Hühnertransporte – durch die Hölle auf den Teller

Ein Masthuhn braucht nur rund sechs Wochen, bis es „schlachtreif“ gemästet ist. Die Tiere aus dieser schnellwachsenden Hybridlinie erreichen ein Körpergewicht von 1,5 bis 2,7 Kilogramm und sind damit viermal so schwer wie ihre wilden Vorfahren. Mit sechs Wochen sieht ein Masthuhn zwar ausgewachsen aus, aber eigentlich ist es altersmäßig immer noch ein Küken. Nach der Haltung in zumeist tierunfreundlichen industriellen Ställen und der Intensivmast müssen die Hochleistungshühner den Transport zum Schlachthof über sich ergehen lassen. Dieser Transport ist eine Tortur für die empfindlichen Tiere.

Fangen und Verladen

Der Kontakt zu fremden Menschen bedeutet für jedes Tier Stress. Durchschnittlich sitzen in einem konventionellen Masthuhnstall bis zu 50.000 Tiere. Diese müssen am Tag des Abtransports alle zügig gefangen und verladen werden. Für jedes Tier werden nur wenige Sekunden verwendet, um es vom Stall in die Transportkisten zu befördern. Dies übernehmen zumeist Fangtrupps (auch Fängerkolonnen genannt) oder selten auch Fangmaschinen. Das Einfangen kann bei den Hühnern zu Knochenbrüchen und Ausrenkungen führen, wenn es nicht schonend vorgenommen wird. Da die Tiere in der Dunkelheit ruhiger sind, findet das Fangen zumeist nachts oder in abgedunkelten Ställen statt.

Transport zum Schlachthof

Transportiert werden die Hühner entweder in Transportkisten mit Öffnungen oder häufiger in Metallrahmen mit Schubladenelementen, die auf einen LKW gestapelt und verladen werden können.
Es ist gewichtsabhängig vorgeschrieben, wie viele Tiere pro Kiste transportiert werden dürfen.
Häufig sind die Kisten so beschaffen, dass die Tiere ihre Köpfe, Zehen und Füße hinausstrecken können, was zu gravierenden Unfällen führen kann.

Das Eingesperrtsein in Kisten empfinden die Hühner als sehr stressig, denn sie sind in einer ungewohnten Umgebung, stoßen ständig mit anderen Tieren zusammen, ohne ausweichen zu können und werden durch die Fahrt hin- und hergeschüttelt. Zudem fehlt während des Transports Futter und Wasser, was gerade bei extremeren Temperaturen für weiteres Leid sorgt.  Eine Versorgung der Tiere mit Wasser ist erst nach 12 Stunden vorgeschrieben – und das völlig unabhängig von den herrschenden Temperaturen. Dabei können die wegen des Transports in den über – und hintereinander gestapelten Kisten gar nicht alle erreicht und mit Wasser versorgt werden. Daher sollte der Transport zum Schlachthof so kurz wie möglich sein, doch häufig ist genau das Gegenteil der Fall: In Einzelfällen kann die gesamte Zeit vom Stall bis zum Schlachthof auch einmal deutlich länger als zwölf Stunden betragen. Bei Geflügel wird die Zeit des Be- und Entladens zumeist nicht in die maximale Transportdauer einberechnet, was die Zeit der Hühner in Transportkisten ohne Versorgung noch erhöht. Die aus Tierschutzsicht viel zu hohe maximale Höchstdauer von zwölf Stunden kann also durch das Einfangen und Beladen beziehungsweise Entladen im Schlachthof noch deutlich überschritten werden.

Hinzu kommt, dass den Tieren vor dem Transport bereits für acht bis zwölf Stunden Futter entzogen wird und eine Stunde vorher das Wasser. Die geschieht aus hygienischen Gründen, damit die Hühner sich nicht gegenseitig mit Kot verunreinigen und der Kropf bei der Schlachtung leer ist. Ab vier Stunden Transportzeit erhöht sich bereits die Wahrscheinlichkeit einer höheren Sterberate.

