Tiertransporte – Tierleid ohne Ende?
Transportzahlen und Tierarten in Europa und Deutschland
Jährlich werden innerhalb Europas Milliarden lebender Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner und anderes Geflügel sowie Pferde und Esel inländisch, im Rahmen des Im- und Exportes innerhalb der Europäischen Union (EU) sowie in Drittstaaten transportiert. Dadurch entsteht vielfaches vermeidbares Leid.
Bereits unter optimalen Bedingungen bedeutet ein Transport durch das Herausnehmen aus der vertrauten Herde und Umgebung und das oft übliche wahllose Zusammenwürfeln an Sammelstellen Stress für die Tiere. Hinzu kommen jedoch zahlreiche „Fehlerquellen“, die nachweislich zu großen und vermeidbaren Leiden, Schmerzen und Schäden führen. So wurden bereits vielfach mannigfaltige Tierschutzprobleme – sei es durch unzureichende Transportbedingungen, lange Transportzeiten und/oder mangelhafte Versorgung, festgesellt. Zum einen liegt das an in vielen Bereichen nicht ausreichenden Vorschriften wie auch an der in den Mitgliedsländern unterschiedlich und häufig mangelhaft gehandhabten Um- und Durchsetzung. Am Ende leiden Tiere tausendfach aufgrund von Stress, Angst, Mangel an Futter und Wasser, aufgrund von Verletzungen oder Stürzen. Insbesondere auch der Transport von verletzten, kranken und für den Transport ungeeigneten Tierkindern ist als hochproblematisch anzusehen.
Niederschmetternde Studienergebnisse
Eine mögliche Novelle der veralteten Verordnung, die den Transport von Tieren auf EU-Ebene regelt, steht im Raum und wird bereits seit längerem aktiv in den Ausschüssen diskutiert. Umstritten ist, inwiefern strengere Vorschriften innerhalb der betreffenden Verordnung (EG) Nr. 1/2005 tatsächlich die Situation der Tiere während des Transportes verbessern werden. Da die Auslegung, Umsetzung und Durchsetzung bestehender Vorschriften sehr unterschiedlich und oftmals mangelhaft sind, müssten begleitend zusätzliche Maßnahmen erfolgen, die eine flächendeckend gute Umsetzung sicherstellen, so die Argumentation.
- Unterstrichen wird die Brisanz der Problematik zum wiederholten Male durch die negativen Ergebnisse einer aktuellen Studie. Diese wurde vom Wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments im Auftrag des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments erstellt. Untersucht wurde darin die Durchsetzung der oben genannten Transport-Verordnung. Die Ergebnisse unterstreichen eine inkonsistente Durchsetzung mit erheblichem Potenzial für Verbesserungen bei Inspektionsverfahren, Dokumentationspraktiken und der Beurteilung der Transporttauglichkeit von Tieren. Besondere Probleme wurden beim Transport nicht abgesetzter Kälber und zur Schlachtung bestimmter Tiere festgestellt. Als mögliche Maßnahmen zur Verbesserung werden angeführt: einheitlichen Inspektions- und Datenerfassungsverfahren, klare regulatorische Definitionen sowie eine verbesserte Koordination zwischen den Behörden https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2025/765766/EPRS_STU(2025)765766_EN.pdf
Ob und inwiefern diese Studie Einfluss auf legislative Anpassungen hat und zur Anwendung der beschriebenen Begleitmaßnahmen führt, bleibt abzuwarten. Der Gegenwind aufgrund (markt)wirtschaftlicher Interessen ist erheblich.
Sonderfall Langstreckentransporte in Drittländer
Es geht ums Geld
Tiertransporte sind finanziell attraktiv. Denn die EU und Deutschland fördern aktiv den Zugang zu neuen Märkten in Drittländern, um die Wettbewerbsfähigkeit beispielsweise deutscher Rinder zu steigern. Freihandelsabkommen oder spezielle Vereinbarungen erleichtern dabei den Export, zum Beispiel durch Zollvergünstigungen oder vereinfachte Zertifizierungsprozesse. Durch Unterstützung bei der Erfüllung internationaler Gesundheits- und Qualitätsstandards, soll der Marktzugang gesichert werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, werden Zuschüsse oder zinsgünstige Kredite für Unternehmen, die in den Export von Rindern investieren, bereitgestellt.
