GUNDA

Ein warmherziges Plädoyer für mehr Tierwohl

Sichtlich erschöpft liegt die Muttersau im Stall auf einem Berg Stroh, im Hintergrund wuseln ihre Ferkel durch die Gegend, bis es eines davon schließlich schafft, auf sie hinaufzuklettern – bevor es unbeholfen wieder ins Stroh purzelt. So beginnt GUNDA – ein Film, der uns mit eindrucksvollen und bewegenden schwarz-weiß Bildern Einblick in das Leben von “Nutz”tieren gewährt und uns die Welt aus ihrer Perspektive wahrnehmen lässt.  

Der Film wurde auf verschiedenen Höfen in Norwegen, Großbritannien und Spanien unter der Regie von Victor Kossakovsky gedreht. Er wurde bereits auf der Berlinale 2020 vorgestellt und kommt ab dem 19.08.2021 auch in die deutschen Kinos. Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, der uns auf eine 93-minütige Reise mitnimmt, um uns den Alltag und die Wirklichkeit von “Nutz”tieren näherzubringen. Das schafft er, ganz ohne dass Menschen ins Bild gerückt werden – die Protagonisten sind ausschließlich Gunda und ihre Ferkel, eine Gruppe Hühner und eine Herde Rinder. Ohne erhobenen Zeigefinger oder Schauerbilder von Schlachtungen und Folter zu zeigen, vermittelt der Film Verständnis und Mitgefühl für die von uns nur als Nutztiere bezeichneten Lebewesen. Kossakovsky selbst ist strikter Verfechter eines vegetarischen Lebensstils. 

Ferkel und Schwein im Freien
© Filmwelt Verleihagentur / Sant & Usant/ V. Kossakovsky/Egil H. Larsen

Perspektivenwechsel – Die Welt der„Nutz“tiere auf Augenhöhe wahrnehmen 

In GUNDA werden die titelgebende Muttersau und ihre quicklebendigen Ferkel von deren Geburt an bis zum Abschied auf ihren Wegen über das Gelände eines Bauernhofes begleitet, auf dem sie sich artgemäß bewegen können, wo sie toben, spielen, sich im Schlamm suhlen, die Natur erkunden und einfach in Ruhe aufwachsen können. Außerdem ist die Kamera dabei, wenn ehemalige Legehennen ihre ersten Schritte auf Gras tun und eine Herde Rinder aus der Stallhaltung in die Freiheit des Bauernhofgeländes entlassen wird. 

Auf Sprache, zumindest in der Form, wie wir sie gebrauchen, verzichtet der Film komplett. Sie ist aber auch nicht notwendig, um in Gundas Welt einzutauchen, denn die Umgebungsgeräusche und die natürlichen Laute der Protagonisten werden sehr gut eingefangen. So können wir uns selbst ein Bild vom Leben der Tiere und von der Kommunikation zwischen ihnen machen. Mithilfe der Kameraeinstellungen und -führungen (Kamera: Victor Kossakovsky und Egil Håskjold Larsen) begeben wir uns auf ihre Spuren und werden quasi ein Teil der Gruppe. Ganz natürlich integriert sich die Kamera in ihre Umgebung und wird von den Protagonisten scheinbar gar nicht wahrgenommen, wodurch sich das Gefühl des Eintauchens in und das Miterleben von dieser „anderen“ Welt nur noch intensiviert. Es sind starke Bilder, die man so eher selten zu sehen bekommt. 

Ein Ferkel im Freien
© Filmwelt Verleihagentur / Sant & Usant/ V. Kossakovsky/Egil H. Larsen

Vielfach harrt der Film aus, zieht einige Szenen geradezu ins Unendliche, sodass man sich teilweise wünscht, die Kamera würde endlich abblenden. Man muss jedoch Geduld haben, denn dadurch erhält man Eindrücke, die über das normale Maß eines Films weit hinaus gehen. Fast kommt man sich vor wie ein Voyeur, so intim sind die Ein- und Augenblicke, so dicht am Geschehen sind die Zuschauer:innen, wenn Gundas Ferkel zum ersten Mal das Licht der Welt erblicken oder zwei Hühner schnäbeln. Man wird in eine andere Welt geworfen, eine Welt, die wir noch viel zu wenig verstehen. Hier werden “Nutz”tiere als Lebewesen mit eigenen Gefühlen, Wahrnehmungen, Gewohnheiten und Gedanken gezeigt, zu denen Erschöpfung und Sorge genauso zählen wie die Freude, Neues zu entdecken und sich gegenseitig zu helfen. Man fängt an, sich zu fragen: Was denkt Gunda? Weiß sie um ihr Schicksal oder um das Schicksal ihrer Kinder? Zum Ende hin rückt ein Traktor mit einer Transportbox ins Bild, deren Zweck sich für die Zuschauer:innen erschließt, ohne dass es mehr als der Schlussszene bedarf, in der Gunda scheinbar orientierungslos den Stall und das Gelände davor nach ihren Ferkeln absucht.  

Aufruf zum Überdenken des eigenen Handelns 

© Filmwelt Verleihagentur / Sant & Usant/ V. Kossakovsky/Egil H. Larsen

GUNDA rüttelt auf, regt zum Nachdenken und vielleicht auch zum Umdenken an. Der Film stimmt sowohl nachdenklich über das Leben an sich als auch über den Umgang mit den sogenannten „Nutz“tieren und ist gleichzeitig eine Hommage an das Leben, wenn gezeigt wird, wie ehemals in industrieller Intensivtierhaltung lebende Hühner die Vorzüge der Freilandhaltung kennen lernen. Es ist ein Film auf Augenhöhe mit intensiven und schnörkellosen Bildern über das pure Leben, der zeigt, dass jedes Leben lebenswert ist und geachtet werden sollte und dass jedes Lebewesen es verdient hat, unter seinen natürlichen Bedingungen aufzuwachsen und zu leben. 

Ja, es sind „nur“ Tiere, die in diesem Dokumentarfilm gezeigt werden, aber von diesen Tieren können wir Menschen noch eine ganze Menge lernen. Das Plädoyer des Films ist klar: Ein Hoch auf das Tierwohl, mehr gegenseitige Achtung, mehr Respekt für die Welt, in der wir leben und mehr Empathie für die Lebewesen, die wir gemeinhin als Nutztiere bezeichnen.  

Thora Panicke 

GUNDA Filmplakat
© Filmwelt Verleihagentur / Sant & Usant/ V. Kossakovsky/Egil H. Larsen


Filmstart des Films „Gunda“ am 19.8.

Kinofinder auf der Website www.gunda-derfilm.de

Den Trailer zum Film finden Sie hier.

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