Strengere Regeln bei Tiertransporten überfällig

EU-Ausschüsse diskutieren im Spannungsfeld von Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Arbeitsschutz

Brüssel, 12.12.2024 – Fast genau ein Jahr nach Vorlage eines ersten Entwurfes einer Neufassung der EU-Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport tauschten sich EU-Parlamentsmitglieder der Ausschüsse für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie für Verkehr und Tourismus in einer rund 100-minütigen Sitzung diesbezüglich kritisch aus.  

Hintergrund 

In einer Empfehlung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) an die Europäische Kommission, die sich unter anderem auf fünf wissenschaftliche Tierschutz-Gutachten stützt, wurden im Jahr 2022 strengere Regelungen bei Tiertransporten gefordert.  

Diese Position entspricht auch der Analyse des Europäischen Gerichtshofes „Lebendtiertransporte in der EU: Herausforderungen und Chancen“, die große Tierschutz-Defizite im Zusammenhang mit Tiertransporten feststellte.  

Gemeinsam war allen genannten Dokumenten, dass stets gefordert wird, unzureichende und nicht mehr zeitgemäße Regelungen dringend durch strengere sowie dem Stand der Technik angepasste zu ersetzen. Des Weiteren brauche es bei Transporten in sogenannte Hochrisikostaaten, wie auch bei den sehr häufig außer Acht gelassenen wochenlangen Seetransporten, endlich klare Regelungen. 

Durch die Anpassungen der inzwischen beinahe 20 Jahre alten Verordnung soll zudem dem Wunsch der Bevölkerung nach mehr Tierschutz Rechnung getragenen werden.  

Tier versus Mensch 

Grundsätzlich war man sich im aktuellen Austausch einig: Tierwohl beim Transport ist ein wichtiges Thema. Danach gingen die zahlreichen Stimmen allerdings weit auseinander und teilten sich in zwei Lager. 

Stimmen „pro Tier“:  

Einige Ausschussmitglieder argumentierten: Tierwohl würde in der EU fälschlicherweise am Wert der Tiere bemessen. Tieren als fühlenden Wesen müsse jedoch mehr Schutz zugebilligt werden und bei der Qualität des Transportes nicht zwischen weniger wertvollen Masttieren und wertvollen Zuchttieren oder Sportpferden unterschieden werden. Ein derzeit ganz klares Tierwohl-Defizit müsse durch mehr Platz, kürzere Transportzeiten, Temperaturlimits sowie zusätzliche tierartspezifische Ergänzungen ausgeglichen werden. Und hierbei reiche der vorgelegte Entwurf nicht aus. Zudem müsse sichergestellt sein, dass die EU-Standards auch über die Grenzen hinaus in Drittländern eingehalten würden.  

Stimmen „pro Mensch und Klima“: 

Andere Ausschussmitglieder argumentierten: Ein Problem seien nicht die unzureichenden Bestimmungen, sondern vielmehr die unterschiedliche Umsetzung und Auslegung in den EU-Staaten. Insbesondere fehlende Schlachthöfe beziehungsweise die Zentralisierung von Schlachtstätten würden ein großes, fortschreitendes Problem darstellen, welches nicht so einfach zu lösen wäre. So würden Transportzeiten zwangsläufig schnell überschritten. Hinzu kämen die regionalen Unterschiede. Verschärfungen beispielsweise im Bereich der Temperaturen würden nördliche Regionen mit im Winter mit durchgehend niedrigen Temperaturen unterhalb der neu angedachten Grenzwerte im Minusbereich sowie im Sommer in den südlichen Ländern oberhalb der Höchstwerte bis zu sechs Monate „lahmlegen“. Die Leidtragenden wären die Landwirt:innen. So würde die Wettbewerbsfähigkeit durch feste örtliche Gegebenheiten gefährdet und zahlreichen Viehzüchtern das Aus drohen. Bedenken wurden zudem in Bezug auf vermehrte Nachtfahrten geäußert, da zum einen im Dunkeln mehr Unfälle passierten und zum anderen Nachtfahrten den Fahrer:innen in erhöhtem Maße nicht zuzumuten seien. Ein Mehr an Platz würde zudem ein Mehr an Transporten und somit zu erhöhten Umweltbelastungen führen, und sei in Punkto Fahrsicherheit und mögliche Stürze der Tiere eher konträr zum Tierwohl. 

