Stutenblut für Sauen – vom vermeidbaren Leiden zweier Spezies

Aus dem Blut tragender Stuten wird ein Hormon gewonnen, das in der Sauenhaltung eingesetzt wird. Dabei leiden die Stuten unter der Prozedur sowie den Folgen der umfänglichen Blutentnahme. Die Sauen erhalten die aus dem Blut gewonnenen, also artfremden, Hormone gespritzt, damit sie zeitgleich ihre Ferkel gebären.  Das Hormon “Pregnant Mare Serum Gonadotropin” (PMSG) oder mit neuer Bezeichnung “equine Chorion Gonadotropin” (eCG) wird aus dem Blut von Stuten gewonnen, die ein Fohlen erwarten. Es wird weltweit zur Synchronisation der Brunst und insgesamt zur Trächtigkeitsstimulation von Zuchtsauen per Injektion verabreicht. Das Pferde-Hormon sorgt dafür, dass die Sauen zeitgleich viele Ferkel gebären, und gestaltet den „Produktionsprozess“ für die Schweineindustrie noch effizienter.

Die Stuten

Zwischen dem 40. und 70. Trächtigkeitstag ist der Gehalt an PMSG im Blut der Stuten am höchsten. In dieser Zeit wird weltweit vielen tausend Stuten dieses für die Schweineindustrie sehr wertvolle Blut „abgezapft“. In Argentinien und Uruguay, China, sowie auf Island, in den Niederlanden, aber auch in Deutschland werden Stutenblutfarmen betrieben.

Die extremen Bedingungen, die jedem halbwegs empathischen Menschen die Kehle zuschnüren und nichts als Empörung und Unverständnis zurücklassen, sind inakzeptabel. Die Gewinnung des Stutenblutes erfolgt in allen genannten Ländern unter mehr oder etwas weniger schweren Tierschutzverstößen beziehungsweise tierschutzrelevanten Umständen.

Südamerika

Brutales Handling in den Blutentnahmeboxen traumatisiert die Stuten massivst.
Brutales Handling in den Blutentnahmeboxen traumatisiert die Stuten massivst.

Geschätzten 10.000 Stuten werden in Argentinien und Uruguay zweimal jährlich – über einen Zeitraum von elf Wochen – wöchentlich bis zu zehn Liter Blut entnommen. Dies ist für die halbwilden Stuten sehr schlimm, da sie dafür unter großem Stress zusammen und dann in spezielle, sehr enge Boxen getrieben und dort an Kopf und Rumpf fixiert werden. Allein das Fixieren ist für das Fluchttier Pferd stark traumatisierend. Hinzu kommt die eigentliche Prozedur der Blutentnahme, bei der die panischen Stuten ohne örtliche Betäubung von Arbeitern die Entnahmekanüle in die Halsvene gesetzt bekommen. In den „Leitlinien zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutprodukten im Veterinärbereich“ wird für nicht trächtige Pferde empfohlen, dass die Entnahme von 15 ml Blut pro Kilogramm Körpergewicht nicht überschritten werden sollten und dass zwischen den einzelnen Spenden mindestens 30 Tage liegen sollten. Bei einer 500 Kilogramm schweren Stute wären es also 7,5 Liter Blut pro Monat. Diese Menge wird auf den Blutfarmen somit um ein Vielfaches, fast sechsfach auf einen Monat gesehen, überschritten und über einen Zeitraum von elf Wochen praktiziert. Nach den elf Wochen ist es üblich, dass die Feten abgetrieben werden. Dies erfolgt manuell unter Öffnung der Gebärmutter und Zerstören der Eihäute. Weder wird dazu die Mutter örtlich betäubt oder mit Schmerzmitteln versorgt noch wird berücksichtigt, dass der Fötus zum Zeitpunkt der Abtreibung bereits Schmerzen empfindet. Die Stuten werden durch den massiven Blutentzug geschwächt, magern ab und sind zudem sehr infektanfällig. Bis zur nächsten Trächtigkeit und Blutentnahme werden sie auf großen, kargen Wald- und Weideflächen rund um die Farmen und ohne tierärztliche Kontrollen sich selbst überlassen. Viele leiden unter den Folgen der gewaltsamen Blutentnahmen und Infekten durch den massiven Eingriff der Abtreibung. Der durchweg schlechte körperliche Zustand ist tatsächlich gewollt, da magere Stuten nachweislich einen höheren PMSG-Spiegel im Blut aufweisen. Pro Saison stirbt ein Drittel der Stuten entweder an den Folgen der Blutentnahmen und Abtreibungen oder wird aussortiert und geschlachtet, sobald eine Trächtigkeit ausbleibt. 

