Schlachtung mit Achtung versus Ausbeutung von Tier UND Mensch

Die letzte Stunde im Leben der Milchkuh Elisa. Nach drei gesunden Kälbern und einer wirklich beachtlichen Milchleistung wurde sie nicht mehr tragend.  Deshalb wurde sie „ausgemustert“, denn nur eine Kuh, die ein Kälbchen geboren hat, gibt bekanntlich Milch. Vertrauensvoll folgt sie ihrem Landwirt auf den Anhänger. Er fährt sie persönlich in den Nachbarort zu Rolf B. Der ist Metzger in dritter Generation und betreibt eine eigene Landschlachterei. So ist Elisas letzter Weg geprägt von Ruhe und Achtsamkeit. Sie stirbt kurze Zeit später in Würde, fachmännisch und ohne langes Leid. Ihr Fleisch wird vor Ort zerlegt und regional vermarktet. Die Kunden von Rolf B. zahlen gerne etwas mehr. Sie wertschätzen das Fleisch und das Handwerk, was den schnellen und „schonenden“ Tod des Tieres mit im Focus hat.   

Doch leider ist das Sterben in Würde in Deutschland zur Ausnahme geworden. Unzählige regionale Schlachtereien mussten schließen. Sie waren dem Konkurrenzdruck der Schlachtkonzerne nicht mehr gewachsen.  

Schließlich lieben die Deutschen Fleisch  

In dieser Grillsaison werden wieder unzählige tierische Produkte auf dem Rost liegen. Frei nach dem Motto „Masse statt Klasse“ wird großzügig im Discounter eingekauft.  Deutschlandweit werden jedes Jahr an die 60 Millionen Schweine, über drei Millionen Rinder, rund 700 Millionen Hühner, Puten, Enten und Gänse sowie über 20 Millionen Kaninchen geschlachtet. Was jeder Konsument von „Discounterfleisch“ wissen sollte: Neben Stress und Leid bei der Aufzucht, dem Verladen und Transport zum Schlachtort kommt es beim Schlachtvorgang selbst gehäuft zu eklatanten Verstößen und damit zu großem Tierleid. 

Millionenfaches Leid 

Schauen wir doch einmal genauer hin. Gerade einmal ein bis zwei Handvoll großer Schlachthöfe gibt es in Deutschland. Das Töten wurde dort bis ins letzte Detail industrialisiert. Die Mitarbeiter betäuben, töten und zerlegen im Akkord. Tiere sterben im Minutentakt. Dass dies nicht so schonend ablaufen kann wie in einem kleinen traditionellen Familienbetrieb sollte jedem einleuchten. Aber es ist weitaus schlimmer! Eine Untersuchung des Max-Ruber-Institutes (Kulmbach) sowie Ergebnisse aufgrund einer Anfrage der GRÜNEN 2012 brachten dramatische Zahlen in die Öffentlichkeit. Bei Schweinen wurden Fehlbetäubungsraten von bis zu einem Prozent festgestellt. Das bedeutet hochgerechnet pro Jahr für mindestens 500.000 Schweine, dass sie bei lebendigem Leibe gebrüht wurden und werden! Bei weit mehr als 200.000 Rindern beziehungsweise über neun Prozent der Tiere wurde der Bolzenschuss falsch gesetzt, so dass auch sie qualvoll und bei vollem Bewusstsein starben. Für billiges Fleisch wird also millionenfaches Tierleid in Kauf genommen.  

Was läuft falsch? 

Schweinehälften am Fleischerhaken
© Foto: Damir-Adobe-Stock.com

In Bezug zu setzen ist dieses schreckliche Versagen mit den Arbeitsbedingungen und dem enormen Zeitdruck, unter dem die Schlachthofmitarbeiter stehen. Hier war und ist kein Platz für Menschenwürde. Osteuropäische Leiharbeiter verrichten zu Hungerlöhnen eine Arbeit, die eigentlich handwerkliches Geschick und Wertschätzung gegenüber der Kreatur abverlangen. Es ist beinahe ein Gleichnis entstanden. Die Arbeiter werden gehalten und (aus)genutzt wie Vieh. Sie vegetieren in Massenunterkünften, teilweise unfreiwillig, gefangen in mafiösen Strukturen. Sie wurden ihrer Würde beraubt. Diese lange bekannte Ausbeutung wurde jahrzehntelang immer wieder unter den Teppich gekehrt. Geld und Macht zählen mehr als Menschenrechte. Aktuell mutet es schon sehr skurril an, dass durch die Häufung von Corona-Erkrankungen von Schlachthofmitarbeitern plötzlich die Aufmerksamkeit wieder auf diese Problematik gelenkt wird. Hoppla, erwischt. Wie konnte es nur soweit kommen? Moderne Sklaverei 2020 für billiges Grillvergnügen und großen Profit in den oberen Etagen der Schlachtunternehmen. Tier- und Menschenleid vereint in einem Lebensmittel.  

Schlachtung mit Achtung 

PROVIEH fordert einen achtsamen und würdevollen Umgang mit Mensch und Tier. Kein Lebewesen sollte unnötig leiden oder ausgebeutet werden. Als hoffnungsvoller Schritt erscheint die auf eine Initiative Bayerns am 5. Juni 2020 vom Bundesrat gefasste Entschließung, die die Bundesregierung auffordert, die nationalen Ausnahmeregelungen für regionale Schlachtungen zu erweitern und das Thema auf europäischer Ebene voranzutreiben. Für Hofschlachtereinen und Weideschuss gibt es derzeit unzählige Auflagen und Beschränkungen. So ist die Weideschlachtung nur begrenzt zulässig. Europäische Rechtsvorgaben geben vor, dass die Tiere grundsätzlich in einem zugelassenen Schlachthof geschlachtet werden müssen. 

Wir hoffen, dass zum Wohle von Tier und Mensch entschieden wird. Bis dahin seien Sie achtsam beim Fleischkauf. Unterstützen Sie regionale Fleischereien und Direktvermarkter. Erkundigen Sie sich nicht nur nach der Aufzucht, sondern auch nach dem Ort der Schlachtung des Tieres. Informieren Sie Freunde und Bekannte und greifen Sie im Zweifel häufiger auf vegetarische oder vegane Bio-Lebensmittel zurück. 

Kathrin Kofent 

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