Tiertransporte
Millionen „Nutztiere“ unterwegs
Etwa 750 Millionen Nutztiere werden jährlich in langen See- und Straßentransporten lebend quer durch Europa und um die ganze Welt verfrachtet, um im Bestimmungsland gemästet oder geschlachtet zu werden. Die meisten Tiere werden sogar mehrmals in ihrem Leben transportiert, da Geburt, Aufzucht, Mast und Schlachtung oftmals auf spezialisierten Betrieben stattfinden. So werden Küken in Kartons in die ganze Welt geschickt oder Ferkel vom Zucht- zum Mastbetrieb gefahren. Durch den gemeinsamen Markt der Europäischen Union gehen viele Transporte zudem über die Landesgrenzen hinaus. Nicht selten werden Schweine, Rinder, Pferde und Schafe innerhalb der EU und sogar in Drittländer verkauft.
Der Weg zum Schlachthof
Die überwiegende Mehrheit der deutschen Schlachtungen wird in zentralisierten, industriellen Schlachtbetrieben durchgeführt. Die Auszahlungspreise der Schlachtbetriebe je Kilogramm Schlachtkörper variieren, weshalb der Anreiz hoch ist, für ein paar Cent mehr Gewinn pro Kilo Fleisch, längere Transportwege in Kauf zu nehmen. Zudem ist der Transport von Lebendtieren wesentlich billiger als der Transport von Fleisch, das in speziellen Kühl-LKWs zum Zielort gelangen muss.
2015 wurden etwa 430.000 Schweine exportiert. Die Zahl der exportierten Rinder stieg von 2014 bis 2015 um 40 Prozent auf 810.000 Tiere. Im ersten Halbjahr 2016 zeichnete sich ein weiterer Anstieg ab. Der Verkauf von Lebendrindern in die Türkei stieg um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Tiertransporte verursachen vielfaches Leid:
- Angst: Trennung von bekannten Artgenossen und vertrauter Umgebung
- Schmerzen: Erhebliche Verletzungsgefahr während des Be- und Entladens
- Krankheit: Stark eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten im Fahrzeug beziehungsweise im Transportbehälter und extrem unhygienische Bedingungen
- Aggression: Zusammentreffen mit unbekannten Artgenossen ohne Ausweichmöglichkeiten
- Stress: Umweltreize durch Fahrzeugbewegungen, Vibrationen und Lärmbelastende Klimafaktoren (Hitze und Kälte, Regen)
- Hunger und Durst: Fehlende Futter- und Wasserversorgung
- Fehlendes Mitgefühl: Betreuungspersonal, Fahrstil und Fahrzeugausstattung können zu Stress führen. Nicht angepasste Fahrgeschwindigkeit (Fahrbahnzustand, Staugefahr, Ampelstopps, Bremsen) sowie Mängel des Fahrzeugs (Einstreu, Klimatisierung, Stoßdämpfung, Bereifung, Bremsen). Diese Faktoren können schlimmstenfalls zum vorzeitigen Tod des Tieres führen.
Die Gesetzgebung
Zwar existieren Verordnungen und sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Transport von lebenden Wirbeltieren, die zu kommerziellen Zwecken befördert werden, jedoch werden schwerwiegende Verstöße selten aufgedeckt und ausreichend sanktioniert. Bei Tiertransportkontrollen in Deutschland wurden 2015 die häufigsten Verstöße erfasst und analysiert. Das Ergebnis ist alarmierend. Am Häufigsten wurde gegen die gesetzlichen Vorgaben der Transportfähigkeit der Tiere verstoßen. Kranke, verletzte und hochschwangere Rinder und Schweine wurden demnach transportiert. An zweiter und dritter Stelle standen Verstöße in Form von Überladung und LKW-Mängel wie beispielsweise mangelhafte Raumhöhe oder Ausstattung. Bei Langstreckentransporten sind schwere Hygienemängel, Futter- und Wassermangel an der Tagesordnung.
Die Verordnung sieht vor, dass die Tiere in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und Futter versorgt werden, dass sie sich ausruhen können und dass die Witterungsbedingungen bei der Planung des Tiertransportes miteinbezogen werden müssen. Auch der Umgang zwischen Personal und Tieren ist geregelt. Es ist verboten, die Tiere zu schlagen, zu treten oder zu verletzen. Mechanische Mittel, wie Seilwinden, die am Körper befestigt werden, dürfen nicht eingesetzt werden. Sehr kranke oder schwer verletzte Tiere dürfen nicht transportiert werden.
Am schlimmsten trifft es Schweine und Pferde. Sie dürfen endlos lange transportiert werden. Nach 24 Stunden Fahrzeit darf der Transport nach 24-stündiger Ruhepause weitere 24 Stunden fortgesetzt werden. In diesem Rhythmus können Schweine und Pferde endlose Strecken zurücklegen. Dabei steht einem Mastschwein über die gesamte Fahrtzeit nur etwa die eigene Grundkörperfläche an Raum zur Verfügung. Aktuelle Kontrollberichte des Tierschutzbund Zürich haben schlimmste Verstöße an Grenzkontrollstellen in Drittländer aufgedeckt.
PROVIEH fordert ein Ende der Lebendtiertransporte in Drittstaaten und eine Abschaffung der EU-Langstreckentransporte. Bei Inlandstransporten muss die Transportzeit auf maximal vier Stunden verkürzt werden. Das Be- und Entladen der Tiere soll durch sachkundiges Personal ohne Zeitdruck erfolgen. Elektrische Treibhilfen müssen verboten werden.
PROVIEH fordert zudem ein bundesweit einheitliches und wirksames Kontrollsystem, einen Sanktionskatalog und wirksame ordnungsrechtliche Maßnahmen zur Umsetzung der Transportverordnung .
Weiterhin muss der Aufbau eines Netzes von regionalen Schlachthöfen zum Ziel der öffentlichen und politischen Forderung werden.
PROVIEH fordert:
- Bundesweite Förderung der mobilen Schlachtung
- Wiederherstellung von regionalen Schlachthofstrukturen
- Verbot von Lebendtiertransporten in Drittländer
- Einführung einer nationalen Transportzeitbegrenzung auf maximal vier Stunden
- Ein wirksames staatliches Kontrollsystem mit bundesweit einheitlichen Sanktionen und Umsetzung des ordnungsrechtlichen Vollzuges
Tiertransporte sind eines der großen Kampagnenthemen von PROVIEH:
Gemeinsamer Offener Brief: Letter to President of Agri Council and Commission re Art 13 TFEU and live exports to Libya (08.05.2020)
Gemeinsamer offener Brief – (Kein) Tierschutz in Zeiten weltweiter Corona-Krise (März 2020)
Offener Brief: Tiertransporte auf der Route nach Usbekistan, Kasachstan und Südost-Russland beenden (17. September 2019)
Gemeinsame Stellungnahme Tiertransporte – Bündnis Tierschutzorganisationen (28. Februar 2019)
Offener Brief an die Veterinärämter – Betreff: Lebendtierexporte (04. Februar 2019)
Gemeinsamer offener Brief – Tiertransporte in Drittländer (20. März 2018)
Forderungen des Bündnisses für Tierschutzpolitik (Stand: November 2017)