Schlachthof

Im Schlachthof kommt es ebenfalls oft zu Wartezeiten, bevor die Tiere der Schlachtung zugeführt werden können. Dies kann je nach Unterbringung ebenfalls tierschutzrelevante Folgen haben, denn die Tiere leiden gegebenenfalls weiterhin unter Hitze, Enge, Stress, Hunger und Durst.
Für Masthühner gibt es im Schlachthof verschiedene Kriterien, um zu sehen, wie es ihnen während des Transports ergangen ist. Unter anderem werden die Anzahl der Transporttoten, Verletzungen wie Brüche und Hautläsionen erfasst. In einer Studie über Masthühnertransporte wurde festgestellt, dass fast 75 Prozent der transporttoten Tiere aufgrund der Folgen des Fangens, Verladens und des Transports an Lungenversagen, Herzversagen und Traumata starb.
Auch die Jahreszeit und die Transportdauer beeinflusst die Rate an Transporttoten. Hühner sind sehr temperaturanfällig und sowohl zu niedrige als auch zu hohe Temperaturen vergrößern die Anzahl der Transporttoten und das Unwohlsein der Tiere. Dabei sind Masthühner eher hitzeempfindlich. 2020 sind trotzdem von über 637 Millionen Masthühnern 604.701 auf dem Transport gestorben. Weitere zehn Millionen wurden wegen Genussuntauglichkeit, beispielsweise aufgrund von Bauchwassersucht oder organoleptischen Abweichungen, nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen.

Der Gewinn pro Tier beträgt bei Masthühnern nur um die 26 Cent je Tier – aus diesem Grund lohnt sich die konventionelle Masthähnchenproduktion nur in diesen gewaltigen Dimensionen.

Legehennen

Eine Legehenne wird ungefähr 18 Monate lang gehalten, bevor auch sie geschlachtet wird. Legehennen werden aufgrund von Hygienemaßnahmen und der unterschiedlichen Körperform in anderen Schlachthöfen geschlachtet als Masthühner. Die Legehennen werden wie die Masthühner durch Fängerkolonnen gefangen und in Transportkisten verfrachtet, übereinander auf LKWs gestapelt und dann zum Schlachthof gefahren. Da es wesentlich weniger Legehennen-Schlachthöfe als Masthühner-Schlachthöfe in Deutschland gibt, werden gerade Legehennen oft länger als zwölf Stunden transportiert, plus Be- und Endladezeit. Deutschland exportiert Hühner auch in die Niederlande, nach Österreich und Polen.

“Ausgediente” Legehennen, die als Suppenhühner vermarktet werden, haben praktisch keinen Wert und daher besteht oft kein Anreiz mit ihnen vernünftig umzugehen. Deshalb ist die Mortalität von Legehennen durchschnittlich noch höher als die der im Vergleich “wertvollen” Masthühner. Im Jahr 2020 sind 98.504 von über 33 Millionen transportierten Legehennen auf dem Weg zum Schlachthof gestorben.

PROVIEH setzt sich für einen tiergerechten Transport ein, der mit so wenig Stress wie möglich einhergeht. Dazu gehört auch, dass die Tiere tierschonend gefangen und keineswegs an einer einzigen Gliedmaße oder kopfüber getragen werden.
Transporter müssen mit entsprechenden Kühlmechanismen ausgestattet sein, die ein angenehmes Klima für die Tiere ermöglichen. Zudem sollte die Besatzdichte pro Kiste der Außentemperatur angepasst werden. Bei zu hohen und niedrigen Temperaturen muss das Klima auf dem Fahrzeug entweder regulierbar sein oder von einem Transport abgesehen werden. PROVIEH fordert eine maximale Transportzeitbegrenzung auf vier Stunden. Weiterhin muss der Aufbau eines Netzes von regionalen Schlachthöfen zum Ziel der öffentlichen und politischen Forderung werden.

Mareike Petersen


Dieser Artikel ist im PROVIEH-Magazin “respektiere leben.” 02-2022 erschienen.

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