Vogelgrippe: Aufstallungspflicht für private Halter verhältnismäßig?
Kiel, 11.11.2020
Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe oder aviäre Influenza (AI) genannt, ist in an vielen Orten in Schleswig-Holstein aufgetreten. Die zuständige Veterinärbehörde ordnete die Stallpflicht mit einer Frist von 24 Stunden für das ganze Land an. PROVIEH appelliert an die Behörden, mutmaßlich kranke Bestände nicht aus Vorsicht zu keulen und zweifelt den Nutzen einer Stallpflicht für private Geflügelhalter an.
Die Ursachen der hochpathogenen Geflügelpest sind in der Intensivmast bei Hühnern, Puten und Enten zu suchen. In Geflügelhochburgen mit einem starken Vernetzungsgrad zwischen Brut-, Mast- und Schlachtbetrieben herrscht das mit Abstand größte Risiko, dass sich aus niedrigpathogenen hochpathogene AI-Viren entwickeln können, die sich dann in der Enge der Tierhaltung unter den Tieren rasend schnell verbreiten können. Auch durch menschlichen Kontakt mit dem Geflügel, Futter, Mist und Fahrzeugen, die von Stall zu Stall fahren, wird das Virus weitergetragen. Die Geflügelpest verläuft in einer hochpathogenen Form tödlich für Vögel wie Hühner und Puten. Wildvögel tragen ebenfalls zur Verbreitung der Geflügelpest bei, allerdings tragen sie meist niedrigpathogene Viren, sofern sie sich nicht beispielsweise über Mist aus einem Maststall angesteckt haben. Sind Geflügelbetriebe frei von der Vernetzung mit anderen Geflügelbetrieben, sind sie gut geschützt vor dem Eintrag von hochpathogenen AI-Viren. Das gilt auch für Betriebe mit Freilandhaltung von Geflügel. Die Aufstallungspflicht für dieses Geflügel ist also überflüssig.
Wird die Erkrankung in einem Bestand festgestellt, resultiert daraus oft die Keulung von tausenden von Tieren. Auch wenn andere Betriebe nur nahe am Infektionsgeschehen stehen, werden die Tiere dort vorsichtshalber ebenfalls getötet und entsorgt. PROVIEH ermahnt die Behörden, nicht voreilig zu handeln.
„Durch die Ballung von vielen riesigen Geflügelbeständen und die Nutzung von empfindlichen Hochleistungsrassen können sich Krankheiten leicht verbreiten“, sagt Mareike Petersen, Fachreferentin für Geflügel bei PROVIEH. „Wir hoffen, dass die Geflügelpest milde verläuft und nicht wie Jahre zuvor erneut die Systemfehler der Geflügelwirtschaft aufzeigt. Die Leidtragenden der übereilten Vorsichtmaßnahmen sind in erster Linie die Tiere.“
Kleine Geflügelhalter und ihre Tiere für die Verfehlungen der Geflügelindustrie zu bestrafen scheint schlicht falsch. Wenn freilaufendes Geflügel wochenlang tags und nachts im Stall bleiben muss, brechen unweigerlich Rang- und andere Kämpfe aus, die tödlich enden können, denn die Unterlegenen können den Überlegenen nicht ausweichen wie sonst im Freiland. Die kleinen Betriebe sollten auf eine besondere Hygiene achten, um ihre Bestände zu schützen und Kontakt zu anderen Haltern und Betrieben meiden.
Ansprechpartnerin
Anja Höhne
Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft, Schwerpunkt Geflügel
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