Potenzierte Probleme
Aufgrund der finanziellen Anreize werden sehr viele Tiere auf Langstreckentransporte geschickt. Hier potenzieren sich die beschriebenen Problematiken, die zu Schäden, Leiden und Schmerzen führen noch einmal um ein Vielfaches, wenn Pausen an Entladestationen und Versorgungsvorschriften nicht eingehalten werden, Transportfahrzeuge in sengender Hitze oder klirrender Kälte stunden- oder sogar tagelang an Grenzen festsitzen. Transporte nach Nordafrika erfolgen auf dem Seeweg. Die Schiffe sind oftmals nicht dafür ausgelegt, so dass schon das Be- und Entladen über steile Rampen und rutschige Vorrichtungen erfolgt. Tiere werden zu eng, ohne Einstreu, Futter und Wasser transportiert. Aber auch auf dem Landweg ergeht es zahlreichen Tieren nicht besser. Hinzu kommt, dass so ein Export nicht nur Leiden auf dem Transport, sondern auch eine ungewisse Zukunft mit geringeren oder nicht vorhandenen Tierschutzvorschriften, ungeeignete Klima- und Haltungsbedingungen sowie beispielsweise Schlachtmethoden ohne Betäubung bedeutet.
Faktenpapier zum rechtlichen Mehrebenensystem
Die rechtlichen Möglichkeiten rund um die Transportbedingungen innerhalb der EU sind komplex und beschränken sich nicht allein auf die 20 Jahre alte EU-Verordnung. Auch auf Bundes-, Länder bis hin zur Landkreisebene sind die Mitgliedstaaten handlungsfähig. In einem Faktenpapier betrachtet der ehrenamtlich geführte juristische Beirat von PROVIEH die Zuständigkeiten und Umsetzbarkeiten für grenzüberschreitende Transporte. Besonders problematisch sind solche Tiertransporte, welche in außereuropäische Drittländer führen. Denn diese Transporte dauern nicht nur tage-, zum Teil wochenlang, sondern die Bedingungen in den Zielstaaten sind oft nicht tierschutzgerecht. Tierschutzwidrige Behandlungsmethoden sind in vielen Zielstaaten gängige Praxis, bis hin zur betäubungslosen Schlachtung, die die Tiere dort erwartet.

Tiertransporte in Europa: Wer entscheidet?
Historie der EU-Gesetzgebung
Seit mehr als 20 Jahren (2004) existiert in der EU eine Verordnung, die den Schutz von Tieren während des Transports regelt – die EU-Tiertransportverordnung. Die trotz dieser gesetzlichen Regelungen erheblichen Tierschutzprobleme hat auch das EU-Parlament bereits mehrfach diskutiert. So forderte es in einer Entschließung vom 14. Februar 2019 eine stärkere Kontrolle, konsequente Sanktionen bei Verstößen und kürzere Transportzeiten, um das Tierleid zu verringern.
Einrichtung eines Untersuchungsausschusses für mehr Kontrolle
Am 19. Juni 2020 wurde von den Abgeordneten ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die mutmaßlichen Verstöße gegen die EU-Tierschutzvorschriften beim Transport innerhalb und außerhalb Europas untersuchen sollte. Ziel war es, systematische Missstände aufzudecken und die Einhaltung der Regeln zu verbessern.
Debatte im EU-Parlament und Forderungen an die Politik
In einer Debatte am 2. Dezember 2020 forderten die Abgeordneten den EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski auf, die Tierwohl-Standards in der EU-Agrarpolitik zu stärken. Sie forderten außerdem, die Lieferketten zu verkürzen, den Transport lebender Tiere durch den Transport von Fleisch zu ersetzen und sicherzustellen, dass alle Importe den EU-Standards für Tierschutz entsprechen.
