Weide trotz Wolf – (Wie) ist die Weidehaltung mit dem Wolf vereinbar?

Bei einer Weide handelt es sich um eine landwirtschaftliche Nutzfläche mit vorwiegend Süßgrasbewuchs, welches von Weidetieren gefressen werden kann. Dadurch wird die Nutzung regionaler Futterquellen sowie die Einsparung von Futterzukauf ermöglicht. Zudem bietet die Weide vielen anderen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum.  

Die Weidetierhaltung ist eine klassische, ursprüngliche Nutzungsform. Die Weide ähnelt dabei dem natürlichen Lebensraum der Weidetiere. Eine artgemäße Tierhaltung funktioniert nur mit einem Auslauf beziehungsweise einer Weide, da hier die naturnahe Futtersuche sowie arteigenes Liege-, Lauf- und Sozialverhalten ausgelebt werden können. Die Weide bietet zudem Platz für ausgiebige Bewegung der Tiere. 

Im Zusammenspiel mit der frischen Luft, Sonnenlicht und Witterungseinflüssen fördert die Weidehaltung das Immunsystem. Gleichzeitig geht die Weidehaltung mit einem hohen Arbeitsaufwand und einem ausgeklügelten Weidemanagement einher (Wasserangebot, Parasitenbekämpfung, tägliche Zaunkontrolle, Umzäunen wechselnder Flächen, Pflegemaßnahmen). Es handelt sich hierbei also um eine artgerechte, aber auch anspruchsvolle Haltungsform, die entsprechend honoriert und gefördert werden sollte. Nicht zu vergessen ist, dass der Weideauslauf eine Anforderung der Bio-Haltung ist. Ohne Weide gibt es also auch kein Bio mehr.  

Für Rinder bietet die Weide einen trittsicheren Untergrund, der schonend für Klauen und Gelenke ist und so Technopathien vorbeugt. Rinder sind Weichbodenlieger und mögen es einen gewissen Abstand zu anderen Rindern einhalten zu können. Auf der Weide können sie ihr Sozialverhalten durch eine höhere Individualdistanz und die typische Untergruppenbildung stressfreier ausleben als im Stall. Außerdem sind das Grasen und die Selektion von Futterpflanzen die arttypische Ernährungsform der Rinder, die obendrein noch ressourcenschonend ist. 

Mutterkuhherde, Foto: © PROVIEH e.V.

Am Beispiel der Rinder kann man jedoch sehen, dass die Weidehaltung rückläufig ist. So waren 2010 noch rund 37 Prozent der in Deutschland gehaltenen Rinder saisonal oder ganzjährig auf der Weide. 2019 waren es nur noch 31 Prozent. Dabei stellt sich auch heraus, dass je größer der Betrieb ist, umso geringer der Weideanteil ausfällt. Gründe für einen Rückgang der Weidehaltung sind fehlende politische und vermarktungstechnische Anreize, höhere Kosten bei gleichzeitig niedrigen Milch- und Fleischpreisen sowie die Hochleistungszucht von Milch- und Fleischrindern, die oft einer umfangreichen Zufütterung bedarf sowie steigende Bestandsgrößen in den Rinderbetrieben. 

Pferde auf der Weide, Foto: © PROVIEH e.V.

Für Pferde als Bewegungs- und Fluchttiere leistet tägliche freie Bewegung in der Herde einen sehr wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung und Befriedigung der arteigenen Bedürfnisse. Auf der Weide ist es ihnen zudem möglich sich artgemäß zu ernähren, denn als Dauerfuttersucher sind sie auf die regelmäßige Aufnahme kleiner Futtermengen angewiesen.  

Zwei Schafe, Foto: © PROVIEH e.V.

Das Schaf nimmt in Bezug auf den Wolf eine besondere Stellung ein, da Schafe und Ziegen am häufigsten gerissen werden. Schafe dienen der Deich- sowie Biotop- und Landschaftspflege. Sie können auch auf Grenzertragsflächen gehalten werden, wo sich eine Beweidung mit anderen Weidetieren nicht lohnt oder auf Flächen, die schwer mit herkömmlichen Landmaschinen bewirtschaftet werden können. Sie sorgen für einen guten Bodenschluss und vertreiben Schadnager, was besonders in Hinblick auf die Erhaltung und Pflege von Deichen für den Hochwasserschutz wichtig ist. 

Zudem bewahren sie die Weide als Kulturlandschaft und verhindern eine Verbuschung, sodass der Lebensraum Weide für andere Pflanzen- und Tierarten erhalten bleibt. Für Schafherden sind weitläufige Weiden ideal, da hier das Futtersuchverhalten und der Bewegungsbedarf gedeckt werden können. Für Schafe ist dies außerdem die wirtschaftlich sinnvollste Haltungsform, da sie sowohl artgerecht als auch günstig ist. 

Für PROVIEH ist daher klar: 

Die ohnehin rückläufige Weidehaltung muss bewahrt werden. Denn nur so ist eine artgemäße Haltung von Rind, Pferd, Schaf und Co. möglich. Mit der Rückkehr des Wolfs ist neben den bisherigen Anforderungen der Weidehaltung eine weitere Schwierigkeit hinzugekommen. 

Am 13.09.2022 hat PROVIEH die digitale Podiumsdiskussion Herdenschutz „Weide trotz Wolf – (Wie) ist die Weidetierhaltung mit dem Wolf vereinbar?“ veranstaltet. Am Panel haben Andreas Schenk (Bundesverband Berufsschäfer e.V.), Marie Neuwald (Referentin für Wölfe und Beweidung, Naturschutzbund Deutschland e.V.), Verena Harms (Referentin Wolf, Landesamt für Umwelt Brandenburg – Abteilung Naturschutz und Nationale Naturlandschaften) und Mareike Petersen von PROVIEH teilgenommen. 

Wir danken den Referent:innen für ihre Teilnahme sowie ihre Fachbeiträge! 

Unsere Forderungen bezüglich der Weidetierhaltung und dem Wolf finden Sie in unserem Positionspapier.

19.09.2022

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