Island

Island ist bekannt wegen seiner besonderen Natur und seiner rund 90.000 Pferde, die jährlich zahlreiche Touristen anziehen. Die Idylle der frei grasenden Pferde trügt allerdings. Seit 40 Jahren gibt es Blutfarmen auf Island. Dort ist es zwar anders, aber nicht besser als in Südamerika. Auf den 119 Blutfarmen leiden etwa 5.300 Stuten. Ab dem Spätsommer über einen Zeitraum von circa zehn Wochen werden den Tieren bis zu achtmal jeweils fünf Liter Blut, also insgesamt bis zu 40 Liter, entnommen. Bedenkt man, dass eine durchschnittlich 350 Kilogramm leichte Isländerstute bei einem Blutanteil von etwa sieben Prozent des Körpergewichtes einen Gesamtblutanteil von 24,5 Litern hat, ist das allein in diesem kurzen Zeitfenster bereits ein körperlich massiv belastender Eingriff. 

Hinzu kommt, dass die Stuten, wie auch in Südamerika, halbwild sind. Somit bedeutet bereits das Zusammentreiben und erst recht die Blutentnahmeprozedur schweren Stress. Sie bewirkt nicht selten – sich von Blutabnahme zu Blutabnahme steigernde – Traumata und verursacht schwere Verletzungen durch Abwehr, Stürze oder Hängenbleiben in den Fixierboxen. Aktuelle Videoaufnahmen zeigen, dass sich aus Angst weigernde Stuten durch gezielte Schläge mittels Eisenstangen und Holzbalken auf die besonders schmerzempfindlichen Sprunggelenke und Röhrbeine  in die Boxen getrieben werden. Auch in den Boxen werden die Stuten zum Teil weitergeschlagen.

Die einen halben Zentimeter dicken Entnahme-Kanülen werden in Island immerhin unter örtlicher Betäubung durch einen Veterinär gesetzt. Trotzdem zeigen die Stuten starke Schmerzreaktionen. Anders als in Südamerika werden hier zwar keine Fohlen abgetrieben, sondern geboren, aber dann – oft für die Katzen- und Hundefutterproduktion auch in Deutschland – geschlachtet. Mit dem Blut einer Stute wird mehr als vierfach so viel verdient als an dem Verkauf eines Fohlens. Während Isländer als Reitpferde zu Höchstpreisen verkauft werden, ist ein Schlacht-Fohlen auf Island keine 100 Euro wert. Der isländische Pharmahersteller „Isteka ehf“ plant aktuell eine riesige Ausweitung des PMSG-Geschäftes auf bis zu 20.000 Stuten. 

Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die isländischen Stuten ist ein Gesetzesantrag zum Verbot der Blutfarmen. Hier soll noch in diesem Jahr beurteilt werden, ob und wie es auf Island weitergehen wird. Zudem hatte im Oktober 2021 das EU-Parlament mit großer Mehrheit ein EU-Import sowie ein Produktionsverbot für PMSG beschlossen. Nun bleibt es abzuwarten, wie die EU-Kommission hierzu entscheidet. In der Schweiz wurde ein freiwilliger Verzicht erreicht und ab 1. September 2022 verbietet der Schweizer Bauernverband das Hormon in der Tierhaltung. In Dänemark wird ein Verbot geprüft und in den Niederlanden ebenfalls gefordert. 

Deutschland 

Auf einem Gestüt im Thüringischen Meura werden seit 1980 Haflingerstuten zwischen dem 50. und 100 Trächtigkeitstag viermal pro Woche jeweils vier Liter Blut abgenommen, wobei am Folgetag Blutbestandteile zurückgeführt werden. Dies soll schonender für die Stuten sein, birgt aber einige Risiken und wird umstritten bewertet. Lange blieb die Blutfarm in Deutschland von der Öffentlichkeit unentdeckt und geriet erst vor einigen Jahren in die Kritik. Entgegen dem Drängen der Tierschützer:innen, die Blutfarm zu schließen, wurde im letzten Jahr die dortige Blutentnahme als Tierversuch eingestuft und seitens der Behörden eine offizielle Genehmigung für fünf Jahre erteilt. Zwei unterschiedliche Gutachten, die von der Animal Welfare Foundation sowie dem Deutschen Tierschutzbund in Auftrag gegeben wurden, stellten allerdings heraus, dass die Blutentnahme zur Gewinnung von PMSG nicht als genehmigungsfähiger unerlässlicher Tierversuch einzustufen ist. Beide Verbände gehen derzeit rechtlich gegen die Genehmigung vor.

