Die Entwicklung einer gesetzlichen Haltungsverordnung für Puten

Was passiert gerade?

Die Puten in Deutschland leiden seit Jahrzehnten unter widrigsten Haltungsbedingungen. Für sie gibt es keine klaren gesetzlichen Vorschriften. Amputationen und haltungsbedingte Schäden stehen noch immer auf der Tagesordnung. Im Rahmen der PROVIEH Kampagne “Puten jetzt schützen” setzen wir uns für diese Tiere ein. Das Ziel ist die Etablierung von tiergerechten gesetzlichen Mindeststandards für die Haltung von Puten, die sich an den Bedürfnissen der Tiere orientieren.

Grafik über Putenhaltung
Grafik: © PROVIEH / Johanna Rathsack

Ein erster Entwurf für einen eigenen Haltungsabschnitt in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV) kam Anfang des Jahres aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Bei der Erarbeitung bringt PROVIEH sich direkt mit ein. Bis die neuen Anforderungen in der TierSchNutzV verankert sind, ist es jedoch noch ein langer Kampf. Nach der Veröffentlichung unserer Stellungnahme an das BMEL erklären wir hier, was wir fordern und warum:

Auslauf:

Puten leben normalerweise in der Steppe, für sie ist es sehr wichtig, weite Flächen zum freien Laufen, Flattern und Erkunden zu haben. Anders als Hühner haben ausgewachsene Puten bei uns keine Beutegreifer aus der Luft zu fürchten. Wenn sie einen Auslauf haben, benutzen sie diesen auch ohne Strukturelemente vollständig in der Länge. Draußen können die Puten außerdem Staub- und Sonnenbaden und sich aus dem Weg gehen. Wir fordern daher eine Putenhaltung nur mit Auslauf.

Besatzdichte:

Apropos aus dem Weg gehen: Vor allem streitende männliche Puten haben das Bedürfnis nach einem größeren Individualabstand. Diesen brauchen sie, um aggressives Verhalten anderer Puten zu vermeiden. Wenn sie sich nicht zur Paarungszeit unter die Damen mischen, leben sie in kleinen Gruppen zusammen. Daher ist es höchst tierschutzwidrig, sie so eng und in so großen Gruppen zu halten, wie es derzeit noch erlaubt ist. Denn laut den „Bundeseinheitlichen Eckwerten zur Putenhaltung“, an die sich die Branche derzeit hält, dürfen fast drei Putenmännchen je Quadratmeter gehalten werden. Konkurrenzkämpfen kann hier nicht aus dem Weg gegangen werden und außerdem stören sich die Tiere auch beim Ruhen gegenseitig. Daher fordern wir die Herabsetzung der Besatzdichte auf maximal einen Putenhahn je Quadratmeter. Auch in der ökologischen Landwirtschaft werden Puten nach dieser Anforderung gehalten.

Einstreufeuchtigkeit:

Leben die Puten zusammen im Stall auf der immer gleichen Einstreu oder wird diese nicht schnell genug nachgestreut, weichen die Füße der Puten aufgrund der steigenden Feuchtigkeit auf. In die Haut können nun fremde Partikel eindringen und dort schmerzhafte Entzündungen auslösen. Sogenannte Fußballenentzündungen treten sehr häufig auf und sind eines der größten Probleme in der Putenhaltung, da sie Schmerzen und Leiden verursachen. Daher fordern wir eine maximale Feuchtigkeit der Einstreu von 30 Prozent, damit dies verhindert wird.

Puten im Putenstall
© Foto: st.kolesnikov/Stock-Adobe.com

Erhöhte Ebenen:

Wie auch Hühner benötigen Puten zum artgemäßen Ruhen erhöhte Ebenen, auf denen sie insbesondere nachts sitzen können. Diese sind in den Bundeseinheitlichen Eckwerten jedoch nicht vorgeschrieben, sondern lediglich empfohlen. Im Bio-Bereich werden solche Anforderungen bereits umgesetzt. Auch von einer tierschutzgerechten gesetzlichen Grundlage fordern wir die Vorgabe von erhöhten Ebenen. Da es bereits aus Niedersachsen Empfehlungen zur Haltung von Puten gibt, kann sich hier an den circa drei Quadratmetern Strohballenfläche je 400 Tiere orientiert werden.