Bericht des Untersuchungsausschusses im April 2021
Im April 2021 stellte der Untersuchungsausschuss (ANIT) fest, dass die Durchsetzung der bestehenden EU-Regeln zum Wohlergehen der Tiere beim Transport inakzeptabel ist. Es wurde deutlich, dass es an konsequenten Maßnahmen fehlt. Der Ausschuss forderte daher konkrete Schritte, darunter Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die die Vorschriften nicht umsetzen.
Systemische Mängel bei der Umsetzung
Der im Januar 2022 im EU-Parlament verabschiedete Bericht des Ausschusses bestätigte, dass es in der gesamten EU grundlegende Probleme bei der Umsetzung der Tiertransportvorschriften gibt und fordert dringend Verbesserungen.
Quelle: https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20200624STO81911/eu-gesetze-fur-tierschutz-und-tierwohl-videos#forderung-des-parlaments-nach-besserem-schutz-von-tieren-beim-transport-10
Vorschlag für neue Verordnung
Am 7. Dezember 2023 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine überarbeitete Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments über den Schutz von Tieren beim Transport angenommen, der die EU-Tiertransportverordnung ersetzen soll. Der Vorschlag konzentrierte sich auf die folgenden Hauptziele, die für das Wohlergehen der Tiere beim Transport von wesentlicher Bedeutung sind:
- Verringerung von Tierschutzproblemen im Zusammenhang mit langen Transporten und wiederholtem Entladen und Wiederverladen in Verbindung mit mehreren Ruhezeiten
- Sicherstellung, dass die Tiere beim Transport mehr Platz haben
- Verbesserung der Transportbedingungen für gefährdete Tiere, zum Beispiel noch auf Muttermilch angewiesene Jungtiere
- Regelungen zu extremen Temperaturen auszusetzen
- Erleichterung der Durchsetzung der EU-Vorschriften durch Digitalisierung
- Besserer Schutz für Transporte in Nicht-EU-Länder
- Verringerung von Tierschutzproblemen im Zusammenhang mit langen Transporten und wiederholtem Entladen und Wiederverladen in Verbindung mit mehreren Ruhezeiten
- Sicherstellung, dass die Tiere beim Transport mehr Platz haben
- Verbesserung der Transportbedingungen für gefährdete Tiere
- Regelungen zu extremen Temperaturen auszusetzen
- Erleichterung der Durchsetzung der EU-Vorschriften durch Digitalisierung
- Besserer Schutz für Transporte in Nicht-EU-Länder
Novelle noch dieses Jahr?
Aktuell wird auf Ebene EU in den zuständigen Ausschüssen weiter über die legislativen Anpassungen diskutiert, nachdem ein Vorschlag an die EU-Kommission ging. Der besagte Gesetzesvorschlag stützt sich auf eine Reihe wissenschaftlicher Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und auf eine umfassende Bewertung der Tierschutz-, Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialauswirkungen der wichtigsten in diesem Vorschlag enthaltenen Änderungen. Mehr als 3.000 eingereichte Änderungsanträge zeigen, wie kontrovers das Thema aufgenommen wurde. Nach Ende der Frist für Änderungen im April, steht das Thema erneut auf der Agenda der Ausschüsse. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Studie für Aufwind sorgt und auch den zahlreichen Skeptiker:innen eine Entscheidung zugunsten des Nutztierschutzes abringen wird. Mit Glück wird es dann nach der Sommerpause eine abschließende Abstimmung über den Verordnungsentwurf geben. In einem letzten Schritt würde dann das Plenum des EU-Parlaments im Spätherbst/Winter abschließend entscheiden soll. Dann könnte zum Jahresende 2025 eine neue EU-Tiertransportverordnung in Kraft treten.
PROVIEH hat gemeinsam mit anderen Tierschutz-Organisationen in einem Verbändeschreiben an Landwirtschaftsminister Rainer appelliert, Lebendtransporte in außereuropäische Drittländer zu verbieten.
Kathrin Kofent
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- Strengere Regeln bei Tiertransporten überfällig – EU-Ausschüsse diskutieren im Spannungsfeld von Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Arbeitsschutz | PROVIEH 12.12.2024
11.06.2025