Magere Ergebnisse für den Nutztierschutz – Schwarz-Rot enttäuscht bei tierschutzpolitischen Beschlüssen
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen tagten in den letzten zwei Wochen die Arbeitsgruppen aus Vertreter:innen von CDU/CSU und SPD mit dem Ziel gemeinsam tragbare Ziele für die zukünftige Regierungspolitik zu definieren.
Zu Themen rund um ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt erarbeitet die Arbeitsgruppe 11 (AG 11) zahlreiche Beschlüsse. Diese beinhalten auch die landwirtschaftliche Tierschutzpolitik – kurz, wie es Rind, Schwein, Huhn und Co zukünftig ergehen wird.
Insgesamt schlägt die AG 11 ein Maßnahmenpaket mit finanzwirksamen Mehrkosten von knapp 15 Milliarden Euro vor. Aktuell liegen – noch mehr oder weniger inoffiziell – Ergebnisse vor, die im Bereich der landwirtschaftlichen “Nutztiere” jedoch nur zaghaften Grund zur Freude geben.
Unter den zahlreichen Beschlüssen kristallisieren sich folgende für den Tierschutz relevante Punkte heraus:
1. Entwicklung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes und Förderung des Tierwohls:
Die Unionsparteien einigten sich überraschenderweise mit der SPD darauf, den Umbau der Tierhaltung – mit Blick auf das Tierwohl – zu fördern und damit auch den Ausbau der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung (THK): Von 2025 bis 2028 sollen pro Jahr 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Damit würde die unter der scheidenden Bunderegierung begonnene Umsetzung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes fortgeführt und immerhin für vier Jahre in Folge Gelder dafür bereitgestellt.
Bewertung: im Gegensatz zur freiwilligen Kennzeichnung des Handels (https://haltungsform.de/), welche 5-Stufig transparent Fleisch, Milch und verarbeitete tierische Lebensmittel kennzeichnet, hinkt die staatliche THK weit hinterher. Bislang wird lediglich unverarbeitetes Schweinefleisch gekennzeichnet und nur die Haltung des Mastschweines bewertet. Wie es der Zuchtsau und den Ferkeln erging, bleibt unberücksichtigt. Zudem gibt es zahlreiche Kritikpunkte bei den Bewertungskriterien und der Transparenz. Es hakt bei der Umsetzung auf den Betrieben. Hier ist noch viel zu tun, damit es „gut“ werden kann. Derzeit ist die THK zwar unzureichend, aber die Bereitstellung von Geldern ist ein Signal, dass dem Wunsch der Verbraucher:innen nach Transparenz und Wahlmöglichkeit wie auch dem der Landwirt:innen nach monetärer Wertschätzung von mehr Tierschutz Beachtung geschenkt wird. Nun gilt es, dass die Gelder sinnvoll verwendet werden.
Darüber hinaus wichtig sind folgende Beschlüsse:
2. Förderung der Weidetierhaltung:
Derzeit wird nur in einigen Bundesländern und vielfach nur für Milchkühe eine Prämie pro Tier gezahlt. Viel zu wenige Rinder bekommen Weidegang, obwohl sie als Wiederkäuer perfekte Grünfutterverwerter sind.
Bewertung: Die Förderung der Weidetierhaltung ist begrüßenswert, aber nicht neu. Sie wird schon lange diskutiert und ist Bestandteil der Öko-Regelungen, die gerade auf der Agrarministerkonferenz diskutiert werden. (Mehr dazu lesen Sie hier: Rollback statt Öko? Agrarminister streiten, Milchkühe leiden | PROVIEH)
3. Genehmigungsrechtliche Hürden beim Stallbau abbauen/ Bestandschutz für neu- und umgebaute Tierwohlställe:
Bewertung: Ohne eine gleichzeitige Anhebung der gesetzlichen Mindestanforderungen, besteht die Gefahr, dass dies zu einer Verschlechterung der Haltungsbedingungen führen könnte, wenn nicht gleichzeitig strenge Mindest-Tierschutzstandards festgelegt werden. Allerdings kann die daraus ebenfalls folgende Planungssicherheit sich auch positiv auswirken, weil Tierhalter:innen in neue, tiergerechtere Stallsysteme investieren.
4. Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme:
Bewertung: Die Einführung solcher Verfahren ist wichtig, um sicherzustellen, dass neue Stallkonzepte den Tierschutzanforderungen entsprechen und das Wohl der Tiere gewährleisten. Hier bleibt abzuwarten, wie hoch die Standards gesetzt werden und ob die Umsetzung bestmöglich tiergerecht erfolgt. Es dürfen keine Pseudoverfahren eingeführt werden, die auch schlechte Haltungssysteme durchwinken und diese somit durch ein Genehmigungsverfahren ungerechtfertigt legitimieren.
5. Harmonisierung des Tiergesundheitsrechts:
Bewertung: Eine praxistaugliche Regelung des Tiergesundheitsrechts kann dazu beitragen, die Gesundheit der “Nutztiere” zu verbessern und Seuchenrisiken zu minimieren. Dies kann allerdings nur zusammen mit einem konsequenten Umbau der Tierhaltung umfassend und im Sinne der Tiere greifen. Im Seuchenrecht muss das Wohl der Tiere in den Vordergrund vor wirtschaftlichen Interessen treten. “Schützen statt Töten” muss die Devise sein und sinnvolle Strategien an Stelle von Nottötungen eingeführt werden.
6. Prüfung der Videoüberwachung auf Schlachthöfen und Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Kontrolle und Kennzeichnung von toten Tieren bei verarbeitenden Betrieben:
Bewertung: Diese Kontrollmöglichkeiten sind ein seit langem geforderter Schritt, und eine Umsetzung ist dringend erforderlich. Durch sie können vielfältige Tierschutzvergehen aufgezeigt und geahndet werden.
Zusammenfassend kann man sagen:
Zwischen den Ergebnissen der Arbeitsgruppe und unseren Forderungen zu notwendigen Tierschutzmaßnahmen klafft eine sehr breite Lücke. Und es wird – im Vergleich zur bisherigen Ampelkoalition – von der zukünftigen Regierung eine geringere Zahl an Vorschlägen zu Verbesserungen im Tierschutz aufgegriffen. Das ist enttäuschend, zeichnete sich aber leider bereits vorher ab. Der Tierschutz wird deutlich technokratischer werden. Wichtige erhoffte Zeichen beispielsweise in Punkto Tiertransporte, Tierschutzgesetz und Ausbau der Haltungsverordnung wurden nicht gesetzt.
Verhalten positiv zu bewerten ist jedoch, dass zumindest beim Umbau der Tierhaltung mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, als dies unter der Vorgänger-Regierung der Fall gewesen wäre. Das ist kein Anlass zum Jubeln, aber es hätte schlimmer kommen können.
Nun heißt es abzuwarten, wie die eingeplanten finanziellen Mittel konkret eingesetzt und die Beschlüsse umgesetzt werden sollen. PROVIEH wird jeden einzelnen Schritt mit einem starken Bündnis aus Tierschutzverbänden und weiteren Expert:innen im Rücken genau beobachten und bewerten, welche Maßnahmen tatsächlich ergriffen werden, um die Bedingungen der Tiere bei der Haltung und Schlachtung ehrlich zu verbessern. Der Einfluss von Ernährungs- und Lebensmittelindustrie sowie weiteren Lobbyverbänden ist dabei nicht zu unterschätzen. Die neue Bundesregierung und das noch zu besetzende Agrarministeramt wird sich an tatsächlichen Tierschutz-Taten messen lassen müssen.
PROVIEH ist hoch wachsam und wird sich auf Bundes- wie auch weiterhin auf Länderebene für einen bestmöglichen Tierschutz einsetzen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es uns gelingen wird, maßgebliche Verbesserungen für die Haltung und Schlachtung von “Nutztieren” zu erreichen.
Kathrin Kofent
26.03.2025
Die gesamten Ergebnisse der AG 11 können Sie hier einsehen:
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