Beschäftigungsmaterial:

Auch beim Beschäftigungsmaterial reicht es nicht, grobe Vorschriften zu formulieren. Wir fordern ein zusätzliches Beschäftigungsmaterial je 400 Tiere. Dabei kann es sich um Stroh-, Heuballen, Picksteine oder betriebseigene Futtermittel handeln. Wichtig ist nur, dass die Anzahl fest vorgeschrieben ist und das Beschäftigungsmaterial immer erneuert wird, wenn die Puten es verbraucht haben. So können sie sich beschäftigen und ihren arteigenen Futtersuchtrieb ausüben.

Puten im Stall
© Foto: st.kolesnikov/Stock-Adobe.com

Schnabelkürzen beenden:

Immer wenn es um die Putenhaltung geht, muss das Schnabelkürzen angesprochen werden, denn den meisten konventionell gehaltenen Puten wird nach wie vor der Schnabel amputiert. Kein Wunder, da in dieser Haltung nicht einmal die simplen Grundbedürfnisse der Puten erfüllt werden. Daraus entstehen Verhaltensstörungen und die Puten greifen sich gegenseitig an. Das Beschädigungspicken kann so schwerwiegend ausfallen, dass die betroffenen Tiere daran sterben. Durch die Amputation soll das Beschädigungspicken verhindert werden, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Im Gegensatz zu Legehennen ist dieses Thema bei den Puten jedoch wissenschaftlich noch nicht vollständig durchleuchtet. Ein Zusammenspiel aus Haltung, Fütterung und Zucht ist wahrscheinlich. Daher muss an allen Stellschrauben gedreht werden, um die Puten tiergerecht unterzubringen und aufs Schnabelkürzen zu verzichten. Bei der Amputation der Schnabelspitze handelt es sich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, der lediglich durch Ausnahmeregelungen zulässig ist. In der industriellen Putenhaltung werden diese jedoch seit Jahren flächendeckend erteilt, obwohl Beispiele aus der ökologischen Putenmast zeigen, dass bei artgemäßer Haltung ein Kürzen des Schnabels nicht notwendig ist. Verhaltensstörungen wie Beschädigungspicken sind demnach vor allem eine Folge der schlechten Haltung. Aus den oben aufgeführten Anforderungen lässt sich zumindest grundsätzlich eine unterstützenswerte Putenhaltung ableiten, die essenzielle Grundbedürfnisse der Puten beachtet. PROVIEH appelliert daher eindringlich an das BMEL, die Haltungsverordnung tierschutzgerecht umzusetzen!

Was noch fehlt:

Auch für den Transport vor dem Einstallen in den Maststall und für den Weg zum Schlachthof muss es noch strengere Regeln bei Geflügel geben. PROVIEH sieht hier eine maximale Dauer von vier Stunden vor, um die Tiere nicht zu sehr zu belasten. Außerdem muss die Betäubung bei Puten mit CO2 erfolgen. Das Einhängen in die Schlachthaken ist für die Tiere bei vollem Bewusstsein schmerzhaft und die Wasserbadbetäubung bietet zu viele Fehlerquellen, deren verheerende Folge ein Schlachten ohne Betäubung sein kann.

Außerdem müssen auch für die Elterntiere und die Aufzuchtphase tierschutzgerechte Regelungen erarbeitet werden, damit die Tiere gänzlich gesetzlich geschützt sind.

Was die Zukunft bringt?

Puten im Stall
© Foto: Cesar-Machado/Stock-Adobe.com

Die geplante Haltungsverordnung für Puten wäre ein wichtiger erster Schritt. Es gibt neben Schlachtung und Transport aber auch noch die Felder Antibiotika und Zucht, die wir angehen müssen. Bis die Putenhaltung in Deutschland tiergerecht wird, ist es noch ein langer Weg. Mit Ihrer Hilfe wird PROVIEH sich weiter für die Tiere stark machen. Wenn Sie eine gute Putenhaltung unterstützen wollen und noch nicht auf Fleisch verzichten möchten, kaufen Sie am besten Pute aus Bio-Haltung. Denn jeder bewusste Einkauf ist auch ein Stimmzettel für eine bessere Haltung.

Mareike Petersen

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