Neue Weichenstellung dringend nötig
Thema Schlachten sowie gemeinsame Verbände-Aktion zu Tierseuchen anlässlich Agrarministerkonferenz (AMK) im Focus
Während die Arbeitsgruppen der zukünftigen Bundesregierung weiter beraten, kommen die Landesminister vom 26. bis 28. März auf der Frühjahrs-AMK in Baden Baden zusammen. Die Tagesordnung umfasst an die 40 Themen. Der Tierschutz läuft eher „nebenher“, aber zumindest im Themenkomplex „Veterinärwesen“ werden Schlachtung, die Schaffung eines Registers zu verhängten Tierhaltungs- und Betreuungsverboten sowie das Tierseuchengeschehen thematisiert werden.
Schlachtung – Verantwortung bis zum Tod
Tiertransporte sind aus vielerlei Gründen problematisch und die Liste von schweren Tierschutzskandalen auf Schlachthöfen ist lang. Für das Wohl der Tiere wünscht sich PROVIEH einen Ausbau regionaler Schlachtstrukturen, um Transporte auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem unterstützen wir die Förderung von Möglichkeiten der Tötung in vertrauter Umgebung auf den Herkunftsbetrieben. Hessen setzt sich bereits seit einiger Zeit für die Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb ein und aktualisierte 2024 einen diesbezüglichen Leitfaden.
Bisher reglementieren Beschränkungen, Vorschriften sowie regional spezifische Auslegungen eine Hofschlachtung bzw. die Tötung auf der Weide (Kugelschussmethode). Die Kugelschussmethode – sachkundige Ausführung vorausgesetzt – wurde als besonders tierschonend im Vergleich zum Bolzenschuss bewertet. Diese Tötung auf der Weide–ist derzeit allerdings nach wie vor rinderhaltenen Betrieben vorbehalten, die ihre Tiere zudem ganzjährig im Freien halten müssen. Freilandschweine wie auch Sommerweiderinder sind somit ausgeklammert.
Umsetzung fehlt
Bereits im Herbst 2022 hatten die Agrarminister im Rahmen einer AMK Vereinfachungen gefordert sowie die Einbeziehung von saisonal im Freiland gehaltenen Rindern und auch von Freiland-Schweinen. Eine Umsetzung seitens der Bundesregierung blieb bislang aus. PROVIEH hofft, dass Hessen auf der Konferenz mit innovativen Vorschlägen die anderen Bundesländer mitnehmen wird und es nun endlich zu der überfälligen Umsetzung kommen kann (AMK, TOP 29: „Einsatz moderner Technologien bei der amtlichen Überwachung von Schlachtungen (v.a. im Herkunftsbetrieb)“)
Mehr zum Thema finden Sie hier:
- Schlachtung – Tierschutz darf niemals an der Stalltür enden
- Lichtblick für den Tierschutz: Landwirte erstreiten wegweisendes Gerichtsurteil zum Weideschuss
- Mobile Schlachtung bei Geflügel erspart lange Tiertransporte
Tierseuchenpolitik – leider mangelhaft
Bei dem Begriff „Tierseuchen“ verfallen viele Menschen in Angst und Schrecken, weil sie ein Überspringen und dadurch eine Ansteckung und schwere Krankheitsverläufe befürchten. Zwar sind Übertragungen auf den Menschen selten, aber langfristig betrachtet teilweise nicht auszuschließen. In erster Linie leiden die betroffenen Tiere unter den Folgen der „Seuchen“, aber auch vielfach unter der sogenannten Tierseuchenpolitik. Deren Umsetzung ist Sache der einzelnen Bundesländer. Um Ausbreitungen zu verhindern, werden, je nach Seuche, Maßnahmen ergriffen. Zum einen werden Sperrzonen eingerichtet und Haltungsauflagen erteilt. Sehr häufig sind auf unmittelbar betroffenen Betrieben und angrenzend auch sogenannte Massenkeulungen üblich. Dabei werden im betroffenen Betrieb, wie auch auf umgebenden Tierhaltungen nicht nur kranke, sondern auch potenziell gesunde Tiere vor Ort getötet und entsorgt. So sterben schnell tausende Tiere unter oft qualvollen Umständen einen vorsorglichen, aber nicht zweifelsfrei „sinnvollen“ Tod. Qualvoll, weil die Tiere dann auf andere Art als im Schlachthof und in großer Eile getötet und schnellstmöglich weggeschafft werden. Zudem spielen wirtschaftliche Interessen eine große Rolle, denn es kann zu umfangreichen Handelsbeschränkungen für Tiere sowie tierische Produkte aus den betroffenen Gebieten kommen.
