Nutztierstrategie überfällig
Tierschutzorganisationen erwarten zeitnahe, sichtbare Fortschritte im Tierschutz
Dienstag, 9. Juli 2019: Heute tagt das von der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner einberufene „Kompetenznetzwerk Nutztierstrategie“ unter Leitung des Bundesministers a.D., Jochen Borchert. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, der Bund gegen Missbrauch der Tiere, der Bundesverband Tierschutz, der Deutsche Tierschutzbund e.V, PROVIEH e.V und die VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz betonen anlässlich der Sitzung, dass eine Legislaturperioden übergreifende Strategie längst überfällig sei. Zugleich betonen die Tierschutzorganisation, dass es sofortige konkrete, ordnungsrechtliche Schritte in der Tierschutzgesetzgebung brauche, die nicht auf eine „zeitraubende Diskussion“ in Arbeitskreise verschoben werden dürfe. Das gelte auch für eine Nutztierstrategie, da auch dafür bereits alle Handlungsleitfäden auf dem Tisch lägen. Bisher war der Deutsche Tierschutzbund als einzige Organisation zur Teilnahme am Kompetenznetzwerk eingeladen, eine Beteiligung hat dieser unter den Rahmenbedingungen abgelehnt.
Die sechs Tierschutzorganisationen fordern die Bundesministerin Julia Klöckner auf, endlich konkrete, sichtbare Fortschritte im Tierschutz umzusetzen, statt neue, unnötig zeitraubende Diskussionskreise einzuberufen. Mit der unter der Leitung der Bundesministerin a.D., Ilse Aigner, in einem breiten gesellschaftlichen Dialog erarbeiteten „Charta“, dem Abschlussbericht des Kompetenzkreises „Eine Frage der Haltung“ aus der Amtszeit des Bundesministers a.D., Dr. Christian Schmidt und im Besonderen mit dem Gutachten des Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz lägen ausreichend ausgearbeitete Grundlagen vor, um zu handeln: Es gilt, jetzt eine Gesamtstrategie zu entwickeln, durch die mit einem aufeinander abgestimmten Maßnahmenbündel die bestehenden Defizite im Bereich des Tierschutzes behoben werden.
Die Tierschutzorganisationen raten Bundesministerin Klöckner, eine entscheidungsbefugte Steuerungsgruppe mit Anbindung an das Ministerbüro einzurichten, die entsprechende Leitlinien vorgibt, die Aufgabenstellung für die Arbeitsgruppen setzt und deren Umsetzung kontrolliert. Zudem betonen die Organisationen, dass in der Tierschutzgesetzgebung bereits konkreter Handlungsbedarf identifiziert sei, dessen Umsetzung keinen Aufschub dulde. So gibt es für Puten und Rinder bisher keine national verbindliche Haltungsverordnung. Mit Blick auf das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz sei eine Umsetzung des Amputationsverbotes von Tieren unumgänglich, ebenso wie ein Verbot der Haltung und der Importe von Qualzuchten. Bei der Genehmigung von Stallneubauten sind auch Haltungssysteme, die bereits auf dem Markt sind, auf die Umsetzbarkeit von mehr Tierschutz dringend zu überprüfen, bevor weitere Tierhaltungen in Betrieb gehen, die mit systemimmanenten Tierschutzproblemen behaftet und mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind. Die Bundesministerin sei zudem gut beraten, wenn sie jetzt sofort für bereits als tierschutzwidrig erwiesene Haltungssysteme einen sofortigen Baustopp verfügt. Dies gelte insbesondere für den „Warmstall“ in der Schweinehaltung und den tierschutzgesetzwidrigen Kastenstand.
Sollte die Bundesministerin weiter zögern, wird eine Nutztierstrategie nie greifen, weil zum Beispiel Neubauten von tierschutzwidrigen Systemen dann für die nächsten Jahrzehnte weiter in Betrieb wären. Zudem ist der gesellschaftliche Wunsch nach Veränderung enorm. Mit der Verlängerung der eigentlich schon ab Ende 2018 verbotenen betäubungslosen Kastration von Ferkeln um weitere zwei Jahre sei bei Tierschützerinnen und Tierschützern und in der breiten Gesellschaft massiv Vertrauen in politische Verlässlichkeit verspielt. Frau Klöckner muss endlich das Ende der Freiwilligkeit verkünden und sich auf das konzentrieren, was ihre Aufgabe als Bundesministerin ist: die tierschutzrechtlichen Vorgaben den gesellschaftlichen Erwartungen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen und die Weichen für einen Wandel zu mehr Tierschutz in der Landwirtschaft stellen. Das Tierschutzgesetz sei schon viel zu lange zu ausgeprägt ein Nutzgesetz, und eben kein Schutzgesetz für Tiere.
Statements der Verbände:
»Die Haltung der Bundesregierung ist ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung der Nutztierstrategie. Zögerliches, inkonsequentes Handeln schadet sowohl Landwirten als auch „Nutz“tieren, denn es fehlt an zukunftsweisenden Vorgaben und an Planungssicherheit. Ein hohes Tierschutzniveau, eine stabile Landwirtschaft und eine verbraucherakzeptierte „Nutz“tierhaltung können nur mit einer deutlichen Anhebung der Tierschutzstandards und daraus resultierenden, verbindlichen Handlungsvorgaben umgesetzt werden«, erklärt Angela Dinter, PROVIEH-Fachreferentin.
Pressekontakt PROVIEH e.V.: Angela Dinter, Fachreferentin für Schweine, dinter@provieh.de, Tel: +49.170.8105668
»Die Vorschläge für einen besseren landwirtschaftlichen Tierschutz liegen schon lange auf dem Tisch. Es geht nur noch um die möglichst rasche Umsetzung. Wir können nicht hinnehmen, dass jeden Tag Millionen Tiere leiden, weil die Ministerin sich scheut, der Agrarlobby Grenzen zu setzen«, kommentiert Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt.
Pressekontakt Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt: Diana von Webel, dw@albert-schweitzer-stiftung.de, Tel: +49 (0)30 400 54 68 – 15,
„Ministerin Klöckner ist aufgefordert ihren Worten endlich auch Taten folgen zu lassen, die zeitnah zu konkreten und erkennbar substanziellen Verbesserungen für die in Landwirtschaft gehaltenen Tiere führen. Eine glaubhafte Nutztierstrategie des BMEL darf nicht weiter die bereits auf dem Tisch liegenden Schritte in eine zukunftsfähige und gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung hinauszögern“, so Karsten Plücker, Vorsitzender des Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V..
Kontakt des Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V: Dipl. biol. Torsten Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter; torsten.schmidt@bmt-tierschutz.de; Tel.: 04642-922407
„Wir brauchen den sichtbaren Beleg, dass die Schwüre, die Bundesregierung wolle mehr Tierwohl, konkret umgesetzt werden, verpflichtend für Alle. Erst dann ist nötiges Vertrauen da, an den Verhandlungstisch zur Ausgestaltung einer nationalen Nutztierstrategie zurückzukehren. Das Spiel auf Zeit, wie es die Agrarindustrielobby bisher erfolgreich betreibt, muss Vergangenheit sein“, erklärt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
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