf der Weide durch einen gezielten Kopfschuss betäubt bzw. getötet. Eine andere Form der hofnahen Schlachtung liegt in einem mobilen Schlachtsystem. Hier wird das Tier am Hof in einer mobilen Schlachteinheit betäubt und mittels Blutentzug getötet. Rinder und Schweine werden dort einzeln hineingetrieben, Geflügel wird mit Sammelkäfigen einzeln entnommen. In beiden Fällen sterben die Tiere durch den Blutentzug mittels Hals- oder Brustschnitt. Bei vollmobilen Schlachteinheiten werden die Tiere dann vor Ort zerlegt. Bei teilmobilen Schlachteinheiten wird das tote Tier zum Häuten, Zerlegen und Verarbeitenzu einem stationären Schlachthof verbracht. 

Das Problem: Unklare Rechtslage, Bürokratie und hohe Kosten verhindern hofnahe Schlachtung 

Mobil und damit tierschonender zu schlachten, ist in Deutschland leider nach wie vor durch ein Gewirr an Vorschriften und eine länderintern unterschiedliche Anwendung erschwert. Darüber hinaus steht Tierhalter:innen und Schlachthofbetreiber:innen zusätzlich zu erheblichen Mehrkosten ein großer Berg an Bürokratie entgegen. Nicht nur das Tierschutzrecht, sondern Lebensmittel-, Tierseuchen-, Ordnungs- und Waffenrecht sind im Zusammenhang mit der Schlachtung zu beachten. Dieses Zusammenspiel aus Kosten, Bürokratie und undurchsichtiger Genehmigungspraxis erschwert nicht nur den Ausbau von mobiler Schlachtung, sondern verhindert die hofnahen Schlachtungen sogar oftmals. 

Die Rechtslage 

Mit der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 auf EU- und der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) auf nationaler Ebene haben Schlachthofbetreiber klare Rechtsnormen, durch deren Befolgung der Tod ohne vermeidbare Leiden und Schmerzen erfolgen soll. Besonders tierschutzrelevant sind die Betäubungsverfahren, damit Tiere im Schlachtprozess empfindungslos sind. National fordert die TierSchlV eine Betäubung der Tiere in der Form, „dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden“. Dabei müssen die Betäubungsgeräte beispielsweise nach Herstellerangaben durch geschultes, fachkundiges Personal instandgehalten und überprüft werden. Soweit die Vorgaben auf dem Papier. 

Aufgrund der EU-Hygieneverordnung mussten bis Ende 2010 alle Schlachttiere lebend zum Schlachthof verbracht werden. Seit 2011 gilt zusätzlich zu den Ausnahmen für Haus- und Notschlachtungen, Wildtiere in landwirtschaftlicher Gehegehaltung und Bisons auch eine rechtliche Ausnahme für die sogenannte Weideschlachtung von ganzjährlich im Freien gehaltenen Rindern. Am 9. September 2021 traten weitere neue lebensmittelrechtliche EU-Vorschriften in Kraft. Hierdurch sollte die Hofschlachtung – die Zustimmung der zuständigen Behörde vorausgesetzt – für je einen Schlachtvorgang mit bis zu drei Rindern, sechs Schweinen oder drei Einhufern in einer mobilen Schlachteinheit ermöglicht werden. Geflügelbetriebe dürfen maximal 10.000 Tiere aus ihrem Bestand mobil schlachten lassen. Verpflichtend ist jedes Mal die Anwesenheit eines amtlichen Tierarztes. Erfolgen sowohl Tötung als auch Schlachtung vor Ort, handelt es sich um eine vollmobile Schlachtung. Bei einer teilmobilen Schlachtung wird das Tier nach dem Schlachtvorgang zum Häuten und Zerlegen zu einem Schlachtbetrieb verbracht. Diese bei sachkundiger Durchführung tierschonenderen Schlachtformen bedürfen einer Genehmigung bei der zuständigen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörde. Die Umsetzung liegt dabei bei den einzelnen Bundesländern. Diese regeln die Durchführung sowie die amtliche Überwachung über Erlässe und haben zum Teil zusätzliche Leitlinien herausgegeben. Dadurch ergibt sich ein undurchsichtiger Flickenteppich und in jedem Bundesland und in vielen Kreisen wird völlig unterschiedlich genehmigt. 

Lichtblicke: Ausbau von hofnaher Schlachtung in Aussicht 

Zwei Vorstöße in Sachen hofnahe Schlachtung stimmen PROVIEH und umstellungsbereite Landwirt:innen derzeit hoffnungsvoll: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) plant einen Ausbau und eine Förderung der mobilen Schlachtung. Im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung sollen „innovative Vorhaben der industriellen Forschung und der experimentellen Entwicklung unterstützt werden, die durch den Einsatz von teil- und vollmobilen Schlachteinheiten im Herkunftsbetrieb bzw. auf der Weide einen wertvollen Beitrag zum Tierwohl und zur Verbesserung der gesamten Wertschöpfungskette beitragen.“

Darüber hinaus erkämpften zwei Landwirt:innen ein Gerichtsurteil, welches zur Vereinheitlichung der Rechtslage bei der Weideschlachtung beitragen könnte. Die Rinderhalter:innen aus Rheinland-Pfalz wollten durch Ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz einen Präzedenzfall schaffen, der die Genehmigungsverfahren einer Schlachtung per Kugelschuss auf der Weide deutschlandweit vereinheitlichen würde. Derzeit muss diese Tötungsform für jedes einzelne Tier beantragt werden und kann von der zuständigen Behörde abgelehnt werden. Was hier seitens des zuständigen Kreises der Fall gewesen war. Es wurde gerichtlich entschieden, dass die Rinder weiterhin per Kugelschuss getötet werden dürfen. Als Begründung führte das Gericht an, dass es keine rechtliche Grundlage für den abgelehnten Antrag des Kreises gäbe. Landwirte sollen selbst über die Tötungsmethode entscheiden dürfen. Weiterhin wurde vom Gericht kein Grund gesehen, den Bolzenschuss der Kugelschussmethode vorzuziehen. Zukünftig muss somit der Kreis den Kugelschuss erlauben.  

PROVIEH setzt sich vollumfänglich dafür ein, dass mobile, tierschonende Schlachtmethoden sowie hofnahe, regionale Schlachtungen insgesamt ausgebaut werden. Dafür ist es wichtig, dass die rechtlichen Anforderungen bundesweit einheitlich, praxisnah und leichter verständlich aufbereitet werden. Außerdem sollten Beratungsangebote, zum Beispiel durch die Landwirtschaftskammern, über die genauen Anforderungen informieren. Zudem wäre es überaus sinnvoll, mobile Schlachtboxen und entsprechende Weideschuss-Transportboxen flächendeckend zentral anzubieten, damit sich Betriebe nicht zwingend eigenständig eine solche anschaffen müssen. Auch finanzielle Förderungen dieser Schlachtungsmethoden sind ein wichtiger Beitrag. Es ist zu hoffen, dass sich durch das Förderprogramm des BMEL für tierschonende Schlachtmethoden und das Gerichtsurteil die Tore weit öffnen und am Ende eine große Anzahl von Tieren davon partizipieren wird. PROVIEH steht im Dialog mit Praktikern, Forschung und Politik und wird die Entwicklung begleiten. 

Pioniere schonender und transportfreier Schlachtmethoden: 

Kathrin Kofent 

alle übrigen Fotos: © PROVIEH e.V.