PROVIEH spricht sich schon seit langem für ein Umdenken aus und wünscht sich den Fokus auf gesunde und langlebige Rassen, eine Haltung in kleinen Beständen und mit mehr Platz und artspezifischer Fütterung. So könnte eine massenhafte Ausbreitung unter den Tieren vielfach verhindert oder zumindest vermindert werden und zudem wären die Tiere insgesamt widerstandsfähiger und weniger krankheitsanfällig.
Appell zum Umdenken
Im Januar 2025 wurde in einer brandenburgischen Wasserbüffelherde Maul-und-Klauen-Seuche (MKS) festgestellt. Diese Rasse ist besonders empfänglich für MKS. Drei Tiere waren verendet und die restlichen elf wurden „vorsorglich“ getötet. Ebenso „vorsorglich“ erfolgte dann zudem die Tötung von rund 200 weiteren Rindern in der Umgebung. PROVIEH stellt hier die Frage, ob es nicht auch möglich gewesen wäre, die Tiere zunächst zu testen? Und hätte man erkrankte Tiere nicht auch isolieren und behandeln können? Wie steht es mit einer Möglichkeit des Impfens? Diese und viele andere kritische Fragen stellten sich auch die Mitglieder der Initiative „Schützen statt Töten“. Gemeinsam mit ihnen, dem Tierschutzverband Menschen für Tierrechte und weiteren Verbänden wandte sich PROVIEH anlässlich der AMK an den Vorsitzenden und baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk sowie alle anderen Agrarminister:nnen der Länder.
Unsere Forderungen in Kürze:
Eine Erarbeitung einer zeitgemäßen Strategie bei der Tierseuchen-Bekämpfung unter Einbeziehung folgender Punkte:
- Testen statt Töten! Statt Tiere „auf Verdacht“ zu töten, sollten sie zunächst getestet werden. Die Risikoabwägung, die bei Seuchenausbruch unter hohem Zeitdruck stattfindet, darf nicht pauschal auf Kosten unzähliger Tierleben ausfallen und zur „präventiven“ Tötung gesunder Tiere führen.
- Impfen statt Töten! Eine Impfung kann nicht nur die Schwere der Erkrankung lindern, sondern reduziert durch die geringere Ausscheidung in den frühen Phasen der Infektion auch die Ansteckungsgefahr für andere Tiere. Statt Impfungen nur kurzfristig zur strategischen Überbrückung einzusetzen und die geimpften Tiere dennoch später zu töten, sollten die Impfungen auch zum Wohl und Überleben der betroffenen bzw. gefährdeten Tiere genutzt werden.
- Heilen statt Töten! Die MKS selbst kann zwar nicht ursächlich behandelt werden, ihre Symptome und Sekundärinfektionen aber sehr wohl; den Tieren muss die Chance gegeben werden, die Krankheit zu überleben.
Dieser Appell wurde begleitet von einem umfangreichen Dossier, welches viele wertvolle Fakten und Entscheidungshilfen für eine Umgestaltung der Tierseuchenpolitik liefert. PROVIEH dankt der Autorin Hilal Sezgin für dieses wertvolle Papier:
Die Maul- und Klauenseuche: Fakten, Maßnahmen, Kritik
Eine Diskussionsgrundlage der Initiative „Schützen statt töten“
17.03.2025
PROVIEH hofft, dass diese Aktion den Länderminister:innen einen Anstoß gibt und dass auf der AMK neue Weichen für einen sinnvollen und vor allem tierfreundlicheren Umgang mit Tierseuchen gestellt werden.
Kathrin Kofent
24.03.2025
Überblick über einige der bedeutendsten Tierseuchen in Europa
(Der Verlauf hängt von der Art des Tieres und dem spezifischen Ausbruch ab.)
Afrikanische Schweinepest (ASP)
Betroffen: Haus- und Wildschweine.
Symptome: Atemprobleme, Durchfall, Erbrechen, Fieber, Hautrötungen und Blutungen.
Sterblichkeitsrate: Bis zu 100 Prozent bei infizierten Tieren.
Übertragung: Von Tier zu Tier, aber auch über Fleisch- und Wurstwaren und deren Abfälle; Menschen können sich nicht infizieren.
