Milchkühe damals und heute – eine Zeitreise

Vor rund 100 Jahren waren Rinder Milch- und Fleischlieferant in einem, zogen Pflug und Wagen und die Kälber durften meistens an der Seite ihrer Mütter aufwachsen. Die Hauptnahrungsquelle waren im Winter das Wiesenheu und im Sommer die artenreiche Weide, wo die Kühe instinktiv das richtige Kraut auswählten und täglich viele Kilometer im langsamen Schritt zurücklegten. Somit konnten die Kühe wiederkäuergerecht von rohfaserreichem Futter ernährt werden und befanden sich in guter körperlicher Kondition. Natürlich war auch damals nicht alles optimal, was die Tierhaltung in der Landwirtschaft betrifft. So waren die Rinder zu Beginn der Industrialisierung beispielsweise „Experimenten“ wie den ersten Melkmaschinen ausgesetzt, die alles andere als tiergerecht waren. Auch die Futterversorgung, gerade an den Stadträndern, und die medizinische Versorgung waren oft nicht optimal. Dennoch waren die Rinder gesünder und robuster.

Um 1900 gab eine Kuh durchschnittlich 2.165 Kilogramm Milch. Bei dieser moderaten Milchleistung war sie fit und gesund und hatte eine Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren. Im Laufe der Jahre stieg die Milchleistung pro Tier durch die Hochleistungszucht immer mehr an, während der Gesamtbestand an Rindern in Deutschland niedriger wurde.

1950 lieferten 5,7 Millionen Milchkühe im Schnitt 2.488 Kilogramm Milch pro Tier. 2022 waren es 3,8 Millionen Tiere, die jeweils im Jahresdurchschnitt 8.499 Kilogramm Milch „produzierten“. Das ist eine Steigerung um fast 400 Prozent. Die Leistung, die eine Milchkuh heute erbringt, entspricht einem lebenslangen Marathonlauf, zehrt die Kuh stark aus und fordert absolute Höchstleistungen. Heu und Gras reichen hier bei Weitem nicht mehr aus. Große Mengen an Zusatzfuttermitteln sind nötig. Als „Tribut“ ist die Lebenserwartung einer Kuh in der industriellen Tierhaltung auf unter fünf Jahre gesunken, dann lässt die Leistung nach und die Tiere werden aussortiert. Zudem leiden die Kühe unter zahlreichen leistungsbedingten Erkrankungen. 

Kathrin Kofent

Vergleich von Milchkühen - Anfang 20 Jahrhundert und heute
Fotos © links: Landwirtschaftsmuseum Schleswig-Holstein; rechts: Clara/stock-adobe.com

Kuh Anfang des 20. Jahrhunderts

  1. Überwiegend Doppelnutzung Milch/Fleisch, Kälber können gut verkauft werden, Ochsen arbeiten vor dem Pflug, ziehen Wagen
  2. Lebenserwartung 20 Jahre
  3. Tragen Hörner
  4. Euter passend zum Körper dimensioniert: Gibt an 305 Tagen im Jahr durchschnittlich 7 bis 9 Liter, in der Hochlaktation bis zu 18 Liter Milch
  5. gute körperliche Kondition
  6. gesunde Klauen, gute Gesundheit
  7. Natürlicher Brunstzyklus und freies Decken durch den Bullen in der Herde
  8. Wiederkäuertypische Nahrung, viel Weidegang, Energiebedarf bei 10.000 Kalorien/Tag

Heutige Hochleistungskuh

  1. Überwiegend Einnutzungsrassen, wirtschaftlich fast wertlose, überschüssige Kälber
  2. Lebenserwartung unter fünf Jahren
  3. Enthornt (oder Zucht auf genetische Hornlosigkeit)
  4. Großes Euter/Milchleistung: Gibt an 305 Tagen im Jahr durchschnittlich 28 Liter, in der Hochlaktation bis zu 60 Liter Milch
  5. Hungergrube/mager
  6. Klauen häufig erkrankt, insgesamt labile Gesundheit
  7. Hormonelle Brunstsynchronisation, künstliche Besamung
  8. Automatisierte Fütterung, hoher Anteil Kraftfutter, Weidegang selten, Energiebedarf über 50.000 Kalorien/Tag

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