Berliner Milchforum 2022  

Label ohne Ende – Reicht künftig der Platz auf der Milchverpackung? 

Berlin, 07.04.2022: Das Berliner Milchforum ist ein alljährlicher Branchenkongress des Milchsektors, auf dem Vetreter:innen aus der Praxis, Wirtschaft, Verbänden und Politik zwei Tage lang über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen diskutieren und miteinander ins Gespräch kommen. In diesem Jahr fand das Milchforum nach zwei Jahren das erste Mal wieder in Präsenz statt.  

Das übergeordnete Thema des ersten Tages war “Label und die geplante gesetzliche Haltungskennzeichnung für den Sektor Milch”. Vor diesem Hintergrund leitete eine mehrstündige Podiumsdiskussion das Forum mit folgender Fragestellung ein: „Label ohne Ende – reicht die Milchpackung künftig noch aus?“. Als Podiumsdiskutanten wurden je ein Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels, der Molkerei, der Milchbetriebe und der Forschung sowie Anne Hamester von PROVIEH als Vertreterin des Tierschutzes geladen. Moderiert vom Chefredakteur von top agrar und mit zahlreichen Beiträgen und Rückfragen aus der 300-köpfigen Gesellschaft wurden Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken diskutiert. 

Anne Hamester trug vor allem die Forderungen von PROVIEH für die gesetzliche Haltungskennzeichnung in die Diskussion. Es bestand im Forum Konsens, dass die Vielzahl an Label bei Verbraucher:innen zu Unklarheit führe und die voraussichtlichen Pläne für die gesetzliche Haltungskennzeichnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums als unzureichend anzusehen sind. PROVIEH stellte die wichtigsten Voraussetzungen aus Sicht des Tierschutzes heraus: Erstens dürften Label nicht mit gesetzlichen Mindeststandards vertauscht werden: ein eigener Liegeplatz, die Möglichkeit zur Bewegung oder geeignete Futter- und Tränkevorrichtungen gehören nicht in ein Label. Im Gegenteil müssten Label und auch die Stufen in der gesetzlichen Haltungskennzeichnung deutlich über den gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehen und zu einem klaren Mehrwert für die Tiere führen. Nur so würden Verbraucher:innen von „Tierwohl“-Labels überzeugt. 

Besonders wies Frau Hamester auf ein Ende der Anbindehaltung hin und machte klar, dass auch die Kombinationshaltung aus Sicht des Tierschutzes inakzeptabel ist. In Label oder höheren Stufen einer Haltungskennzeichnung muss diese Haltungsform ausgeschlossen sein. Dieser Vorstoß sorgte im Forum für rege Diskussion. Den weit mehr als 10.000 Betrieben mit Anbindehaltung könne man nicht einfach das Licht ausknipsen, wurde es aus dem Publikum kurzzeitig gar laut.  

Besonders kontrovers wurde die Problematik der Hochleistungszucht und die hiermit zusammenhängenden „überschüssigen“ Kälber diskutiert. Eingangs wurde von PROVIEH herausgearbeitet, dass diese Probleme weder in der vom BMEL geplanten Haltungskennzeichnung noch von bestehenden Label- oder Bio-Kriterien aufgegriffen wurden. Die Branche konstatierte, dass dieses Problem schon ehrgeizig von „innen heraus“ angegangen wurde und dieses Engagement unzureichend abgebildet würde. Das Problem würde größer gemacht als es “in echt” eigentlich sei. 

Demut kehrte immer wieder in die Diskussion ein, als die Auswirkungen rund um den Angriffskrieg durch Russland in der Ukraine in die Diskussion einflossen. Es bestand Einigkeit darüber, dass auch angesichts des Krieges und seiner Auswirkungen Umwelt-, Klima- und Tierschutz Bestand hätten und haben müssen. Zugleich wurde jedoch die Frage gestellt, ob ein Umbau des Sektors hin zu mehr Tierwohl aktuell Priorität genießen sollte. Hier begriffen sich die Vertreter:innen der Milchbranche in erster Linie als Lebensmittelproduzenten und nicht als Bereitsteller von „Gesellschaftsleistungen“. 

Nach der Podiumsdiskussion wurden noch über viele Stunden kritische, aber faire Diskussionen rund um die Problemfelder durchgeführt. Anne Hamester kam selbst mit vielen Denkanstößen, wertvollen Ansatzpunkten und Kontakten zurück an den Arbeitsplatz und bekam zugleich zahlreiches Feedback: Es sei überaus wichtig, auch die Stimme des Tierschutzes mit an den Tisch zu holen.

Das sieht PROVIEH selbstverständlich genauso.

Podiumsdiskussion mit PROVIEH-Fachreferentin Anne Hamester
Fotos: © Jens Ferchland

Ansprechperson
Anne Hamester
Fachreferentin für Nutztiere
Telefon: 0157. 519 573 41
E-Mail: hamester@provieh.de

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