Bessere Bedingungen bei Tiertransporten in Sicht?

Nach jahrelangem Stillstand gab es 2023 auf europäischer Ebene sowie in Deutschland begrüßenswerte Schritte zu mehr Tierschutz bei Tiertransporten. Am 7. Dezember legte die EU-Kommission einen ersten Entwurf für eine geänderte EU- Transportverordnung vor. Sie soll für mehr Tierschutz auf allen Lebendtiertransporten innerhalb der EU, bei Ein- und Ausfuhren, sowie bei der Durchfahrt durch EU-Territorium sorgen, also laut Schätzungen für ca. 1,8 Milliarden Tiere pro Jahr.

Bei den Verbesserungen geht es unter anderem um Transportdauer, Platzbedarf, Versorgung der Tiere und Beschränkungen für Transporte in Drittländer. Über den Vorschlag muss allerdings noch mit EU-Parlament und -Rat verhandelt werden. Die neue Verordnung wird dann häppchenweise in Kraft treten, mit Übergangsfristen von 2 bis 5 Jahren nach Veröffentlichung.

Langstreckentransporte für Zuchttiere weiter erlaubt

Rinder gehen auf einen Transporter

PROVIEH begrüßt den überfälligen Kommissionsvorschlag, auch weil europäisch einheitliche Lösungen notwendig sind, damit nicht einfach Tiere über die Grenze verbracht und dann unter schlechteren Bedingungen – eventuell über weite Strecken bis in Hochrisikoländer – zur Schlachtung transportiert werden können.
Allerdings bleibt ein Schlupfloch in der neuen Transportverordnung, die Langstreckentransporte von zwei Mal 19 Stunden mit einer Pause zwischendrin weiter erlaubt. Das sieht PROVIEH sehr kritisch. Denn allein aus Deutschland werden jährlich immer noch ca. 100.000 als „Zuchtrinder“ deklarierte Tiere exportiert (siehe Infobox 1). Auch Schafe und Ziegen werden häufig auf Langstreckentransporten und in den Bestimmungsländern unsäglichen Bedingungen ausgesetzt, darunter lange Standzeiten an EU-Außengrenzen, tierschutzwidrige Entladepraktiken und Weitertransporte auf ungeeigneten Fahrzeugen.

Infobox 1: Zuchttierexporte als Etikettenschwindel

Seit vielen Jahren schicken Milchkuhhalter teils hochträchtige Kühe und „überzählige“, aus ökonomischer Sicht nicht masttaugliche, Kälber auf lange Reisen in Drittstaaten, in denen es keine Tierschutzregelungen gibt. Die Kühe werden dort meist betäubungslos bereits nach nur einer Laktationsperiode geschlachtet. Vor allem in Ländern mit hohen Futtermittel(import)kosten ist es rentabler, immer wieder hochtragende Rinder einzukaufen, statt eine eigene Nachzucht zu betreiben. Der Tierexport wird von PROVIEH als Etikettenschwindel bewertet: Die als Zuchttiere deklarierten Rinder werden nur abgemolken und dann geschlachtet.

Unzureichende Insellösungen für Tierexporte in Hochrisikoländer

Mit Erlassen in einigen Bundesländern, darunter zuletzt im Herbst 2023 in Niedersachsen, wurde immer wieder versucht, Lebendtierexporte in als Hochrisikoländer eingestufte Drittstaaten zu verhindern. Vor allem Länder in Nordafrika, dem Nahen- und Mittleren Osten und bis nach Zentralasien sind solche Hochrisikoländer. Denn dort, so die Begründung, sei keine tierschutzgerechte Entladung, Versorgung und Schlachtung gewährleistet. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) entzog 2023 – nach Mast- und Schlachttieren – die Veterinärbescheinigungen für Exporte lebender Zuchtrinder, -schafe und -ziegen. Das erschwert zwar die Ausfuhren und weist in die richtige Richtung; aber solche Insellösungen können umgangen werden und gehen nicht weit genug. (siehe Infobox 2)

Infobox 2: Langstreckentransporte grundsätzlich unterbinden!

Aus Sicht von PROVIEH fehlen erstens wichtige Exportländer auf der Liste, darunter die Türkei. Sie kann leicht als „Drehscheibe“ und damit gigantisches Schlupfloch für den Weitertransport der Tiere genutzt werden. Zweitens geht es aus Tierschutzsicht nicht nur um das Handling und die Betäubung vor der Schlachtung, die in den Erlassen als Begründungen stehen. Es müssen grundsätzlich lange Transporte unterbunden werden, auf denen die Tiere fast immer Hunger, Durst, Erschöpfung, Hitze oder Kälte erdulden müssen. Nicht wenige verletzen sich unterwegs oder verenden gar. Die Mär der Agrarindustrie, dass die ausländischen Käufer ein großes Interesse an einem schonenden Transport und der Unversehrtheit der angeblichen Zuchtrinder hätten, ist verschiedenen Recherchen zufolge widerlegt.

