Kampagnen-Update: Haltungskennzeichnung jetzt!

PROVIEH kämpft um erfolgreiche Haltungskennzeichnung und appelliert an Bundesrat und Bundestag 

Seit einem Jahr ringt PROVIEH bei den jeweiligen politischen Entscheidungsträger:innen um eine erfolgreiche und zukunftsweisende Haltungskennzeichnung. Wie PROVIEH hierfür im Rahmen seiner Kampagne “Haltungskennzeichnung jetzt!” vorgegangen ist, wie der aktuelle Gesetzentwurf zu bewerten ist und wie sich PROVIEH aktuell bei Bundesrat und Bundestag für entscheidende Änderungen am Gesetzentwurf einsetzt: Das alles erfahren Sie hier. 

Verpflichtende Haltungskennzeichnung: PROVIEH ist von Anfang an dran 

PROVIEH setzt sich schon lange für eine verpflichtende Kennzeichnung aller tierischen Produkte ein und machte zur Bundestagswahl 2021 gemeinsam mit Naturland Druck. Mit Erfolg: Mit der Verankerung des Vorhabens im Koalitionsvertrag ist im Herbst 2021 ein Meilenstein erreicht. 

Seit knapp einem Jahr kämpft PROVIEH im Rahmen der Kampagne für eine Haltungskennzeichnung im Sinne der Tiere und im Sinne der Gesellschaft: Transparenz, Verständlichkeit und der Geltungsbereich des Kennzeichens sind hier entscheidend. Für eine sinnvolle Ausgestaltung der Kennzeichnung legte Deutschlands erfahrenster Fachverband für Nutztierschutz im Frühjahr ein eigenes Modell für die Ausgestaltung des Kennzeichens vor und brachte dies beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein, die den Gesetzentwurf im ersten Halbjahr 2022 erarbeiteten. Der seit August vorliegende Gesetzentwurf geht nun in das parlamentarische Verfahren: Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag müssen dem Gesetzentwurf zustimmen. Eine weitere heiße Phase ist angebrochen. Nachdem PROVIEH schon offiziell Stellung zum Gesetzentwurf genommen hat, fordern wir seit einigen Wochen die Entscheidungsträger:innen im Bundesrat und Bundestag auf, sich für ganz konkrete Gesetzesänderungen einzusetzen. Wie das konkret ausseht, finden Sie weiter unten. Zunächst ein kurzer Überblick, wie der Gesetzentwurf aus Tierschutzsicht zu bewerten ist. 

Was taugt der Gesetzentwurf? 

In der jetzigen Ausgestaltung muss der Gesetzentwurf als mangelhaft und unambitioniert bewertet werden. Hier die wichtigsten Kritikpunkte:  

  1. Tierquälerische Haltung von Schweinen staatlich ausgelobt 

Als Stufe über dem gesetzlichen Mindeststandard soll im Kennzeichen die Haltungsform „Stall+Platz“ eingeführt werden: Diese ist nur eine marginale Veränderung des Status Quo, die Haltung ist im Wesentlichen dieselbe; Schweine leiden noch immer unter ihrer Haltung. Diese Alibi-Verbesserung stellt für PROVIEH eine Verbrauchertäuschung dar und zementiert tierquälerische Haltungsbedingungen durch die staatliche Auslobung gar weiter.  

  1. Artgemäße Haltung von Schweinen: Fehlanzeige! 

Wirklich verbesserte Haltungsformen von Schweinen werden im Kennzeichen nicht hinreichend abgebildet: So findet die Haltung von Schweinen auf Stroh genauso wenig wie die artgemäße Freilandhaltung von Schweinen Einzug in die staatliche Kennzeichnung. Für PROVIEH ist das inakzeptabel. 

  1. Lediglich Haltungsabschnitt Mast: Nicht Haltung des gesamten Tierlebens abgebildet  

Bislang bezieht die Haltungskennzeichnung für Schweinefleisch nur den Haltungsabschnitt während der Mast mit ein. Die Haltung zwischen Geburt und Masteintritt wird ausgeklammert. Und das wird im Produktkennzeichen nicht einmal klargestellt. Die gesetzliche Haltungskennzeichnung muss selbstverständlich die Haltung des gesamten Tierlebens abbilden, von der Geburt bis zur Schlachtung. Alles andere wäre Verbrauchertäuschung. 

  1. Kontrollen? Grundsätzlich nicht vorgesehen 

Kontrollen der Anforderungen sind dem aktuellen Gesetzentwurf nach nur im Bedarfsfall vorgesehen, wann dieser eintritt und wie die Kontrollen und etwaige Sanktionen aussehen, bleibt offen. Für das Vertrauen in die Kennzeichnung sind regelmäßige und unabhängige Kontrollen unerlässlich. 

Daran schließt sich an, dass PROVIEH die verpflichtende Haltungskennzeichnung in der bislang geplanten Form aus tierschutzfachlicher Sicht nicht empfehlen kann. Die konkreten Kritikpunkte sind komprimiert hier und in ausführlicher Form in Form von PROVIEHs offizieller Stellungnahme zum Gesetzentwurf zu finden.  

Folgende konkrete Gesetzesänderungen könnten das Ruder rumreißen 

Die größten Kritikpunkte von PROVIEH sind die Haltungsform „Stall+Platz“, das fehlende Kriterium Einstreu, der Bezug auf die Mastdauer, fehlende Kontrollen und die mangelnde Verankerung der Kennzeichnung in der übergeordneten Strategie, landwirtschaftliche Tierhaltung umzubauen und nicht im Status Quo bestehen zu lassen. Mit den folgenden Änderungen am Gesetz könnte das Vorhaben zum Erfolg werden und sowohl die Transparenz als auch die Haltungsformen von Schweinen verbessern (§ steht im Folgenden für PROVIEHs Änderungsforderungen am Gesetz). 

