Moderne und artgerechte Pferdehaltung
Ein Erfahrungsbericht von PROVIEH-Mitglied Dagmar Flaig
„SOVIEL Platz für SO WENIG Pferde?“ und: „Mein Nachbar hat sein Pferd in der Box.“ Das sind Sätze, die uns in den letzten Wochen und Monaten häufig begegnen. Gemeint sind unsere derzeit vier Pferde der amerikanischen Rasse „Curly Horse“, die seit September ihr Leben genießen. Erschreckend dabei ist, wie viele Menschen nichts über die Grundbedürfnisse eines Pferdes wissen und wie weit verbreitet der Irrglaube ist, ein Pferd in der Box zu halten sei völlig normal und in Ordnung. Es ist also weiterhin wichtig, Aufklärungsarbeit zu betreiben und die breite Öffentlichkeit über artgerechte Equidenhaltung zu informieren. Schade finde ich auch, dass im Bereich der Kinder- und Jugendmedien dieses Thema so wenig Raum findet. Gerade in den unzähligen Barbie- und Bibi & Tina-Geschichten ließe sich das Thema „Pferdeglück“ im Hinblick auf die Bedürfnisse der süßen Ponys gut verpacken. Das wäre die perfekte Basisarbeit. Stattdessen werden in den Filmen Zuckerstückchen! verfüttert und die Pferde werden nach dem Absatteln in die kuschelige mit Stroh gefüllte Box gestellt, wo sie dann gut gelaunt und dankbar wiehern…
Offenstallhaltung auf dem Vormarsch
Zum Glück hat sich in den letzten Jahren dennoch sehr viel getan im Hinblick auf artgerechte Pferdehaltung. Offenställe und Aktivställe verbreiten sich zusehends, da mehr und mehr Pferdebesitzern bewusst wird, was ihre Fellnasen brauchen, um gesund und ausgeglichen zu sein. Selbst große Stallbetreiber haben heute einen Offenstallbereich oder zumindest Laufställe, in denen die Pferde nachts zusammen stehen können. Viele Boxen werden mit einem kleinen Freilauf erweitert und dann als sogenannte Paddockboxen vermietet.
Seit 12 Jahren halten wir unsere Pferde im Offenstall und sind ständig auf der Suche nach Verbesserungen. Die Hauptprobleme bei der Pferdehaltung sind: Bewegung und Fütterung. Ein Pferd in freier Wildbahn legt pro Tag circa 20-30 Kilometer bei der Futtersuche in karger Steppe zurück. 16-18 Stunden täglich verbringen Wildpferde mit dem Grasen. Durch den recht kleinen Magen ist ihr System auf die ständige Aufnahme kleiner Mengen Raufutter ausgelegt und als Lauftier ist die Bewegung für die Gesunderhaltung wichtig. Dass ein Pferd als Herdentier mit ausgeprägtem Sozialverhalten Artgenossen braucht, um auch psychisch gesund zu bleiben, erklärt sich von selbst. Allein aus diesem Grunde sollte jedem sofort einleuchten, dass ein Pferd allein in der Box ein absolutes No-Go ist.
Doch selbst in den pferdefreundlicheren Offenställen bleibt häufig das Problem, dass die Pferde zu wenig Bewegung bekommen. Die Hufe haben zu wenig Anreize, da die Böden nicht genügend Abwechslung bieten und viele Pferde sind – das gilt vor allem für die leichtfuttrigen Robustrassen wie beispielsweise Haflinger, Norweger und Shetlandponys – zu dick. Auch der individuelle Futterbedarf der einzelnen Tiere stellt je nach Zusammensetzung der Herde ein Problem dar. Während die ranghohen Tiere oft zu viel fressen, kommen die Rangniederen bei nur einer Futterstelle häufig zu kurz. Jedes einzelne Tier in der Herde – auch das Rangniedrigste – soll in Ruhe, ohne Stress ausreichend fressen können. Wie schafft man es nun, den Pferden möglichst rund um die Uhr Futter zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig für ausreichend Bewegung zu sorgen?