Endlich Echtzeitüberwachung!

PROVIEH kritisierte die EU-Transportverordnung aus 2005 immer wieder scharf und bewertet die nun vorgeschlagenen Änderungen teilweise positiv. Sie gehen allerdings nicht weit genug. Uneingeschränkt gut ist nur die von uns lange geforderte und nun geplante Echtzeitüberwachung der Geoposition und der Temperaturen in den Transportern mittels des computergesteuerten europäischen TRACE-Systems.

Stoppt Lebendtierexporte!

Auf vielen Routen können Tiertransporte trotz der geplanten technischen Überwachung nicht rechtskonform durchgeführt werden. Das beweisen zahlreiche Dokumentationen vor allem auf Abschnitten außerhalb der EU. Deshalb fordert PROVIEH weiterhin vehement mit seiner Kampagne „Stoppt Lebendtierexporte“ einen vollständigen Exportstopp von lebenden Tieren in Drittstaaten. Stattdessen sollte Zuchtmaterial (Samen und Eizellen) exportiert werden. Nur so kann die Transportverordnung eingehalten werden, laut der „niemand Tiere so transportieren darf, dass ihnen vermeidbares Leid zugefügt wird oder möglicherweise entsteht“, und „alle Tiere für den gesamten Transportzeitraum fit“ sein müssen.

Vergleich der Forderungen von PROVIEH mit dem Kommissionsvorschlag:

EU-Vorschlag vom 7.12.2023Forderungen von PROVIEH
Begrenzung der Transportzeit von Schlachttieren (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde) auf 9 Stunden inklusive Ladezeitauch bei Temperaturen von 25-30°C„Leichte Verletzungen“ sind erlaubtBegrenzung der Transportzeit aller Schlachttiere auf 4 Stundenartspezifische Temperaturvorschriftenkein Transport verletzter Tiere
Bei Wettervorhersagen ab 0°C Pflicht zur Abdeckung des Transporters zwecksKälteschutz; ab -5°C Begrenzung aller Transporte auf 9 Std. Ab 30°C Transport erst ab 21 Uhr und bis 10 Uhr morgens mit 20 % mehr PlatzVerbot von Tiertransporten bei extremen Wetterbedingungen, die jeweils tierartspezifisch zu definieren sind.
Transportdauer inkl. Be- und Entladung von 2 x 21 Std. für andere Tiere, davon reine Fahrzeit 19 Std. 1 Std. Pause nach 10 und 24 Std. Pause nach 19 Std. Fahrt, auch zum Fahrerschutz. Be- & Entladung mit je 1 Std. berechnetBegrenzung der Transportdauer für alle, auch Zuchttiere, auf 4 Stunden. Verbot des Transports tragender und nicht von der Muttermilch abgesetzter Tiere. Stopp aller Lebendtierexporte in Drittstaaten außerhalb Europas. Export von Fleisch und Zuchtmaterial statt lebender Tiere
Verkürzung der Transportzeit für nicht von der Milch abgesetzte Kälber, Lämmer, Zicklein, Ferkel und Fohlen auf 8 Std.; aber Ausnahme: Bei Fütterungs- und Tränkevorrichtungen im Transporter 2 x 9 Std. mit 1 Std. Pause erlaubt.   Maximale Transportstrecke für Kälber bis zur 5. Lebenswoche: 50 kmVerbot – wie in Deutschland bereits umgesetzt — von Kälbertransporten vor dem 28. Lebenstag sowie ausnahmslose Begrenzung der Transportzeit von Kälbern, Lämmern, Zicklein, Ferkeln und Fohlen auf 4 Std.
Keine Einbeziehung der Transportzeit auf Schiffen in die Gesamttransportzeit, auch nicht bei JungtierenEinbeziehung der Transportzeit auf See in die Berechnung der Gesamttransportdauer
Der Einsatz von Elektrotreibern auf dem Hintern ist bis zu 2x pro Tier erlaubt, wenn Rinder oder Schweine über 80 kg sich „ohne ersichtlichen Grund“ weigern weiterzugehen  Ausnahmsloses Verbot von Elektrotreibern, wie heute schon auf einigen deutschen Schlachtbetrieben erfolgreich praktiziert

Sabine Ohm

Dieser Artikel ist im PROVIEH-Magazin „respektiere leben.“ Ausgabe 01-2024 erschienen.

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