Kein Platz für Tierwohl – Haltungskennzeichnung enttäuscht auch bei Rindern

Was sich bereits bei der Einführung der staatlichen Haltungskennzeichnung für Schweine zeigte, sieht PROVIEH nun leider auch in Bezug auf Rinder bestätigt: Die Chance zur Schaffung von mehr Verbrauchertransparenz und der Verbesserung von Haltungsbedingungen für fleischliefernde Rinder (Bullen, Ochsen, Färsen und „ausgemusterte“ Milchkühe) sowie klare Vorgaben für rinderhaltende Betriebe wird höchstwahrscheinlich vertan werden. 

Dies lässt sich aus dem seitens des Bundesministeriums am 10. Oktober 2024 vorgelegten ersten Entwurfs einer Haltungskennzeichnung für Rindfleisch ableiten. 

Die Tierhaltungskennzeichnung sei eben keine TierWOHLkennzeichnung, so Staatssekretärin Silvia Bender in der Diskussion anlässlich der Vorstellung eines ersten Eckpunktepapiers „Tierhaltungskennzeichnung Rindfleisch“ mit Vertreter:innen der betroffenen Branchen, der Verbraucherschutzzentrale sowie Tierschutzverbänden. 

Aus Sicht des Tierschutzes weiterhin bedauerlich – statt aus den Problemen im Schweinebereich zu lernen, bleibt es unkonkret: Die vorgestellten Haltungsformen „Stall“, „Stall+Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“ lassen ein Ungleichgewicht erkennen. Bei Haltungsform „Stall“ wird, ohne das Vorliegen konkreter Vorschriften (Rinder über sechs Monate sind bisher nicht in der Nutztierhaltungsverordnung berücksichtigt) ein tierschutzwidriger Status Quo angesetzt. Nicht einmal elementare Bedürfnisse sind somit gesichert. „Stall+Platz“ steigt mit zunächst erfreulich anmutenden Mindestbodenflächen ein. Aber in der Konkretisierung der Gestaltung des Haltungsumfeldes verwässert der Entwurf dadurch, dass grundlegend zu fordernde Ansprüche an die Haltungsumgebung wie eine weiche Liegefläche oder ausreichende Fressplätze von der Pflicht- zur Wahloption werden.  

Also ein bisschen Tierwohl, aber nicht richtig.  

Rinder kennen bei ihren natürlichen Bedürfnissen aber kein Entweder/Oder. Und wenn nicht einmal elementare Bedürfnisse erkennbar erfüllt werden, dann stellt sich die Frage nach dem Sinn der Haltungskennzeichnung. 

Ein Ungleichgewicht zwischen den Haltungsformen hinterlässt Fragezeichen und die gesamte bisherige sehr weit gefasste Ausgestaltung große Zweifel, wie eine Umsetzung innerhalb der Länder möglich sein wird und in welcher Form Kontrollen überhaupt durchführbar wären. Durch die Vielzahl an Möglichkeiten und nochmals bis zu drei Stallformen innerhalb der einzelnen Haltungsformen wird bei Verbraucher:innen mehr Verwirrung als Klarheit erzeugt werden. Eine reflektierte Kaufentscheidung könnte mit einer derartig ausgestalteten Haltungskennzeichnung nur schwerlich getroffen werden. Es bräuchte zunächst eine Haltungsverordnung für Mastrinder wie auch Milchkühe, um ein klares Fundament an Mindesttierwohl festzulegen. Auf dessen Basis sollte dann noch einmal neu überlegt werden und die Haltungsformen aufgebaut werden. 

Aber das Bundeministerium zäumt das Rind leider wohl lieber von hinten auf – zu Lasten der Tiere. 

PROVIEH ist enttäuscht und wird den weiteren Entstehungsprozess der Haltungskriterien für fleischliefernde Rinder kritisch begleiten sowie auf eine schnelle Aufnahme in die Nutztierhaltungsverordnung drängen. 

Kathrin Kofent 
 
 

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14.10.2024

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