Die Sauen

Damit Sauen in der industriellen Tier- haltung synchron abferkeln, werden sie häufig mit Hormonen behandelt.
Damit Sauen in der industriellen Tier- haltung synchron abferkeln, werden sie häufig mit Hormonen behandelt.
© agnormark/stock-adobe.com

PMSG/ eCG wirkt beim Schwein in erster Linie wie das körpereigene Hormon FSH. Bei Jungsauen bewirkt es eine Induktion der Pubertät, es synchronisiert die Brunst (auch Rausche genannt) und stimuliert sie bei Altsauen nach dem Absetzen der Ferkel. So kann auch hier anschließend eine Ovulationssynchronisation sowie die terminorientierte Besamung erfolgen.

Die Stimulation und Brunstsynchronisation erleichtert die Arbeitsabläufe. In Großbetrieben ist es aus Gründen des Tierwohls in Teilen vorteilhaft, wenn sich durch die synchrone Trächtigkeit fortlaufend feste Sauengruppen zusammenstellen und etablieren lassen. Die Rangordnung wird dann beim ersten gemeinsamen Aufstallen geklärt und bleibt im Idealfall über die folgenden Zyklen bestehen. Biobetriebe nutzen kein PMSG, für die konventionellen Betriebe liegen keine verlässlichen Zahlen zum Umfang der PMSG-Nutzung in Deutschland vor. 

Bei rund 1,5 Millionen Zuchtsauen und durchschnittlich 2,2 Würfen im Jahr wären bis zu 3,5 Millionen PMSG-Dosen denkbar. Der Deutsche Tierschutzbund schätzt, dass 2019 bis zu 30 Prozent aller Sauen PMSG erhalten haben. 

Alternativen

PROVIEH heißt hormonelle „Werkzeuge“ für die Brunstsynchronisation grundsätzlich nicht gut, da hier die natürlichen Abläufe von außen gesteuert werden und die Sauen an die Haltungsumstände und Betriebsabläufe angepasst werden. Wenn allerdings Hormone oder Substitute eingesetzt werden, dann sollten Anstelle von PMSG unbedingt alternative Substanzen in Betracht gezogen werden. Vorzuziehen sind dem gegenüber aber immer sogenannte zootechnische Methoden.

„Eine moderne und wirtschaftliche Ferkel“produktion ohne PMSG-Einsatz ist möglich.“ Zu diesem Ergebnis kam das zweijährige Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz-Projekt, „Wissenstransfer zu Alternativen von PMSG/eCG in der Sauenhaltung“. Das Projekt führten die Justus-Liebig-Universität Gießen, und die Universität Leipzig unter der Federführung von Prof. Dr. Axel Wehrend und Prof. Dr. Johannes Kauffold im Verbund durch.

Die MuD Tierschutz werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Sie dienen der Einführung neuer Erkenntnisse der Nutztierwissenschaften in die landwirtschaftliche Praxis mit dem Ziel der Verbesserung des Tierschutzes auf Betriebsebene. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) übernimmt die Projektträgerschaft.

Diese Islandstute darf ihr Fohlen gut versorgt und behütet aufziehen.
Diese Islandstute darf ihr Fohlen gut versorgt und behütet aufziehen.
© Angelika Schmelzer

Das Projekt kam zu dem Ergebnis, dass eine synchrone Rausche bei Sauen zum Beispiel durch eine gezielte Fütterung und ein bestimmtes Lichtmanagement sowie durch den Kontakt zu anderen rauschenden Sauen und einem potenten Eber erreicht werden kann und damit dieses sogenannten zootechnische Verfahren sehr wirkungsvolle Alternativen zu Hormonbehandlungen darstellen. In den durch das Projekt entstandenen Infomaterialien werden sowohl PMSG-Ersatzprodukte wie auch die alternativen Möglichkeiten zur Brunftsynchronisation erläutert. PMSG-Nutzerbetriebe wussten in der Regel nicht um die Herkunft des Wirkstoffes. Bis dahin war ein Verzicht auf PMSG eher aus praktischen Gründen (nicht zu viele Injektionen pro Sau) oder wirtschaftlichen (PMSG ist relativ teuer) in Betracht gezogen worden. Die neu erlangte Kenntnis bewirkte eine erhöhte Bereitschaft zur Umstellung auf Alternativen.

Durch die Blutfarmen wird das Leid, das mit der industriellen Intensivtierhaltung einhergeht, noch weiter potenziert. PROVIEH hofft, dass in Zukunft immer mehr Landwirte auf PMSG verzichten und fordert ein Verbot von Blutfarmen in Europa. 

Kathrin Kofent

Danke!

Wir danken der Animal Welfare Foundation für ihre umfassenden Recherchen zu Stutenblutfarmen! Ohne Ihre wertvolle Arbeit wäre diese unfassbare Tierquälerei vermutlich niemals so sehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.animal-welfare-foundation.org/projekte/blutfarmen und YouTube: Island – Land der 5.000 Blutstuten

Dieser Artikel ist im PROVIEH-Magazin „respektiere leben.“ 02-2022 erschienen.

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