Tierleid eskaliert an türkischer Grenze

Tiertransporte: Vorprogrammierte Grausamkeit

Eine Kette widriger Umstände, unter anderem menschliches Versagen, gekoppelt mit tierseuchenrechtlichen Vorschriften, führte im bulgarisch-türkischen Grenzraum diesen Herbst zu zwei Vorkommnissen mit massivem Tierleid, bei dem jeweils 69 bzw. 47 Rinder als Folge eines geplanten Tiertransportes auf dramatische Weise betroffen waren. Im ersten Fall konnten die Tiere nach Überschreiten der EU-Außengrenze aufgrund seitens der deutschen Veterinärbehörde fehl gedeuteter Umsetzung von Tierseuchenbestimmungen zur   Blauzungenkrankheit weder vor noch zurück. Sie saßen unfassbare vier lange Wochen ohne nennenswerte Futter- und Wasserversorgung quasi im Niemandsland fest. Die 69 – aus Deutschland stammenden hochträchtigen Jungrinder – kalbten auf dem Transportfahrzeug zum Teil inmitten von Exkrementen und toten Artgenossinnen. Nach der langen Zeit qualvollen Leidens waren viele verendet und der Rest wurde schließlich nach der Transport-Odyssee auf türkischem Boden betäubungslos geschlachtet. (https://www.politico.eu/article/eu-turkey-bulgaria-border-animal-welfare-livestock-transport-cruelty-cattle/).  Der zweite Rindertransport saß zwei Wochen lang fest, nachdem auch er seitens der EU abgefertigt wurde, aber aufgrund der in der bulgarischen Heimatregion der Rinder herrschenden Pest der kleinen Wiederkäuer nicht weiter in die Türkei einreisen durfte. In diesem Fall litten erneut 47 Färsen in stickiger Enge an Hunger und Durst. Auch sie starben am Ende betäubungslos. 

Tierschutz auch „hinter der Stalltür“ essenziell 

Diese 116 erschreckenden Tierschicksale sind jedoch nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges. Jährlich sind Milliarden Tiere innerhalb wie außerhalb der EU zu Lande, zu Wasser und zum Teil in der Luft unterwegs. PROVIEH fordert seit langem, dass die Verantwortung für all diese Tiere niemals hinter der Stalltür enden darf. Bereits ein kurzer Transport bedeutet Stress und zumeist auch Leiden für jedes einzelne betroffene Tier. Überdies zeigen zahlreiche Schlachthofskandale, dass innerhalb der EU-Grenzen wie außerhalb großer Probleme bestehen. Hier muss noch viel passieren.   

Problem Drittlandexporte 

Mit der Dauer des Transportes potenziert sich das Leiden oftmals nochmals erheblich. Transporte über mehrere Tage und sogar Wochen wie auch niedrigere bzw. nicht vorhandene Tierschutzbestimmungen sowie am Ende betäubungslose Schlachtmethoden in Ländern außerhalb der EU, sind aus Sicht des Tierschutzes nicht zu tolerieren.  

Zahlreiche Beobachtungen, Auswertungen von Kontrollen bewegten bereits 2019 das EU-Parlament dazu, die EU-Kommission wie auch die Mitgliedsstaaten aufzufordern, Lebendtiertransporte in Drittländer zu reduzieren und durch Schlachtkörpertransporte im Fleischsektor sowie Sperma- und Embryonentransporte im Zuchtbereich zu ersetzen. Die Aufforderung fußt auf der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport inner- und außerhalb der EU. 2023 sprach die Analyse des Europäischen Gerichtshofs „Kontrollergebnis Lebendtiertransporte in der EU: Herausforderungen und Chancen“ wiederholt eine klare Sprache. 

Juristen und Bundestierschutzbeauftragte aktiv 

Anlässlich der beschriebenen dramatischen Vorkommnisse initiierte die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. einen offenen Brief „zur Rechtmäßigkeit eines Verbots von Tiertransporten in sog. Hochrisikostaaten durch Rechtsverordnung“, der am 6. November dem Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir übergeben wurde. Unterstützt und unterschrieben wurde er durch 150 Jurist:innen, unter Ihnen auch PROVIEHs Vorstandsmitglieder Dr. Ricarda Dill und Franziska Pabst, wie auch das Tierschutzbündnis Kräfte bündeln, welchem PROVIEH ebenfalls angehört. In diesem Brief wird klar argumentiert, dass Lebendtiertransporte in außereuropäische Drittstaaten ein Ende haben müssen und welche Rechtsgrundlage hier Anwendung finden muss.

Gleichfalls positionierte sich ebenso ausdrücklich die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari in ihrer „Stellungnahme zu den rechtlichen Möglichkeiten auf Bundesebene, Tiertransporte in Tierschutzhochrisikostaaten zu verhindern“ und empfahl darin unter anderem auch die Einführung eines nationalen Transportverbots in sogenannte Tierschutzhochrisikostaaten. 

PROVIEH fordert eine weitreichende Reform des Transportrechts, national wie auf EU-Ebene.  

Lebendtiertransporte in tierschutzrechtlich bedenkliche Risikogebiete müssen vollständig verboten werden.  

Um weitere Fälle speziell an der türkischen Grenze abzuwenden, muss ein Transport aus EU-Ländern dorthin mit sofortiger Wirkung gestoppt werden.  

Kathrin Kofent 

07.11.2024

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter anderem hier:  

https://www.provieh.de/2024/03/bessere-bedingungen-bei-tiertransporten-in-sicht/, wie auch auf unserer Kampagnenseite “Stoppt Lebendtierexporte!”.

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