Der Paddock Trail – die modernste und artgerechteste Form der Pferdehaltung
Der Paddock Trail ist ein Wegesystem für Pferde, das es auch auf Anlagen mit wenig Platz erlaubt, dem Lauf- und Weidetier Pferd die nötige Bewegung in der Herde und zudem viel Abwechslung zu verschaffen. Die Idee stammt von Jamie Jackson, einem Hufschmied aus Amerika, der über viele Jahre die Wildpferde in Nordamerika beobachtet hat. Er fand unter anderem heraus, dass die Mustangs als Gewohnheitstiere in der Prärie immer die gleichen Wege benutzen. Das gibt ihnen Sicherheit. Aus seinen Beobachtungen hat Jamie Jackson das System des „Paddock Paradise“ entwickelt, das als Paddock Trail auch bei uns in Europa immer mehr Pferdefreunde begeistert. Futter- und Wasserstelle sind bei dieser Haltungsform möglichst weit voneinander entfernt, sodass die Pferde große Strecken zurücklegen müssen. Mehrere Futterstellen sorgen für ständigen Bewegungsanreiz. Außerdem bietet sich dadurch auch den rangniederen Tieren die Möglichkeit, durch Ausweichen auf einen anderen Futterplatz, in Ruhe genug zu fressen. Es gibt überdachte Ruhe-, Schlaf- und Wälzplätze. Verschiedene Bodenbeläge lassen die Wege zu einer Art „Barhufpark“ werden, was zusätzlich die Hufgesundheit fördert. Das Schöne an dieser Form der Haltung ist, dass ein solcher Trail in jeder Größenordnung realisiert werden kann. Es braucht nicht unbedingt viel Fläche und auch nicht viel Geld. Der Kreativität bei der Planung und Umsetzung sind keine Grenzen gesetzt. Unser Trail ist insgesamt circa 700 Meter lang und war am Ende günstiger, als ein zuvor geplanter einfacher Sandauslauf. Die Wege schlängeln sich außen um die Weiden herum. Die Weidefläche ist in Portionsweiden aufgeteilt, die je nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden können. Wie und wie lange man die Wegstrecke gestaltet, welche Bodenbefestigungen man wählt, ob mit oder ohne Wasserfurt kann jeder nach seinen Möglichkeiten individuell planen. Wir beobachten täglich mit Freude wie viel unsere kleine Herde auf den Wegen unterwegs ist, wie ausgeglichen und zufrieden sie sind und wie gut sich die Hufe entwickeln. Es gibt schon einige kleine und auch große Anlagen bei uns in Deutschland und auch in der Schweiz. Wer mehr über die Planung und die Umsetzung erfahren möchte, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Auf unserer Internetseite www.curlyhorses.de gibt es eine Bildpräsentation über die Entstehung unseres Trails.
Dagmar Flaig
Infobox Dagmar Flaig:
1968 in Mainz geboren, habe ich schon im Alter von sechs Jahren die Liebe zu den Pferden entdeckt. Seit über 20 Jahren lebe ich mit und für meine „sanften Riesen“. Von Beginn an waren für mich Pferde in der Box „Gefängnispferde“ und es kam für mich schon immer nur eine artgerechte Haltung in der Herde und im Offenstall in Frage. Im Laufe der Jahre haben meine Familie und ich die Pferdehaltung immer weiter optimiert. Im August 2015 haben wir das Konzept des Paddock Trail realisiert, von dem wir und unsere Pferde restlos begeistert sind.
Ich bin der Meinung, dass alle Tiere das Recht auf ein artgerechtes Leben haben. Um die Ungerechtigkeiten, die an den Tieren verübt werden, zu bekämpfen, braucht es eine Gemeinschaft. Aus diesem Grund unterstütze ich die Arbeit einer Tierschutzorganisation.
Als freie Journalistin liegt mir sehr an kompetenter und seriöser Arbeit. Deshalb habe ich mich für PROVIEH entschieden, wo ich seit über zwei Jahren Mitglied bin. Ich freue mich, das Konzept des Paddock Trail hier vorstellen zu können und hoffe, dass ich damit viele Pferdefreunde inspirieren kann. Es lohnt sich!
Interessante Bücher zum Thema:
- Offenstall-Variationen, Außergewöhnliches aus aller Welt von Dr. Tanja Romanazzi, Radionik Verlag
- Paddock Trail, Anleitung zu naturnaher und gesunder Pferdehaltung von Jörg Weber u.a., Verlags KG Wolf