Was nicht passt, wird passend gemacht – auch bei Lämmern
Schwanzkupieren beim Schaf
Im Frühjahr ist auf vielen Betrieben Hochsaison für die Lämmergeburten. Wenn die frisch geborenen Lämmer bei ihren Müttern trinken, wackeln ihre Schwänze lustig hin und her. Doch bereits in der ersten Lebenswoche müssen viele Lämmer schmerzhafte Eingriffe erdulden, die nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nötig wären.
Infokasten: Schafhaltung in Deutschland Rund 1,5 Millionen Schafe werden in Deutschland gehalten. Sie lassen sich einteilen in Berg-, Land-, Fleisch-, Milch- und Merinoschafe. In den Küstengebieten findet man sie als fleißige Küstenschützer auf den Deichen und im Süden als umherwandernde Landschaftspfleger, aber es gibt auch intensive Haltungsformen. Die häufigsten Schafrassen sind das Merinoschaf, das Schwarzköpfige Fleischschaf und das Ostfriesische Milchschaf. Insgesamt ist die Rassenvielfalt groß und auch die Intensität der Nutzung variiert. Lammfleisch wird besonders zu Ostern, aber auch zu Weihnachten und islamischen Festen nachgefragt. Insgesamt liegt der Konsum mit weniger als einem Kilogramm pro Kopf und Jahr im Vergleich zu Schweinefleisch (27,5 Kilogramm) aber auf verschwindend niedrigem Niveau.
Schwanzkupieren verursacht Leiden
Was viele nicht wissen: Bei langschwänzigen Schafrassen wird den Lämmern der Schanz kupiert, das heißt gekürzt. Vor allem wird dieser Eingriff bei männlichen Zuchttieren von Langschwanz-Schafrassen und bei weiblichen Lämmern, die für den Bestandserhalt in der Herde bleiben sollen, durchgeführt. Lämmer, die zur Mast vorgesehen sind, werden seltener kupiert. In Deutschland ist das Schwanzkupieren laut Tierschutzgesetz nur im Einzelfall erlaubt, gilt jedoch gleichzeitig als traditionelles und routinemäßiges Verfahren. Das Schwanzkupieren geschieht legal bis zum Alter von acht Tagen ohne Betäubung durch Abschneiden oder meist mittels elastischer Gummiringe, die das Schwanzende zum Absterben bringen.
Viele bedeutende Rassen haben lange und stark bewollte Schwänze, was gegebenenfalls zu Problemen führen kann. Die weltweit gängige Praxis des Schwänzekürzens wird mit verbesserter Geburtenkontrolle, Zuchthygiene, Verringerung des Risikos für eine Fliegenmadenerkrankung (Myiasis) sowie einer Verbesserung der Schurhygiene begründet. Allerdings ist sie gleichfalls schon lange umstritten. Bereits die vom Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Auftrag gegebene Studie „Auswirkungen verschiedener Methoden des Schwanzkupierens bei Lämmern“ (2017 bis 2019) stellte fest, dass das Kupieren mittels elastischer Ringe eine starke Belastung für die Lämmer ist.
Die scheidende Bundesregierung (Ampelkoalition) hatte nicht umsonst bereits beschlossen, ein Kupierverbot in die geplante, dann aber leider nicht mehr umgesetzte Novelle zum Tierschutzgesetz aufzunehmen.
Ein Kupierverzicht ist möglich
Ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördertes Forschungsprojekt (2021 bis 2025) ging einen entscheidenden Schritt weiter als die oben genannte Studie und belegt erfreulicherweise, dass ein Kupierverzicht in der Schafhaltung nicht nur möglich, sondern auch ratsam ist. Die vorliegende Broschüre „Die Haltung und Zucht von unkupierten Schafen – Empfehlungen aus der Praxis“ trägt die Ergebnisse des Forschungsprojekts zusammen, die auf zahlreichen Betrieben gesammelt wurden.
Praxisnahe Perspektiven
In der Broschüre wird klar aufgezeigt, dass die Zucht und tierschutzkonforme Haltung unkupierter Schafe, insbesondere durch Umstellungen im Management, möglich ist. Als zu erfüllende betriebliche Voraussetzungen werden gezielte Anpassungen in der Fütterung, dem Herden- und Parasitenmanagement und der Genetik aufgeführt. Unterstützend für Tierhalter:innen bei der praktischen Umsetzung eines Kupierverzichts kann ein ebenfalls entwickeltes Managementtool sein. Mit dessen Hilfe können die Betriebe Gesundheitsdaten einzelner Tiere, wie die Dokumentation von Entwurmungen, Impfungen sowie anderen Maßnahmen wie Klauenpflege und Schur verwalten und erhalten zudem daraus Hilfe bei der Zuchtplanung. Anhand der gewonnen und mithilfe des Tools analysierten Daten erhalten Schafhalter:innen einen wertvollen Überblick zu möglichen Schwachstellen in Haltung, Gesundheitsmanagement, etc. Durch gezielte Anpassungen können sie ihre Haltung insgesamt optimieren und zeitgleich auch potenziell möglichen gesundheitlichen Gefahren aufgrund des Kuperverzichts in ihrer Herde bestmöglich vorbeugen.
PROVIEH hofft, dass die Ergebnisse von der neuen Bundesregierung Berücksichtigung finden wird und allen (kupierenden) Schafhalter:innen zeitnah zugetragen wird, um die Schafhaltung insgesamt zu verbessern und die Kupierpraxis schnellstmöglich zu beenden. Das Projekt „Tierwohl Kompetenzzentrum Schaf“ ist als Teil des Bundesprogramms Nutztierhaltung maßgeblich an der Verbreitung beteiligt.
Darüber hinaus setzt sich PROVIEH weiterhin vehement für eine – längst überfällige – Novellierung des Tierschutzgesetzes ein, welche auch ein Kupierverbot für Lämmerschwänze enthalten muss.
Infokasten: Kastration ohne Betäubung Bocklämmer, die beispielsweise in der Landschaftspflege in der Herde verbleiben sollen, werden in ihrem ersten Lebensmonat in der Regel betäubungslos kastriert. Dies ist legal, denn laut Tierschutzgesetz dürfen diese bis zum Alter von vier Wochen „bei normalen anatomischen Verhältnissen ohne Betäubung, aber unter Einsatz von Schmerzmitteln“ kastriert werden. Auch bei der Kastration kommt es zu Stress und unnötigem Leiden, was durch eine Sedierung sowie eine begleitende Schmerztherapie nach dem Eingriff minimiert werden könnte. In der Praxis ist dies aber unüblich. Durch Erlässe oder Leitlinien hätten die Bundesländer die Möglichkeit, hier strengere Regelungen festzuschreiben.
Kathrin Kofent
Weitere Informationen: Bundesinformationszentrum Landwirtschaft https://www.nutztierhaltung.de/schaf/oekonomie/tierwohl-kompetenzzentrum-schaf-twz-schaf/
04.04.2025