  1. Verbrauchertäuschung und tierquälerische Haltungsbedingungen im staatlichen Kennzeichen ausschließen – § Stall+Platz als höhere Stufe streichen! 
  1. Gesetzlicher Mindeststandard in der Schweinehaltung muss im Zeitverlauf steigen!  – § Ab 2030 ist Haltungsform Frischluftstall Mindeststandard und damit unterste Stufe, aktuelle untere Stufen laufen aus. 
  1. Schweine brauchen Stroh – höhere Haltungsformen müssen Einstreu vorschreiben! – § Bei den höheren Haltungsformen Frischluftstall und Auslauf/Freiland ist Einstreu im Liegebereich vorgeschrieben. 
  1. Einzig artgemäße Haltung von Schweinen: Echte Freilandhaltung – § Es wird eine zusätzliche eigene Stufe für die Freilandhaltung eingeführt 
  1. Regelmäßige Kontrollen sind das A & O für Verbrauchervertrauen und Monitoring – § Statt Kontrollen im Bedarfsfall werden die Anforderungen der unterschiedlichen Stufen regelmäßig und unabhängig kontrolliert.
  1. Verpflichtende Kennzeichnung aller Produkte: Verbindlichen Zeitplan vorlegen – § Im Gesetz ist verankert, dass der gesamte Lebenszyklus von Schweinen ab 2023 abgebildet wird und zudem ab 2023 die Kennzeichnung für alle Produkte  von Schweinen als verpflichtend gilt, indem zum Beispiel auch verarbeitete Produkte und Außer-Haus-Verpflegung der Kennzeichnungspflicht unterliegen. 

PROVIEH wendet sich persönlich an Mitglieder in Bundesrat und Bundestag 

In diesen Monaten entscheidet der Bundesrat und der Bundestag über den Gesetzentwurf der Haltungskennzeichnung. Damit liegt der entscheidende Zeitpunkt vor, weil einerseits noch Gesetzesänderungen im parlamentarischen Prozess erfolgen können und andererseits das Gesetz festgezurrt wird: Wird dem Gesetz von Bundesrat und Bundestag zugestimmt, steht die Haltungskennzeichnung fest. PROVIEH kann dann nur noch schwerlich Änderungen hervorbringen. 

Daher gibt der Verein jetzt nochmal alles und wendet sich persönlich an die Entscheidungsträgerinnen in Bundesrat und Bundestag und appelliert für die entscheidendsten Gesetzesänderungen einzutreten.  

Die Botschaft: Die große Chance, Transparenz für Verbraucher:innen zu verbessern und Anreize für eine Verbesserung der Tierhaltung zu erschließen, ist auf der Kippe und droht gar ins Gegenteilige umzuschlagen. Mit dem aktuellen Entwurf der staatlichen Haltungskennzeichnung würde Verbrauchertäuschung und eine Zementierung schlechter Haltungsbedingungen erreicht. 

Hier findet ihr das Positionspapier, das PROVIEH an die Entscheidungsträgerinnen schickt. 

PROVIEHs Forderungen erhalten Rückenwind: Bundesrat fordert grundlegende Überarbeitung des Gesetzes, stellt sich aber hinter das Vorhaben  

Ende November nahm der Bundesrat zur Haltungskennzeichnung Stellung. Zwar stimmt die Länderkammer dem Gesetzvorhaben zu, fordert aber grundlegende und strukturelle Änderungen. In der aktuellen Form würden unzureichende Anreize für den Umbau der Tierhaltung erschlossen und ein unklares und handwerklich schlecht gemachtes Kennzeichen eingeführt. Der Agrar- und Ernährungsausschuss gab dem Gesetzvorhaben zuvor eine gar noch verheerendere Bewertung und empfahl dem Bundesrat, das Gesetz in Gänze abzulehnen. 

PROVIEH kann sich dieser Stellungnahme und Forderungen weitestgehend anschließen und hofft, dass sich der Bundestag den Forderungen des Bundesrates annimmt und das Haltungskennzeichen im Sinne der Tiere und im Sinne der Gesellschaft abändert. 

Hintergrund: Beim Tierhaltungskennzeichengesetz handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, bei dem der Einfluss des Bundesrates begrenzt ist. Im Rahmen eines solchen Einspruchsgesetzes kann der Bundesrat den Gesetzentwurf durch eine Ablehnung nicht aufhalten: Denn der Einspruch kann durch den Bundestag überstimmt werden. Anders ist es im Falle eines Zustimmungsgesetzes, hier müssen sich Bundestag und Bundesrat einig sein. Stimmt der Bundesrat gegen ein Gesetz, ist ein Zustimmungsgesetz gescheitert.  

Bundestag entscheidet über Top oder Flopp: Wird Kennzeichnung zum Beitrag oder zum Hemmschuh im Umbau der Tierhaltung? 

Am 15. Dezember geht das Kennzeichnungsgesetz in die erste Lesung im Bundestag. Voraussichtlich wird zu diesem Zeitpunkt „nur“ debattiert und im Anschluss an den zuständigen Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur offiziellen Bewertung und Ausschussempfehlung in Bezug auf Gesetzesänderungen gegeben. Anfang 2023 heißt es dann top oder flopp. PROVIEH bleibt dran und kämpft auch in den nächsten Monaten mit aller Kraft um entscheidende Gesetzesänderungen. 

Auf unser Kampagnen-Webseite oder unseren Newsletter bleibt ihr auf dem Laufenden. 

Anne Hamester 

08.12.2022

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