Tierhaltungs-Kennzeichnungsgesetz in Gefahr?

Berlin, 14.07.2025: Gerade erst hatte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer noch eine Verschiebung des staatlichen Tierwohllabels auf März 2026 verkündet. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) sollte dann bis zur Mitte der Legislaturperiode weitgehend umgesetzt werden. Nun hat der der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (Agrarausschuss) empfohlen, keinen Änderungsantrag nach Artikel 77 Absatz 2 GG zu stellen – also das Gesetz nicht nur zu ändern, sondern stattdessen als Möglichkeit komplett aufzuheben und neu zu gestalten. So weit wird es nach Abstimmung im Bundesrat nun nicht kommen. Es gab dafür keine Mehrheit.

Infobox der Agrarausschuss ist ein Gremium, welches 30 ordentliche Mitglieder zählt: Zehn Parlamentarier der CDU/CSU-Fraktion, sieben der AfD-, sechs die SPD- und vier die Bündnis90/Die Grünen Fraktion. Allerdings ist man sich einig, dass grundlegende Reformen notwendig sind. Dafür stimmte der Bundesrat mehrheitlich.

Hintergrund zum Antrag:

Der Ausschuss begrüßte im Antrag die Verlängerung der Übergangsfrist für die Kennzeichnungspflicht bis zum 1. März 2026, kritisierte jedoch gleichzeitig, dass das Gesetz in seiner aktuellen Form erhebliche Schwachstellen aufweise: Insbesondere wurde bemängelt, dass es nur den Geltungsbereich auf Schweinemast und Frischfleisch beschränkt, keine Anforderungen an die Haltung von Mastschweinen in höheren Stufen enthält, kein Finanzierungskonzept vorliegt und die Auslobung der Haltungsform „Stall“ zu unbürokratisch ist. Zudem wurde die geplante Übertragung der Kontrolle auf private Zertifizierungssysteme, die Gleichbehandlung in- und ausländischer Produkte sowie die Möglichkeit des „Downgradings“ (Vermarktung von Fleisch aus höherer Haltung als niedriger bezeichnet) kritisiert.

Die Rolle des Agrarausschusses

Der Agrarausschuss dient auch als Plattform, um die landesbezogenen Perspektiven in die Bundespolitik einzubringen und so eine abgestimmte und effektive Landwirtschaftspolitik zu entwickeln. Die Minister der Länder haben somit einen indirekten Einfluss, indem sie die Diskussionen und Entscheidungen im Ausschuss mitgestalten und auf die Interessen ihrer Bundesländer achten. Der aktuelle Antrag auf Aufhebung des THKG soll auf einen Anstoß der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt zurückgehen, wobei Sachsen-Anhalts Agrarminister Sven Schulze dabei eine führende Rolle spielt. 

Irritationen um vollständigen Wegfall eines THKG

Eine Berichterstattung in der BILD-Zeitung zwei Tage vor der Abstimmung im Bundesrat hat im Vorfeld zu Irritationen geführt. Sie suggerierte fälschlicherweise, dass die Länder grundsätzlich gegen ein staatliches Tierwohl-Label seien. Vielmehr zielt die Forderung an die Bundesregierung aber darauf ab, gemeinsam mit den Ländern ein Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung zu überarbeiten. Ziel sei es, die Kontrollen gezielter und weniger bürokratisch zu gestalten, um den Aufwand für Betriebe und Behörden auf ein realistisches Maß zu reduzieren. 

THKG muss neu gedacht werden

Bei den Wortmeldungen im Plenum am 11.07.2025 war man sich einig, dass ein THKG neu gedacht werden müsse: 

Der Baden-Württembergische Landwirtschaftsminister und derzeitige Vorsitzende der Agrarministerkonferenz der Länder Peter Hauck kritisierte in seinem Redebeitrag, dass das Gesetz der Vorgängerregierung schlecht sei und eine Verschiebung als Vehikel gesehen werden müsse. Die Bundesländer hatten auf erhebliche Hindernisse hingewiesen. Er betonte die Benachteiligung inländischer Erzeuger. Der Gesetzentwurf wiese gravierende Mängel auf und nur eine grundlegende Überarbeitung könne helfen. Es bedürfe des Neuanfanges entweder durch Aufhebung oder Nutzung der Fristverlängerung.

Miriam Staudte, niedersächsisches Landwirtschaftsministerin, betonte hingegen, dass die Aufhebung THKG das falsche Signal wäre. Die dringend angefragte Verlässlichkeit und Transparenz für Verbraucher:innen sowie die nötige Planungssicherheit für Bauern und die bereits getätigte Ausrichtung des Lebensmitteeinzelhandels sprechen gegen die Aufhebung und für einen Aufschub bis März 2026. Bis dahin sollten Anpassungen und gute sachliche Weiterentwicklungen umsetzbar sein.  