Insbesondere in Hinblick auf das MERCOSUR-Abkommen könnten weitere gesetzliche Verschärfungen zu einem ungleichen Wettbewerbsvorteil von Nicht-EU-Exporteur:innen führen. Hier wären abermals die tierhaltenden Betriebe der EU benachteiligt. All diese Bedenken seien nicht ausreichend in die Folgenabschätzung eingeflossen. 

Fazit 

Abschließend urteilte der stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses Daniel Buda, dass eine 20 Jahre alte Tierschutzgesetzgebung nicht mehr zeitgemäß sei. Der vorliegende Entwurf biete nun einen guten Rahmen für Verhandlungen, um Anpassungen durchführen zu können. Die EU müsse in Punkto Tierschutz ihren Ruf verbessern, Regelungen klarziehen, vereinfachen und durch Übergangszeiträume alle Beteiligten mitnehmen. Hierbei könnten regionale Unterschiede durchaus Berücksichtigung finden. Zweifelsohne könnten insbesondere Kleinlandwirte von klaren wie auch strengeren Regelungen profitieren. Insgesamt müsse eine nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung mit langfristig gestärkten Erzeuger:innen das Ziel sein. Dabei müssten Lebendtiertransporte reduziert und durch mehr Schlachtkörper- beziehungsweise Fleischtransporte ersetzt werden. 

Buda griff damit die Argumente der Analyse des Europäischen Gerichtshofes auf. In dieser wurden zudem die Förderung regionaler Schlachtstätten und mobiler Schlachtungen angeführt. Darin hervorgehoben wurde ein weiteres Hindernis: Tierleid oder ein Mehr an Tierschutz beim Transport würden bislang weder transparent sichtbar noch höher bepreist oder honoriert werden. Hier könnte eine EU-Tierhaltungskennzeichnung Abhilfe schaffen. Verbraucher:innen hätten dann die Wahl und könnten über ihre Nachfrage Einfluss nehmen. Für Tierhalter:innen und Transportunternehmen könnten finanzielle Vorteile dadurch zu einem Umdenken und Umschwenken Richtung Tierwohl führen. 

Es bleibt nun abzuwarten, wie es weitergeht und welche Form der Umsetzung die EU wählen wird. Die nächste EU-Ratssitzung ist für Ende Januar anberaumt.  

PROVIEH hofft sehr auf eine baldige Einigung, eine positive Umsetzung der Neufassung der EU-Tierschutztransportverordnung sowie damit verbundene Maßnahmenpakete. Zusätzlich zu härteren Regelungen über die Verordnung muss durch strenge Kontrollen und eine konsequente Sanktion von Verstößen für eine flächendeckende Umsetzung gesorgt werden. 

Bis dahin kann aber auch auf nationaler Ebene bereits eine Weichenstellung erfolgen. Bestehende Gesetzgebungen müssen konsequent durchgesetzt werden. Ein weiterer sehr wichtiger Baustein wäre zudem insbesondere ein Transportverbot in Hochrisikostaaten sowie die Umsetzung der Beschlüsse der Agrarministerkonferenz vom Herbst 2022 zur Erweiterung der mobilen Schlachtungen auf saisonal im Freiland gehaltenen Rindern und Schweinen.  

Kathrin Kofent 

Weiterführende Infos finden Sie unter anderem hier:

 https://www.provieh.de/2024/03/bessere-bedingungen-bei-tiertransporten-in-sicht/

https://www.provieh.de/2024/11/tiertransporte-vorprogrammierte-grausamkeit/

https://www.provieh.de/unsere-arbeit/kampagnen/stoppt-lebendtierexporte/

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