Mastrinderhaltung der Zukunft

Was ist nötig und was möglich?

Die derzeitige Mast von Rindern entbehrt in weiten Teilen jeglicher Tiergerechtheit. Die üblichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen führen zu erheblichem Leid. Unter den Begriff „Mastrinder“ fallen Tiere aus der Milchwirtschaft, die zur Nachzucht nicht geeignet sind oder nicht benötigt werden sowie gezielt für die Fleischerzeugung gezüchtete Rinder. Überwiegend werden Mastbullen, also männliche Tiere, gemästet.

Die Umsetzung der Haltungsformen 3 und 4 kann entsprechend der Gegebenheiten auf den einzelnen Betrieben sehr individuell gestaltet werden. Die Fotos zeigen drei Möglichkeiten:

Beispielbetrieb Premiumstufe Deutscher Tierschutz Bund (Bild siehe oben)
Eine Mastrinderhaltung von Bullen aus der Milchviehhaltung entsprechend der Premiumstufe des Deutschen Tierschutzbundes im Außenklimastall mit ganzjährigem Zugang zu einem Laufhof bietet mehr Platz, eine Trennung der Funktionsbereiche (Zweiflächenbucht) und ermöglicht durch Stroheinstreu ein artgerechtes Ruhen.

Wie werden Mastrinder gehalten?

Rinder auf der Weide? Fehlanzeige. Üblicherweise werden Mastrinder in der konventionellen Landwirtschaft in Gruppen auf engstem Raum und auf Vollspaltenböden im Stall, ohne eine gesonderte, oder gar weiche Liegefläche, gehalten. Diese Haltung widerspricht den arteigenen Bedürfnissen und Verhaltensweisen von Rindern. Natürlicherweise verlassen Bullen als Jungtiere die Herde und leben nach kurzer Zeit in Junggesellengruppen einzeln oder in Kleinstgruppen von maximal drei Tieren. Somit führt eine Haltung von sechs und mehr männlichen Tieren auf stark begrenztem Raum häufig zu Problemen. Bullen sind überdies von Natur aus sehr aktiv und messen gerne ihre Kräfte. In den üblichen Mastanlagen werden jedoch bereits die absoluten Grundbedürfnisse wie Fressen, Trinken und Ruhen stark beeinträchtigt. Artgemäße Verhaltensweisen wie beispielsweise das Grasen, Spielen oder Austragen von Rangkämpfen können bei der üblichen Stallhaltung gar nicht ausgelebt werden. In der Mastrinderhaltung stehen jedem Tier häufig nur 2,5 bis 3 Quadratmeter zur Verfügung – bei einem Mastendgewicht von 700 Kilogramm wird es für die temperamentvollen Bullen dann eng in der Bucht.

Die Folgen: Stress und Erkrankungen

Die Konkurrenz um die Ressourcen Platz, Nahrung und Wasser führt zu Stress und benachteiligt besonders rangniedere und schwächere Bullen. Die Tiere verletzen sich gegenseitig, sei es durch Rangkämpfe, gegenseitiges Aufreiten oder Trittschäden aufgrund des fehlenden Liegeplatzes. Zudem erkranken die Tiere an den Haltungs- und Fütterungsbedingungen. Atemwegsinfekte, Durchfall, Stoffwechselentgleisungen, Entzündungen von Gliedmaßen, Haut und Schwanzspitzen gehören zu den häufigsten Leiden. Die reizarme Umwelt in Kombination mit der Enge und der intensiven, nicht wiederkäuergerechten Fütterung potenzieren den Stress und führen zusätzlich zu Verhaltensstörungen.

Richtungswechsel notwendig

Halrungsformen 1 bis 4 Grafik
Abbildung 1

Tierschutz, Wissenschaft wie auch in Teilen Landwirtschaft sind sich einig, dass sich in der Mastrinderhaltung etwas verbessern muss. Sowohl europäische Institutionen als auch Bundesanstalten haben tiergerechte Haltungskonzepte konkretisiert und praktisch erproben lassen. Die Kernpunkte stehen fest und müssen schleunigst in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung überführt werden. Bislang fehlen für Mastrinder genau wie für Milchkühe diese spezifischen Haltungsvorschriften. Solche Mindeststandards sind aber dringend notwendig; der Status quo der Mastrinderhaltung wird von PROVIEH als tierschutzwidrig bewertet. Zeitgleich schafft der Handel durch den geplanten Ausstieg aus den Haltungsstufen 1 und 2 neue Absatzmärkte für Fleisch aus tiergerechteren Mastrinderhaltungen entsprechend Haltungsform 3 und 4 (siehe Abbildung 1). Die Zeichen stehen somit auf Veränderung Zugunsten der Tiere. Es sollen Platz, Außenklima sowie Laufhöfe in der Rindermast Einzug halten.

