Tierhaltungskennzeichnung verschoben
Ende eines zahnlosen Tierwohl-Tigers oder Chance für eine Regelung mit Biss?
Berlin, 03. Juni 2025: Die Bundesregierung hat – neben weiteren Regelungen – die Frist für die Einführung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes (TierHaltKennzG) verschoben. Ursprünglich sollte ab dem 1. August 2025 zunächst auf frischem Schweinefleisch verbindlich sichtbar gemacht werden, unter welchen Bedingungen die Tiere in der Mastphase gehalten wurden. Die Koalitionsfraktionen aus Union und SPD haben letzte Woche allerdings beschlossen, die verpflichtende Kennzeichnung auf den 1. März 2026 zu verschieben. PROVIEH sieht diese Verschiebung mit gemischten Gefühlen, birgt sie doch die Gefahr, dass der neue Landwirtschaftsminister Alois Rainer die geplante Transparenz in der Nutztierhaltung zurückschraubt und negative Folgen für das Wohl von hunderten Millionen “Nutztieren” entstehen.
„Diese Verschiebung könnte ein tierschutzpolitisches Rollback kennzeichnen, aber auch eine große Chance eröffnen, um die vielfach umstrittene Umsetzung des TierHaltKennzG anwenderfreundlicher, klarer und in Punkto Tierschutz wirksamer umzugestalten. PROVIEH ist wachsam und wird das tierschutzpolitische Geschehen in dieser Hinsicht fest im Blick behalten“, betont Kathrin Kofent, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft.
Hintergrund
Das TierHaltKennzG wurde im Koalitionsvertrag der vorangegangenen Ampel-Regierung beschlossen und soll landwirtschaftliche Betriebe zu einer Kennzeichnung der Haltungsform von Tieren auf Lebensmitteln tierischen Ursprung verpflichten. Ziel war es, mehr Transparenz für Verbraucher:innen in Bezug auf Tierschutzstandards zu schaffen und insgesamt eine In-Wert-Setzung von höheren Tierwohlstandards anzuschieben. PROVIEH setzt sich bereits seit langem für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung ein und begleitete fachlich fundiert die Erarbeitung des geplanten Kennzeichnungsgesetzes. Beim Entwurf von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wurden schnell erhebliche Schwächen deutlich: Ein nichtssagendes, eintönig in schwarz-weiß gehaltenes Siegel, welches auch noch umgekehrt zur Eierkennzeichnung und dem Schulnotensystem kategorisiert wurde. Von Seiten des Tierschutzes gelang es uns zwar, zumindest einige Verbesserungen im Bereich Beschäftigungsmaterial und Bodenbeschaffenheit zu erzielen, dennoch startete das Gesetz holperig und mit erheblichen Lücken.
Das Gesetz setzte unklare Standards und hatte in Bezug auf den Tierschutz noch viel Luft nach oben. So blieb zum Beispiel die Haltung der Muttersauen sowie die Aufzuchtphase der späteren Mastschweine unberücksichtigt. Mit der Gültigkeit nur für Frischfleisch würde zudem nur ein kleiner Teil gekennzeichnet werden. Ein unscheinbares Label mit einer für Verbraucher:innen unklaren Bezeichnung der Haltungsform ist wenig anwenderfreundlich und kann keine verlässliche Orientierung in Punkto Tierwohl bieten. Zudem ist bislang unklar, wie die dafür zuständigen Bundesländer die Einordnung der Betriebe wie auch regelmäßige Kontrollen zur Einhaltung umsetzen sollen. Der Entwurf zur Kategorisierung von Rindfleisch wies im Übrigen dieselben Schwächen auf wie beim Schwein.
Chancen nutzen – echten transparenten Tierschutz voranbringen
Das Tierwohllabel hat das Potenzial, zu einem echten Orientierungspunkt für Verbraucherinnen und Verbraucher zu werden – und die Landwirt:innen auf dem Weg zu mehr Tierwohl wirksam zu unterstützen. PROVIEH plädiert für echten greifbaren Tierschutz und ruft Minister Rainer auf, den geschaffenen Zeitrahmen bestmöglich zu nutzen und für eine klare und mutige Weiterentwicklung eines chancenreichen Tierwohllabels einzustehen.
Konkret fordern wir:
- Tierschutzstandards müssen nachgeschärft und klarer differenziert werden
- Neben dem jeweiligen Haltungssystem müssen auch Tiergesundheit und Tierbetreuung miteinbezogen werden.
- Auch verarbeitetes Fleisch sowie der gesamte Bereich der Außer-Haus-Verpflegung muss miteinbezogen werden
- Fördermittel und unabhängige Beratungen für Betriebe müssen bereitgestellt und umgesetzt werden
- Für die Überprüfung der Kategorisierung und amtliche Kontrollen muss genügend geschultes Personal langfristig bereitstehen
- Flankierend müssen aktualisierte gesetzliche Mindestanforderungen über die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie ein novelliertes Tierschutzgesetz klare Standards sowie Planungssicherheit schaffen.
Ansprechperson
Kathrin Kofent
Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft
Telefon: 0431. 2482805
Mail: kofent@provieh.de
Pressestelle
PROVIEH e.V.
Küterstraße 7-9 | 24103 Kiel
Telefon: 0431. 248 28 0
Mail: info@provieh.de
Hintergrundinfos/vorherige Artikel zum Thema:
Kein Platz für Tierwohl – Haltungskennzeichnung enttäuscht auch bei Rindern | PROVIEH
Tierwohl und Transparenz bei Fleisch: Politik-Irrweg bei staatlicher Haltungskennzeichnung | PROVIEH
Die Haltungskennzeichnung kommt – was ist gut, was ist schlecht? | PROVIEH
Haltungskennzeichnung jetzt! | PROVIEH
BMLEH – Tierhaltungskennzeichnung – Schritte zur Tierhaltungskennzeichnung für Marktakteure