Sven Schulze, Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt, unterstrich, dass das jetzige THKG ein Relikt aus der Vergangenheit sei, welches in dieser Form abzulehnen wäre. Änderungen und Verbesserungen am aktuellen Gesetz würden nichts bringen. Transparenz für eine Kaufentscheidung sei nicht gegeben. Er sieht die Gefahr der Auslagerung von Schlachtung und Verarbeitung ins Ausland. Es könne dann zum Beispiel Fleisch von im Ausland betäubungslos kastrierten Ferkeln als Fleisch mit bester Einstufung im Tierschutz in Deutschland in den Handel gehen. Es fehlen Anreize, die ein nachhaltiges Tierwohl bewirken. Stattdessen gebe es zu viel Bürokratie. Verlässliche Planungssicherheit und Zukunftsperspektive für Landwirte würden mehr bewirken. Er richtete eine Aufforderung an die Bundesregierung für einen echten Neustart für ein staatliches TierWOHLkennzeichen. Zudem müsse ein gesamteuropäisches Gesamtkonzept angegangen werden. Die Länder bieten dahingehend ausdrücklich eine Zusammenarbeit an. 

Abschließend sprach die Parlamentarische Staatssekretärin des BMLEH Silvia Breher und betonte dabei: Nutztierhaltung ist für Deutschland unverzichtbar und steht für ständige Verbesserung des Tierwohls. Das THKG bietet Möglichkeiten für Landwirte, Verbesserungen sichtbar zu machen. Aber es müsse auch vom ersten Tag an funktionieren. In einem ersten Schritt erfolgt deshalb die Verlängerung. Davon unberührt bleibt die freiwillige Kennzeichnung der Produkte ab sofort. Danach brauche es aber unbedingt einen zweiten Schritt: Das Gesetz selbst müsse reformiert werden. Dieser Prozess sei bereits gestartet, und Entschließungsanträge mit Vorschlägen zur Überarbeitung liegen vor. Die THK muss am Tierwohl ausgerichtet, aber auch praktisch umsetzbar sein.

Durch die Mehrheit zur umfangreichen Neugestaltung hat der Bundestag ein klares Signal gesetzt. Es gilt nun abzuwarten, wie BMLEH und die Bundesregierung darauf reagieren. Deutlich geworden ist in der Debatte, dass eine wirklich wirksame und gute Umsetzung nur unter umfassender Einbeziehung der Länder möglich sein wird. Somit bleibt zu hoffen, dass man sich einig werden und im Ergebnis eine bestmöglich angepasste, umsetzbare THK stehen wird, welche von den Bundesländern akzeptiert und vollumfassend angewendet werden kann. 

PROVIEH begrüßt die Ablehnung des Änderungsantrages. Der gänzliche Wegfall einer ohne Frage umfänglich verbesserungswürdigen staatlichen THK oder aber eine quasi Blockade der Länder bei der Umsetzung würde am Ende eine große Chance zu mehr Transparenz und einheitlichen staatlichen Tierschutzkontrollen verspielen. Dadurch würde sich der Fokus höchstwahrscheinlich wieder allein auf die freiwilligen Haltungsformen des Lebensmitteleinzelhandels fokussieren. Hier gab es aktuell harsche Kritik, durch Tierschutzfälle, nicht ausreichende Kontrollen sowie Betrugsvorfälle, die das Vertrauen der Verbraucher:innen erschüttert haben.

Kathrin Kofent

Mitglieder des Agrarausschusses

CDU/CSU:

  • Anna Aeikens – Nordrhein-Westfalen
  • Artur Auernhammer – Bayern
  • Caroline Bosbach – Nordrhein-Westfalen
  • Benedikt Büdenbender – Nordrhein-Westfalen
  • Alexander Engelhard – Bayern
  • Hermann Färber – Bayern
  • Christoph Frauenpreiß – Bayern
  • Johannes Steiniger – Rheinland-Pfalz
  • Dieter Stier – Sachsen-Anhalt
  • Christina Stumpp – Baden-Württemberg

AfD:

  • Peter Felser – Bayern
  • Danny Meiners – Niedersachsen
  • Stephan Protschka – Bayern
  • Christian Reck – Sachsen
  • Bernd Schattner – Bayern
  • Julian Schmidt – Bayern
  • Bernd Schuhmann – Bayern

SPD:

  • Jens Behrens – Niedersachsen
  • Esther Dilcher – Sachsen-Anhalt
  • Franziska Kersten – Nordrhein-Westfalen
  • Isabel Mackensen-Geis – Rheinland-Pfalz
  • Andreas Schwarz – Baden-Württemberg
  • Anja Troff-Schaffarzyk – Sachsen-Anhalt

Bündnis 90/Die Grünen:

  • Karl Bär – Bayern
  • Zoe Mayer – Bayern
  • Ophelia Nick – Baden-Württemberg
  • Niklas Wagener – Hessen

Die Linke:

  • Marcel Bauer – Sachsen-Anhalt
  • Ina Latendorf – Mecklenburg-Vorpommern
  • Sascha Wagner – Thüringen

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