Finanzielle Unterstützung durch die Politik

Für eine flächendeckend praktische Umsetzung müssen umsetzbare und auch finanzierbare Lösungen für die 75.000 Betriebe her, welche Mastrinder halten. Viele Höfe sind noch an die Finanzierung bestehender Stallungen gebunden und können als Familienbetriebe grundsätzlich die hohen Investitionen nicht tätigen. Die Umbaukosten liegen schnell in Millionenhöhe und sind bei den niedrigen Rindfleischpreisen kaum zu schultern. Höheres Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif, Landwirtinnen und Landwirte müssen fair entlohnt werden.

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Praktische Lösungen – erste Maßnahmen

Dennoch kann in jedem Stall auch mit wenigen Mitteln etwas verbessert werden. Erste Abhilfe als Schritt zu mehr Tiergerechtheit sind in bestehenden Ställen niedrigere Besatzdichten und Gummiauflagen auf den Spalten. Außenwände können ohne großen Aufwand geöffnet werden, um so Licht und Luft in die dunklen, stickigen und reizarmen Ställe zu bekommen. Dadurch ist für die meisten Betriebe grundsätzlich der Offenfrontstall entsprechend Haltungsform 3 umsetzbar.

Fressen, Trinken und Komfort

Wo die Fressplatzbreiten nicht zu einem gleichzeitigen Fressen aller Tiere reichen, kann eine automatische Fütterung Abhilfe schaffen. Da regelmäßig Futter nachgeliefert wird, entfällt so der Kampf um Nahrung. Für die Futter- und Wasseraufnahme, Interaktion, Körperpflege sowie das Ruhen ist es außerdem wichtig, getrennte Funktionsbereiche zu schaffen. Für eine optimale Wasserversorgung sollten ausreichend viele und geeignete Tränken pro Bucht und Tiergruppe nachgerüstet werden. Daneben wird die Vorhaltung von separaten Krankenbuchten empfohlen sowie von Bereichen, wo Kuhbürsten zur Fellpflege sowie Beschäftigungsmaterial wie Äste oder Heutoys und Minerallecksteine bereitgestellt werden. Wie in jedem Haltungssystem spielt auch in der Rindermast das Management eine große Rolle. Hier sollte ein Austausch zwischen den Betrieben und gezielte Fortbildungen etabliert werden.

Beispielbetrieb in Rheinland-Pfalz

Tierwohl-Goldstandard: Auslauf, Gesundheit und Zweinutzungsrassen

Als „Tierwohl-Rindermast” sollten sich Komfortställe mit Auslauf oder Weide etablieren. Ställe mit Laufhöfen sind somit Offenfrontställen vorzuziehen, da den Tieren hier der frei wählbare Zugang zu Außenklima, Sonne, Wind und Regen geboten wird. Die wiederkäuergerechte Weidehaltung ermöglichen bislang vor allem Biobetriebe, bei denen der Freilauf durch die Vorgaben der Öko-Verordnung verpflichtend ist. Die Weidehaltung bietet eine artgerechte Ernährungsweise und bringt viele weitere gesundheitliche Vorteile.

Wünschenswert wäre, dass Weidehaltung zumindest für Jungrinder auch auf konventionellen Betrieben angeboten wird. Bei älteren Tieren werden viele Höfe aus Gründen der Hüte- und Arbeitssicherheit insbesondere bei Bullen an ihre Grenzen stoßen. Hier könnte perspektivisch über ruhigere Zweinutzungsrassen, intelligente Treibsysteme sowie den Einsatz von Hütehunden nachgedacht werden.

Betrieb mit Weidehaltung

Ausblick

Die Zeichen stehen auf Veränderung. Deshalb ist es an der Zeit, dafür die richtigen Weichen zu stellen. Denn eines ist ganz klar: Die Höfe benötigen Planungssicherheit und insbesondere finanzielle Unterstützung, um den erhöhten Tierwohl-Anforderungen gerecht werden zu können. Um Betriebsaufgaben und Abwanderungen ins Ausland vorzubeugen, müssen auch hier verbindliche staatliche Fördermaßnahmen ergriffen werden.

Kathrin Kofent

(Artikel erschienen im PROVIEH Magazin „respektiere leben.“ 01/2024)

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