Schwere: Sehr hoch, da die Sterblichkeitsrate extrem hoch ist und die Seuche erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht.
Aviäre Influenza (Vogelgrippe)
Betroffen: Besonders Hühner, aber auch Enten, Gänse, Wildvögel und andere Vogelarten.
Symptome: Atemprobleme, Fieber, Abgeschlagenheit, verminderte Eiproduktion, neurologische Symptome (zum Beispiel Koordinationsstörungen).
Sterblichkeitsrate: Kann bis zu 100 Prozent bei anfälligen Vogelarten betragen, insbesondere bei hochpathogenen Stämmen.
Übertragung: Durch direkten Kontakt mit infizierten Vögeln, deren Kot, Körperflüssigkeiten und Sekreten sowie über kontaminierte Materialien; Menschen können sich in seltenen Fällen anstecken, meist bei engem Kontakt zu infizierten Tieren.
Schwere: Sehr hoch, da die Sterblichkeitsrate bei Vögeln extrem hoch sein kann und die Seuche erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Geflügelindustrie hat sowie potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit.
Blauzungenkrankheit
Betroffen: Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen.
Symptome: Fieber, Lahmheit, Schwellungen im Kopf- und Halsbereich, Zyanose der Zunge.
Sterblichkeitsrate: Variiert je nach Rinderrasse, kann bis zu 30 Prozent betragen.
Übertragung: Durch Fluginsekten (genauer durch Gnitzen); Menschen sind nicht betroffen.
Schwere: Mittel bis hoch, da die Krankheit wirtschaftliche Verluste verursachen kann, aber nicht alle Tiere sterben.
Epizootische hämorrhagische Krankheit
Betroffen: Wiederkäuer, insbesondere Rehe und andere Wildtiere; in Europa auch landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder und Schafe. In Deutschland erstmals 2018 dokumentiert.
Symptome: Fieber, Schwellungen, Blutungen in der Mundhöhle und an den Schleimhäuten, Atemnot.
Sterblichkeitsrate: Kann hoch sein, insbesondere bei jungen Tieren; die Sterblichkeitsrate variiert, kann jedoch bis zu 80 Prozent betragen.
Übertragung: Durch Gnitzen (Fluginsekten); Menschen sind nicht betroffen.
Schwere: Hoch, da die Krankheit zu erheblichen Verlusten in Wildtierpopulationen führen kann und auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Jagd- und Nutztierhaltung hat.
Klassische Schweinepest (KSP)
Betroffen: Haus- und Wildschweine.
Symptome: Atemprobleme, Durchfall, Fieber, Hautveränderungen (Blutergüsse).
Sterblichkeitsrate: Bis zu 100 Prozent bei infizierten Tieren.
Übertragung: Hochinfektiös und vielseitig übertragbar; Menschen sind nicht gefährdet.
Schwere: Sehr hoch, da die Sterblichkeitsrate extrem hoch ist und die Seuche große wirtschaftliche Auswirkungen hat.
Maul- und Klauenseuche (MKS)
Betroffen: Alle Klauentiere, also Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine sowie Zoo- und Wildtiere.
Symptome: Blasenbildung im Maul und an den Klauen, Fieber, Lahmheit.
Sterblichkeitsrate: Variiert; bei Rindern und Schweinen schwerwiegend, bei Schafen weniger schwer und bei Ziegen oft unauffällig verlaufend, wobei besonders Jungtiere versterben können.
Übertragung: Über direkten Kontakt, Körperflüssigkeiten und kontaminierte Materialien; Menschen können sich bei starkem Kontakt anstecken.
Schwere: Hoch, da die Krankheit sehr ansteckend ist und große wirtschaftliche Schäden verursachen kann.
Newcastle-Krankheit (atypische Vogelgrippe)
Betroffen: Besonders Hühner, aber auch Gänse, Enten, Tauben sowie Zier- und Wildvögel.
Symptome: Atemprobleme, Nervensystemsymptome (zum Beispiel Koordinationsstörungen), Speichelfluss.
Sterblichkeitsrate: Kann bis zu 100 Prozent bei anfälligen Vogelarten betragen.
Übertragung: Durch Kot, Körperflüssigkeiten, Körpersekrete und Luft sowie über Eier und Fleisch; Menschen stecken sich selten an.
Schwere: Hoch, da die Sterblichkeitsrate bei Vögeln sehr hoch sein kann und die Seuche erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Geflügelindustrie hat.