Erstes Strafverfahren zum Schächten
Am 05.12.2011 fand in Buxtehude die Pressekonferenz „Erstes Strafverfahren zum Schächten“ statt. Zwei muslimische Fleischer aus Stade hatten Tiere ohne Betäubung geschlachtet. Beide erhielten eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 4000,- €. Auf der Pressekonferenz wurde das Video-Beweismaterial vorgeführt: einem Schaf wurde bei vollem Bewusstsein mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten, in einer Halle unmittelbar neben bereits getöteten oder ausblutenden Artgenossen.
Die zuständige Amtstierärztin wusste seit 2004 von den illegalen Schlachtungen Bescheid und räumte ihre Kenntnis sogar gegenüber der Hamburger Morgenpost ein. Nicht zufriedenstellend ist deshalb die Tatsache, dass das Verfahren gegen sie eingestellt wurde.
Der Anwalt der Anklage war in Anbetracht der Umstände mit dem Ergebnis des Strafverfahrens zufrieden. Dass es überhaupt einen Prozess gegeben hatte ist schon viel wert, da aufgrund von mangelnder Kenntnis der Sachlage viele ähnliche Prozesse im Sande verlaufen. Zum ersten Mal wurde das Schlachten von unbetäubten Tieren in Deutschland vor Gericht gestellt und tatsächlich auch geahndet.
Aufgrund der nachgewiesenen Kenntnisnahme des Veterinäramts und der Tatsache, dass von sechs Zeugen der illegalen Schlachtungen nur fünf vernommen wurden, wollen die Anzeige-Erstatterinnen wieder in Revision gehen.
Was versteht man unter dem Begriff „schächten“?
Das Schächten leitet sich vom Hebräischen schachat (schlachten) ab. Bei dieser Art der Schlachtung wird mit einem Schnitt quer durch den Hals des Tieres ein hoher Blutverlust herbeigeführt. Das Tier stirbt durch Verbluten. Diese rituelle Schlachtmethode ist gebräuchlich im Judentum und im Islam. Schächten findet ohne und mit Betäubung statt, je nach Auslegung der zugrunde liegenden religiösen Regeln.
Was passiert beim betäubungslosen Schächten?
Mit einem langen, scharfen Messer werden mit einem einzigen Schnitt Luftröhre, Speiseröhre sowie die beiden Halsschlagadern durchtrennt. In der ersten Phase des Ausblutens sind die Tiere nachgewiesenermaßen noch bei vollem Bewusstsein und empfinden Schmerzen und Todesangst. Durch den Blutverlust setzt nach einiger Zeit die Bewusstlosigkeit und dann der Tod ein. Deshalb fordern Tierschützer aller Religionen, auch diese rituelle Form der Schlachtung grundsätzlich nur mit Betäubung durchzuführen.
Verteidiger des betäubungslosen Schächtens argumentieren, dass durch das schnelle Ausbluten des Tieres ein schlagartiger Abfall des Blutdrucks einsetzen würde, der zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn führe und das Bewusstsein nach wenigen Sekunden auslösche.
Gegner führen dagegen an, dass die Bewusstlosigkeit der Tiere erst nach mehreren Minuten eintritt. Die Blutgefäße im Bereich der Wirbelsäule, die nicht verletzt werden, versorgen das Gehirn trotzdem weiterhin mit Sauerstoff. Das Tier durchlebt einen mehrminütigen Todeskampf, da der Ausblutungsprozess eine gewisse Zeit dauert.
Wann ist ein Tier „rein“ (koscher, halal)?
Zumeist werden Schafe und Rinder, aber auch Lämmer, Ziegen und Hühner geschächtet. Das Tier muss vollständig ausgeblutet sein, was wiederum nur erfolgt, wenn das Herz während der Schlachtung noch schlägt. Es dürfen später keine Blutrückstände mehr im Fleisch zu erkennen sein. Auch in konventionellen Schlachthöfen arbeitet man nach diesem Prinzip. Fleisch mit Blutrückständen gilt generell als unverkäuflich. Im Gegensatz zum rituellen Schächten müssen jedoch alle zu schlachtenden Tiere vorher betäubt werden. Tierschützer kritisieren allen Betäubungsvorgaben zum Trotz, dass ein hoher Prozentsatz der Schlachttiere auch in den konventionellen Schlachthöfen ohne hinreichende Betäubung getötet wird.
Ist das betäubungslose Schlachten in Deutschland erlaubt?
Nein. Es gibt jedoch Ausnahmeregelungen, nach denen bei der Einhaltung von bis zu 20 Auflagen, diese Art der Schlachtung für religiöse Glaubensgemeinschaften erlaubt ist. Deutschlandweit gibt es zurzeit eine einzige ganzjährige Erlaubnis für einen muslimischen Metzger aus Hessen. Weitere zeitlich begrenzte Ausnahmen werden einmal im Jahr zum Opferfest von weiteren Gläubigen in Anspruch genommen.
In vielen muslimischen Ländern, beispielsweise der Türkei, ist es bereits verboten die Schlachtung betäubungslos vorzunehmen. Große Fleischerzeuger aus Deutschland schlachten mit Halal-Zertifizierung von muslimischen Zertifizierungsstellen, die eine generelle Betäubungspflicht vorschreiben. Bei importiertem Fleisch aus arabischen Ländern ist leider oft genug davon auszugehen, dass die Tiere unbetäubt getötet wurden.
PROVIEH fordert, dass kein Tier ohne vorige Betäubung geschlachtet werden darf. Diese Forderung ist ausnahmslos unabhängig von der Religion und bezieht sich ebenso auf die gewerbliche, industrielle wie auch auf die Hobby-Haltung. Der Moment des Todes soll für ein Tier mit so wenig Schmerzen verbunden sein wie möglich.
Verena Stampe