Schweineschlachtung – PROVIEH fordert den Ausstieg aus der Kohlenstoffdioxid-Betäubung
In Deutschland werden jährlich etwa 55 Millionen Schweine geschlachtet. Der Schlachtvorgang unterteilt sich in die Betäubung und die tatsächliche Tötung. Für die Betäubung bei Schweinen stehen in der Praxis zurzeit zwei Verfahren zur Verfügung – die Elektrozange und die Gasbetäubung mit hohen Konzentrationen von Kohlenstoffdioxid (CO2). Im Gegensatz dazu werden Rinder in der Regel mittels Bolzenschuss und Geflügel durch ein elektrisches Wasserbad betäubt. Die Tötung geschieht bei allen Tieren durch die Öffnung der Blutgefäße und das anschließende Entbluten.
Für die Schlachtung von Schweinen sind gut 3.700 Schlachtbetriebe in Deutschland zugelassen. Hier bestehen allerdings sehr große Unterschiede in den Schlachtkapazitäten der Betriebe. Während in Bayern weit über tausend kleine Schlachtbetriebe rund vier Millionen Schweine schlachten, werden in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in gut 500 Betrieben 37 Millionen Schweine pro Jahr geschlachtet. Die jeweils angewandten Betäubungsmethoden in den Schlachthöfen werden bedauerlicherweise nicht erfasst. Dennoch gilt grundsätzlich, dass kleinere und mittlere Schlachtbetriebe in der Regel mittels Elektrobetäubung und sehr große Betriebe mittels CO2-Betäubung schlachten. Die Erklärung dafür ist, dass die CO2-Betäubung als günstige Alternative höhere Schlachtkapazitäten erlaubt. Das bedeutet, es können mehr Schweine in kürzerer Zeit geschlachtet werden.
Tierschutzaspekte der CO2-Betäubung
Die Gasbetäubung hat gegenüber der Betäubung mittels Elektrozange für den Betrieb den Vorteil, dass die Tiere in der Gruppe in eine Gondel getrieben werden und nicht separiert werden müssen. Anschließend fährt die Gondel mit den Tieren in eine Gasatmosphäre, die einen sehr hohen CO2-Gehalt aufweist. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft dauert die Anflutung des Gases 10 bis 30 Sekunden. Erst danach verlieren die Schweine ihr Bewusstsein. In der Zwischenzeit leiden sie an starker Atemnot – einem der stärksten Stressoren für Landsäugetiere. Neben diesem Stress sorgt das Gas auf den Schleimhäuten für schmerzhafte Reizungen. Durch Videoaufnahmen in den Gondeln konnte gezeigt werden, dass ein Großteil der Tiere mit erheblichen Angstzuständen bis hin zu panikartigen Fluchtversuchen reagiert und die Schweine zusätzlich starke Lautäußerungen von sich geben.
Nach der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sind die Tiere so zu betäuben, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden. Dieser Verordnung wird das Verfahren der Gasbetäubung mit Kohlenstoffdioxid nicht gerecht, da hier vermeidbare Leiden und Schmerzen bei der Betäubung der Tiere auftreten. Auf EU-Ebene sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse ebenfalls bekannt. Doch wie so oft werden an dieser Stelle wirtschaftliche Interessen über die Interessen der Tiere gestellt und so lautet die Formulierung in der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009: „Die Empfehlungen, den Einsatz von Kohlendioxid bei Schweinen … schrittweise einzustellen, werden nicht in diese Verordnung eingearbeitet, da die Folgenabschätzung ergeben hat, dass solch eine Empfehlung derzeit in der EU aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragbar ist. Es ist jedoch wichtig, diese Diskussion in Zukunft fortzusetzen.”
Wir sehen eine hohe gesellschaftliche Verantwortung darin, Tiere, die wir schlachten, so zu behandeln, dass ihnen ein möglichst schonendes Verfahren zur Betäubung angetan wird. Diese Prämisse ist ebenso gesetzlich wie gesellschaftlich gefordert. Der Gesetzgeber widerspricht sich allerdings, indem er einerseits Vorgaben zu Tierschutzaspekten bei der Tötung macht, später aber davon abweichend wirtschaftlich attraktive Alternativen zulässt, die den Vorgaben nicht entsprechen. Es braucht politische Anstrengungen und gesellschaftlichen Druck, um der Industrie einen Anreiz zu geben Alternativen zu erarbeiten.
Lösungsansätze
Mit der Elektrobetäubung steht bereits eine praxistaugliche und etablierte Betäubungsmethode zur Verfügung. Bei dieser Betäubungsmethode kann durch falsche Anwendung wiederum ein Tierschutzproblem entstehen, da bei der manuellen Elektrobetäubung die Fehlbetäubungsrate mitunter bei 12 Prozent liegt. Es muss also unbedingt bei der Durchführung auf eine fachgerechte Betäubung ohne den herrschenden Zeitdruck bestanden werden. Mit diesem Verfahren kann folglich nicht in derselben Geschwindigkeit geschlachtet werden wie bisher und so würden die Kosten für Schweinefleisch eventuell leicht steigen. Es stellt sich an dieser Stelle abermals die Frage, ob nicht die Gewinne der Schlachtunternehmen etwas geringer ausfallen sollten? Darf man hohe Summen mit dem Betreiben von Schlachthöfen verdienen, wenn bei allen Tierschutzaspekten immer der internationale Preiskampf als Gegenargument angeführt wird?
Es gibt ebenfalls bereits Untersuchungen zu alternativen Gasgemischen, um die Gasbetäubung weiterhin anwenden zu können. Helium, Argon und Stickstoff wurden als alternative Gase getestet. Zurzeit ist allerdings keines der Gase für die Praxis geeignet. Helium ist eine knappe und teure Ressource und kann daher in diesen großen Mengen nicht für die Schlachtung verwendet werden. Argon und Stickstoff sind leichter anzureichern und vermeiden bei den Tieren den Zustand der Atemnot sowie die Schleimhautreizungen. Die große Einschränkung ist die mangelhafte Betäubungsrate, sodass nicht alle Tiere sicher betäubt werden oder frühzeitig wieder ihr Bewusstsein erlangen. Aus diesen Gründen wird bereits über ein zweistufiges Verfahren nachgedacht, indem erst Argon oder Stickstoff angewandt würde und anschließend noch Kohlenstoffdioxid, um die Betäubung sicherzustellen. Es bedarf also weiterer Forschung, um eine Gasbetäubung unter respektablen Tierschutzbedingungen marktfähig zu machen.
Fazit
Wenn eine Abkehr von der CO2- Betäubung beim Schwein bedeutet, dass weniger Tiere langsamer geschlachtet werden können und dadurch die Kosten steigen, dann ist das der Preis, den wir als verantwortungsvolle Gesellschaft zahlen müssen, ohne zu hadern.
PROVIEH fordert einen schnellen Ausstieg aus der CO2-Betäubung.
Politisch müssen klare Vorgaben und begleitende Förderungen bereitgestellt werden, um praxistaugliche Alternativen zu etablieren. Auch auf EU-Ebene sollten diese mit Nachdruck eingefordert werden. Bis zum Ausstieg aus der CO2-Betäubung muss für den Verbraucher sichtbar werden, welche Betäubungsmethode angewandt wurde und Produkte, die mit einem Tierwohlkennzeichen ausgezeichnet werden, dürfen die CO2-Betäubung ab sofort nicht mehr zulassen.
Sinja Funke