Ein Jahr nach Alt Tellin – noch immer keine Aufklärung

Ein Jahr ist es her, dass die unfassbaren Bilder der brennenden Schweinezucht-Ställe in Alt Tellin durch die Medien gingen. Mehr als 50.000 Schweine wurden bei dem Feuer getötet. Kritiker hatten seit Beginn der Bauplanungen für die gigantische Anlage behauptet, dass die Brandschutzvorkehrungen völlig unzureichend seien – und die Realität gab ihnen am 30. März 2021 recht.

Zehntausende Tiere qualvoll verbrannt 

Die Katastrophe hat eklatante Mängel im geltenden Brandschutzrecht für Ställe deutlich gemacht. Von allen Seiten – NGOs, Landwirtschaftsministerium, Sachverständige und Gutachter, selbst vom Betreiber – war kurz nach dem Brand klargestellt worden, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gibt. Doch was hat sich seitdem getan? Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus war immer wieder vorgeworfen worden, sich als Minister nicht genug gegen die Anlage gestellt zu haben, sondern den Bau sogar noch über die landeseigene Gesellschaft unterstützt zu haben. Er hat in einer langen Pressemitteilung bereits in der vergangenen Woche Bilanz gezogen: Auch ein Jahr nach dem grauenvollen Brand hat sich so gut wie nichts verändert. Seine Bemühungen sind ehrenwert aber bisher nicht zielführend. 

„50.000 Lebewesen – bei lebendigem Leibe elendig verbrannt. Noch ist unklar, ob die Anlage absichtlich in Brand gesteckt wurde oder ob „nur“ mangelhafter Brandschutz die Ursache war. Fakt bleibt jedoch: Niemals darf sich so etwas wiederholen!“, so Patrick Müller, Hauptstadtreferent von PROVIEH. „Doch noch immer stehen industrielle Tierhaltungsanlagen dieser Art überall in Deutschland. Der beste Zeitpunkt diese zu schließen wäre sofort!“ 

Die Politik muss handeln 

Deutlich zeigt sich am Beispiel Alt Tellin, dass der Brandschutz in deutschen Ställen sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsbauten dringend verbessert werden muss. Doch bisher hat sich wenig getan. Die politisch Verantwortlichen müssen handeln, nötig wäre eine umfassende Reform des Baurechtes, um Ställen nur noch dann eine Betriebsgenehmigung zu erteilen, wenn der Brandschutz und eine Rettung möglichst aller Tiere sichergestellt sind. Die Möglichkeit kostengünstig zu bauen, darf hier nicht vor den Schutz des Lebens gestellt werden. Auch ein Jahr nach der Katastrophe sind die Verursacher nicht klar benannt. Bestätigt wurde von der Staatsanwaltschaft Stralsund lediglich, dass es sich nicht um einen technischen Defekt gehandelt hat. Es war Brandstiftung, ob fahrlässig oder mutwillig ist noch unklar. Die Ermittlungen dazu werden auch noch bis mindestens Mitte des Jahres 2022 dauern, so die Staatsanwaltschaft. Diese Ermittlungsergebnisse wollen alle Beteiligten abwarten, um ihre Schlüsse zu ziehen und Konsequenzen folgen zu lassen.  

Hintergrund 

Die Anlage in Alt Tellin wurde im Jahr 2010 von dem niederländischen Investor Adrijanus Straathof gebaut und in Betrieb genommen. Jedoch bekam Straathof 2016 ein endgültiges Tierhaltungsverbot in Deutschland auferlegt, da er in mehreren seiner Anlagen erheblich und mehrfach gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hatte. Im Nachgang wurden alle Anlagen an die LFD Holding, später an die Terra Grundwerte AG verkauft, bei der unklar ist, in wessen Eigentum sie sich befindet. Auch die Anlage Alt Tellin stand mehrfach in der Kritik und hat vielfältige Proteste hervorgerufen, an denen auch PROVIEH beteiligt war. Zudem ist bis heute eine Klage gegen die Betriebsgenehmigung nicht endgültig entschieden, die 2012 vom BUND und der Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ eingereicht worden war. Die Klage richtet sich sowohl gegen die in Alt Tellin umfangreich im Einsatz befindlichen Kastenstände als auch gegen das unzureichende Brandschutzkonzept. Die Nutzung von Kastenständen, wie sie in der Anlage in Alt Tellin verbaut waren, wird in Zukunft durch die geänderten Haltungsvorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung massiv eingeschränkt werden – die Anlage hätte also in den nächsten Jahren umgebaut werden müssen. Dies ist nun durch das Feuer obsolet. Und: ein solches Inferno kann sich jederzeit wiederholen, auch weitere Ställe sind nicht nur aus Tierschutz- sondern auch aus Brandschutzsicht völlig unzureichend. 

29.03.2022 

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