Und es geht doch weiter – das betäubungslose Schlachten

22.12.2011: In den Niederlanden ist vor kurzem ein Gesetzesvorschlag zum Verbot über jegliche Ausnahmeregelungen zum betäubungslosen Schlachten abgelehnt worden. Gegner sahen die Religionsfreiheit von Juden und Moslems bedroht. Mit dieser Entscheidung stehen die Niederlande nicht alleine da – auch in Deutschland kann das Tierschutzgesetz zu Religionszwecken in Ausnahmefällen übergangen werden.

Islam und Judentum geben vor, dass die Schlachttiere (zumeist Schafe, Rinder und Geflügel) geschächtet werden müssen. Das bedeutet, dass den Tieren mit einem einzigen Kehlschnitt Luftröhre, Speiseröhre sowie die beiden Halsschlagadern durchtrennt werden und man sie dann ausbluten lässt. Das Schächten findet mit oder ohne Betäubung statt, je nach Auslegung der zugrunde liegenden religiösen Regeln. Beim rituellen Schächten findet die Schlachtung jedoch bei vollem Bewusstsein statt. So „professionell“ diese Prozedur auch ausgeführt wird, das Tier leidet bis zu mehreren Minuten, bis es endlich das Bewusstsein verliert. Bei der Rinderschlachtung kommt noch erschwerend hinzu, dass man die Tiere vorher in einen Metallkäfig sperrt und dann kopfüber hängt, damit der Ausbluteprozess vollständig abläuft. Diese für die Rinder völlig unnatürliche Position ist mit viel Stress und Leid verbunden.

In Deutschland ist die Schlachtung ohne Betäubung eigentlich verboten, da sie gegen das Tierschutzgesetz (TSchG) verstößt. Laut § 1 TSchG „darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Das Gesetz sieht jedoch Ausnahmeregelungen für bestimmte Glaubensgruppen vor, da angeblich die Religionsfreiheit nicht gewährleistet würde, wenn ihre rituellen Schlachtmethoden verboten wären. Innerhalb dieser Gruppen gibt es jedoch nur einen geringen Teil, der darauf besteht, dass die Tiere unbedingt ohne Betäubung getötet werden müssen. Unzählige religionswissenschaftliche Gutachten jüdischer und islamischer Rechtsgelehrter bestätigen die Übereinstimmung von Religion und vorhergehender Betäubung vor der Schlachtung. Laut der türkischen Zeitung „Hürriyet“ wird auch die Türkei, in der etwa 99 Prozent Muslime leben, im Dezember 2011 ein Verbot zum betäubungslosen Schlachten erlassen. Warum dann nicht auch in Deutschland und weiteren EU-Ländern?

Aber auch die Niederlande, in deren Parlament immerhin zwei Abgeordnete der „Tierschutzpartei“ sitzen, trauten sich schlussendlich nicht an den bestehenden Verhältnissen zu rütteln. Im Frühjahr 2011 wurde überraschenderweise noch eine klare Mehrheit unter den Abgeordneten für ein Verbot von Ausnahmeregelungen zum betäubungslosen Schlachten erreicht. Doch der Senat hatte das letzte Wort und stellte sich in einer Abstimmung am 13. Dezember 2011 dagegen.

Allein Schweden hat als einziges EU-Land bisher das Schlachten ohne vorherige Betäubung ausnahmslos verboten. Ansonsten gelten solche Verbote nur in den EFTA-Ländern (Mitglieder der Europäischen Freihandelszone) Schweiz, Norwegen und Island. Es ist jetzt wichtig, dass Deutschland und andere Mitgliedsstaaten schnell handeln, denn am 01.01.2013 tritt die neue EU-Schlachtverordnung in Kraft. Nur die Länder, in denen bereits vorher das betäubungslose Schlachten verboten wurde (wie in Schweden), dürfen dieses Verbot auch nach dem 01.01.2013 weiter aufrecht erhalten. Aus diesem Grund müsste Deutschland das Gesetz im kommenden Jahr ändern, sonst bleibt die gängige Schächtpraxis auf Jahre bestehen. Der Bundesrat hat auf Initiative von Hessen seit 2007 zwei entsprechende Anträge verabschiedet, aber die Bundesregierungen unter Angela Merkel haben sich bisher stur geweigert, die Gesetzesvorlage im Parlament zu debattieren bzw. zur Abstimmung zu bringen.

PROVIEH distanziert sich klar von antisemitischer und antimuslimischer Diskriminierung. Aber wir fordern eine schmerzfreie Schlachtung aller Tiere, der eine angemessene Betäubung voraus geht. Keinem Tier dürfen unnötig Schmerzen zugefügt werden.

Verena Stampe

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