Finanzierungsfrage Umbau der Nutztierhaltung – Tierwohl-Cent jetzt!
Die Haltungsbedingungen von landwirtschaftlichen „Nutztieren“ müssen dringend und grundlegend umgebaut werden. Anbindehaltung bei Rindern, strukturlose Hallen bei Geflügel und mit Vollspaltenböden ausgestaltete Buchten bei Mastrindern und Schweinen sind tierschutzwidrige, nicht verhaltensgerechte Haltungsformen. Frische Luft, Tageslicht, Platz sowie Beschäftigung und artgemäße Ruhemöglichkeiten sind einerseits Mindestanforderungen, andererseits eine große Herausforderung mit Blick auf den widrigen Status quo. Der Anpassungsbedarf für eine den Tieren gerechte Haltungsform ist gigantisch und betrifft bis auf wenige Ausnahmen die allermeisten Höfe.
Politik ist gefragt: Tierschutz erfordert umfassendes Handeln
Die Notwendigkeit für den Umbau der Tierhaltung fällt nicht in den Bereich von Verbraucherwünschen hin zu mehr Tierwohl, sondern ergibt sich aus dem Staatsziel Tierschutz und den Anforderungen des Tierschutzgesetzes. Dies fordert eine verhaltensgerechte Unterbringung – von der die Nutztierhaltung leider überwiegend weit entfernt ist. Für eine tierschutzkonforme Nutztierhaltung sind von der Politik einerseits höhere gesetzliche Mindeststandards, andererseits Rahmenbedingungen für deren Umsetzung gefragt. Denn die Höfe müssen beim strukturellen Umbau von Nutztierhaltung unterstützt werden. Allein über den Markt wird es aufgrund der niedrigen Preise und dem kostenorientierten Wettbewerb nicht gehen – das macht die Wissenschaft seit Jahren deutlich. Es bedarf einer umfassenden politischen Förderung, die neben Beratung, Recht und Vollzug vor allem die finanzielle Unterstützung für den Haltungswechsel umfasst.
Langfristige Unterstützung für Höfe: Finanzierungsfrage bislang ungelöst
Diese Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern blieb die Politik bislang schuldig. Dies lag insbesondere in der offenen Finanzierungsfrage begründet. Aus welchen Mitteln soll die Tierwohl-Förderung stammen? Experten kalkulierten die erforderliche Summe auf etwa fünf Milliarden Euro – pro Jahr. Spätestens seit der Haushalts- und Inflationskrise kam die Finanzierungsfrage zum Erliegen und wurde durch das Veto vom FDP-geführten Finanzministerium zum Stillstand gebracht: kein Geld für Tierwohl, kein Geld für Bäuerinnen und Bauern. Vermutlich angestoßen durch die landesweiten Bauernproteste kam kurz vor der Grünen Woche im Januar endlich ein konkreter Vorschlag für die Finanzierung ins Spiel: der Tierwohl-Cent.
Gut für Höfe, Tiere und Gesellschaft: Tierwohl-Cent jetzt!
PROVIEH fordert seit langem eine Tierwohlabgabe. Eine solche Abgabe würde eine zusätzliche Steuereinnahme und damit die Grundlage für die Finanzierung sein. Mit einem solchen Finanzstrom können Höfen langfristige Verträge zugesichert werden, die ihnen sowohl Investitionskosten für den Um- oder Neubau ihrer Ställe als auch Mehrkosten durch weniger gehaltene Tiere, Mehrarbeit und Kosten für Stroh, Beschäftigung usw. kompensieren. Für Verbraucherinnen und Verbraucher würden sich tierische Produkte um 40 Cent pro Kilogramm Fleisch, 2 Cent pro Ei und Kilogramm Frischmilch sowie 15 Cent pro Kilogramm Käse und Butter verteuern. Pro Jahr wären das bei dem Durchschnittsverbrauch tierischer Produkte Mehrkosten in Höhe von 35 Euro. Ein solcher Tierwohl-Cent wäre also verhältnismäßig, entspräche der gesellschaftlichen Forderung und würde Höfen endlich den Umstieg auf bessere Haltungsformen ermöglichen. Mit dem Tierwohl-Cent könnten Rindern, Schweinen und Geflügel endlich kurzfristig verhaltensgerechte und tierschutzkonforme Haltungsbedingungen ermöglicht werden.
PROVIEH appelliert daher eindringlich an die Bundesregierung, den Tierwohl-Cent schnellstmöglich einzuführen und hiermit das Versprechen einzulösen, das Tierwohlniveau flächendeckend anzugeben. Das ist im Sinne der Gesellschaft, im Sinne der Höfe und im Sinne der 700 Millionen in Deutschland gehaltenen „Nutztiere“.
Anne Hamester
Dieser Artikel ist erschienen im PROVIEH-Magazin „respektiere leben. Das Magazin für Nutztierschutz“, Ausgabe 01-2024.