Verschiebung des Tierhaltungs-Kennzeichnungsgesetzes
Chance oder Rückschlag? Tierschutz im Fokus
Die aktuelle Entwicklung rund um das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) zeigt, wie komplex und herausfordernd der Weg zu mehr Transparenz und Tierwohl in der Nutztierhaltung ist. Der Bundestag hat am Donnerstag den von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzesentwurf in der vom Landwirtschaftsausschuss geänderten Fassung verabschiedet. Dabei wurde beschlossen, die Übergangsregelung des Paragrafen 40 Absatz 2 des Gesetzes um sieben Monate auf den 1. März 2026 zu verlängern. Ziel dieser Maßnahme ist es, den betroffenen Tierhalter:innen und Lebensmittelunternehmen mehr Zeit für die Umsetzung der Vorgaben einzuräumen.
Was bedeutet diese Verschiebung für den Tierschutz?
PROVIEH sieht diese Entscheidung mit gemischten Gefühlen. Einerseits besteht die Gefahr, dass die geplante Transparenz in der Nutztierhaltung durch die Verschiebung zurückgeschraubt wird, was letztlich negative Folgen für das Wohl von Hunderten Millionen Tieren haben könnte. Andererseits eröffnet die Verschiebung auch die Chance, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten, um es anwenderfreundlicher, klarer und wirksamer im Sinne des Tierschutzes zu gestalten.
Hintergrund:
Das TierHaltKennzG wurde im Koalitionsvertrag der vorherigen Regierung beschlossen, um landwirtschaftliche Betriebe zu verpflichten, die Haltungsform von Tieren auf Lebensmitteln tierischen Ursprungs sichtbar zu machen. Ziel war es, mehr Transparenz für Verbraucher:innen zu schaffen und höhere Tierwohlstandards zu fördern. PROVIEH setzt sich seit langem für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung ein und hat die Erarbeitung des Gesetzes fachlich begleitet.
Doch bereits beim Entwurf von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wurden erhebliche Schwächen deutlich: Das vorgeschlagene Siegel ist wenig aussagekräftig, eintönig in schwarz-weiß gehalten und unübersichtlich kategorisiert. Es wurde zudem kritisiert, dass wichtige Aspekte wie die Haltung der Muttersauen und die Aufzuchtphase der Mastschweine unberücksichtigt blieben. Das Gesetz setzt derzeit unklare Standards und bietet noch viel Luft nach oben. Es ist unklar, wie die Bundesländer die Einhaltung kontrollieren sollen, und die Gültigkeit ist bislang nur für Frischfleisch vorgesehen, was nur einen kleinen Teil der Produkte betrifft.
Neue Pläne:
Immerhin soll der Gesetzesentwurf laut Auskunft der Regierungsparteien nun tatsächlich erweitert werden, um die Ausdehnung der Kennzeichnung auf weitere Tierarten, den gesamten Lebenszyklus, verarbeitete Produkte und die Außer-Haus-Verpflegung zu ermöglichen. Ziel sei es, die Transparenz deutlich zu erhöhen und Verbraucher:innen eine verlässliche Orientierung in Bezug auf Tierwohl zu bieten.
Chancen nutzen – echten transparenten Tierschutz voranbringen
Das Tierwohllabel hat das Potenzial, zu einem echten Orientierungspunkt für Verbraucherinnen und Verbraucher zu werden – und die Landwirt:innen auf dem Weg zu mehr Tierwohl wirksam zu unterstützen. PROVIEH plädiert für echten greifbaren Tierschutz und ruft Minister Rainer auf, den geschaffenen Zeitrahmen bestmöglich zu nutzen und für eine klare und mutige Weiterentwicklung eines chancenreichen Tierwohllabels einzustehen.
Konkret fordern wir:
• Tierschutzstandards müssen nachgeschärft und klarer differenziert werden
• Neben dem jeweiligen Haltungssystem müssen auch Tiergesundheit und Tierbetreuung miteinbezogen werden.
• Auch verarbeitetes Fleisch sowie der gesamte Bereich der Außer-Haus-Verpflegung muss miteinbezogen werden
• Fördermittel und unabhängige Beratungen für Betriebe müssen bereitgestellt und umgesetzt werden
• Für die Überprüfung der Kategorisierung und amtliche Kontrollen muss genügend geschultes Personal langfristig bereitstehen
• Flankierend müssen aktualisierte gesetzliche Mindestanforderungen über die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie ein novelliertes Tierschutzgesetz klare Standards sowie Planungssicherheit schaffen.
PROVIEH ist wachsam und wird das tierschutzpolitische Geschehen rund um die Umsetzung des TierHaltKennzG fest im Blick behalten.
Kathrin Kofent
30.06.2025