Problemfeld – Nottötung von Saugferkeln

Rund 50 Millionen Ferkel kommen jährlich in deutschen Betrieben zur Welt. Die große Mehrheit dieser Ferkel wird nach sechs Monaten mit einem Mastendgewicht von etwa 120 Kilogramm geschlachtet. Doch bereits in den ersten Wochen gibt es eine beträchtliche Anzahl an Tieren, die in diesem System nicht überleben können. 15 Prozent der lebendgeborenen Tiere sterben bereits im Ferkelalter – das sind etwa 7,5 Millionen Tiere jährlich. Totgeborene Ferkel werden in Deutschland nicht einmal erfasst. Bei der Kontrolle der Tiere müssen daher Landwirte und deren Mitarbeiter regelmäßig tote Ferkel aus den Buchten tragen. Diese Tatsache ist äußerst bedrückend, jedoch sind die Umstände noch schwieriger, wenn Tiere in der Bucht liegen, die zwar leben, aber keine Überlebenschance haben. Um diesen Tieren unnötige Schmerzen und Leiden zu ersparen, kann eine Nottötung dann sogar zur Pflicht werden und darf nicht aufgeschoben werden.

Ferkelverluste vermeiden 

Der Fokus muss selbstverständlich auf der maximalen Reduzierung von Ferkelverlusten liegen. Zucht, Haltung sowie Management haben großen Einfluss auf den Erfolg dieses Ziels. Der langjährige Trend zu immer größeren Würfen geht mit erhöhten Zahlen totgeborener und lebensschwacher Ferkel einher. Das Risiko für Krankheiten und Verletzungen bei Muttersau und Ferkel kann durch bessere Haltungsbedingungen verringert werden. Außerdem kann mit dem erhöhten Aufwand einer Ferkelwache bei der Geburt die Sterblichkeit der Ferkel deutlich reduziert werden. Hiermit werden nur beispielhaft Möglichkeiten aufgezeigt, die bereits die Ursachen für die hohen Ferkelverluste verhindern können. 

Wenn es keine Behandlungsaussichten gibt… 

…diese Entscheidung muss von tierbetreuenden Personen in allen großen ferkelerzeugenden Betrieben täglich getroffen werden. Und es gilt sowohl eine unnötige Tötung von noch behandelbaren Tieren als auch ein zu langes Herauszögern der unabwendbaren Nottötung unbedingt zu verhindern. Daraus wird ersichtlich, dass die tierbetreuenden Personen eine hohe Qualifizierung benötigen, um derart schwierige Abwägungen leisten zu können. Die praktische Durchführung einer Nottötung stellt dann die nächste Schwierigkeit dar. Durch wissenschaftliche Untersuchungen an Tierkadavern in Tierkörperbeseitigungsanstalten konnten erhebliche Mängel im Umgang mit kranken Tieren sowie bei der Nottötung festgestellt werden. Neben dieser Tatsache mangelt es an standardisierbaren Verfahren für die Nottötung von Saugferkeln. Rechtlich zulässig sind für Ferkel unter fünf Kilogramm alle fünf unten aufgeführten Methoden zur Nottötung. Jedoch stehen in der Praxis momentan nur vier Verfahren zur Verfügung.  

  1. Euthanasie durch den Tierarzt (medikamentös) 

Dieses Verfahren ist selbstverständlich aus Tierschutzsicht allen anderen Methoden vorzuziehen, aber leider in der Praxis aus Kostengründen kaum anzutreffen. Allerdings gibt es auch Umstände, in denen die Nottötung umgehend geschehen sollte, um das Tier schnellstmöglich zu erlösen. Hier wäre ein Warten auf die Ankunft des Tierarztes nicht angemessen. 

  1. Stumpfer Kopfschlag mit anschließendem Blutentzug (mechanisch) 

Dies ist momentan die gängigste Methode. Bei sachgerechter Durchführung wird das Ferkel unmittelbar bewusstlos. Dennoch ist das Verfahren fehleranfällig, nicht standardisierbar und für die ausführende Person als belastend einzustufen. Ausdrücklich verboten ist das Schleudern der Ferkel gegen Wände oder Böden. 

  1. Bolzenschussgerät mit anschließender Zerstörung des Gehirns/Rückenmarks oder mit anschließendem Blutentzug (mechanisch) 

Seit kurzem steht ein geeignetes Gerät zur Verfügung. Hiermit könnte der Bolzenschuss den stumpfen Kopfschlag als besser standardisierbare und weniger martialische Methode zur Betäubung ersetzen. Bei korrekter Anwendung tritt unverzüglich ein Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit ein.  

  1. Co2-Betäubung und -Tötung (Gas) 

Die Betäubung durch Kohlenstoffdioxid kritisieren wir stark, da die Wirkung verzögert einsetzt. Bis zum Eintritt der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit leiden die Tiere an Atemnot und Schleimhautreizungen. Bei den lebensschwachen Ferkeln kommt erschwerend hinzu, dass sie häufig bereits eine gedämpfte Atmung aufweisen und somit noch schlechter den betäubenden Effekt erhalten. Eine vorherige Gabe eines Beruhigungsmittels ist deshalb zwingend notwendig. 

  1. Durchströmung des Gehirns mit anschließender Durchströmung des Herzens oder mit anschließendem Blutentzug (elektrisch) 

Eine Stromzange für die Anatomie der Saugferkel ist nicht auf dem Markt erhältlich. Andere Stromzangen können für die kleinen Ferkel nur ungenau eingestellt werden und dadurch zu starken Verbrennungen oder einem unsicheren Todeseintritt führen. Auch hier könnte die Entwicklung geeigneter Geräte mit sachgerechter Anwendung zu einer schnellen Betäubung führen. 

Auch wenn man in keinem Haltungssystem gänzlich vermeiden können wird, dass Tiere erkranken, sterben oder notgetötet werden, fordert PROVIEH eine grundsätzliche Abkehr von der Zucht auf Hochleistung hin zu einem System, dass die Gesundheit der Tiere in den Mittelpunkt stellt. Zusätzlich benötigen wir ein echtes nationales Tierwohlmonitoring um Mängel im Umgang mit kranken Tieren sowie bei der Nottötung konsequent festzustellen. Dies ist unerlässlich, um auf allen Ebenen Verbesserungen zu erreichen.  

Um weiterhin Fehler bei der Nottötung von Saugferkeln zu vermeiden, müssen folgende Sofortmaßnahmen umgesetzt werden: 

  • Euthanasie der Ferkel durch den Tierarzt, wenn die Zeitverzögerung angemessen ist. 
  • Dokumentationspflicht aller totgeborener, gestorbener und notgetöteter Ferkel. 
  • Regelmäßige Schulungen verpflichtend für alle tierbetreuenden Personen zur guten Entscheidungsfindung und sachgerechten Durchführung von Nottötungen. 
  • Regelmäßige Kontrollen auf den Betrieben sowie bei Tierkörperbeseitigungsanstalten und eine Nachverfolgbarkeit der dort angelieferten Tiere. 
  • Entwicklung standardisierbarer Betäubungsmethoden zur Nottötung von Saugferkeln. 

Dieses Thema bedarf einer viel größeren Aufmerksamkeit, ansonsten setzt sich das millionenfache Leid der Ferkel ungesehen fort! 

Sinja Funke

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