Kälber
2023 wurden in Deutschland rund 2,26 Millionen Kälber bis zum Alter von einschließlich acht Monaten gehalten.
Kälber kommen zum einen auf Milchviehbetrieben und zum anderen in Mutterkuhherden zur Welt. Entweder verbleiben sie auf den Milchviehbetrieben oder sie werden der Zucht oder Mast zugeführt. In Abhängigkeit dieses Ursprunges und der weiteren Zweckbestimmung unterscheiden sich die Lebensbedingungen der Kälber sehr.
Die meisten Kälber werden auf Milchviehbetrieben geboren, denn nur wenn eine Kuh regelmäßig ein Kalb bekommt, gibt sie Milch. Üblicherweise bekommt eine Milchkuh jährlich ein Kalb, sodass aus den nicht ganz vier Millionen Milchkühen auch an die vier Millionen Kälber entspringen. Jedoch verbleiben nur 30 bis maximal 40 Prozent der weiblichen Kälber auf den Milchviehbetrieben, um ausgemusterte Milchrinder in den Betrieben zu ersetzen (Remontierung). Der Rest der weiblichen Kälber und alle männlichen Kälber werden üblicherweise nicht auf den Milchviehbetrieben gemästet, sondern im Alter von vier Wochen an Kälber- oder Rindermastanlagen verkauft.
Die Kälber der Mutterkuhherden sind für die Rindermast bestimmt. Ihnen ist eine gemeinsame Aufzucht mit den Mutterkühen vergönnt und sie werden erst nach dem Absetzen mit sechs bis elf Lebensmonaten an die Rindermastbetriebe verkauft.
Grundbedürfnisse
Die Bedürfnisse eines Kalbes unterscheiden sich in Abhängigkeit der Lebensphasen sehr. Im Gegensatz zur menschlichen Entwicklung, kommen Kälber ohne eigene Immunabwehr zur Welt. Unmittelbar nach der Geburt ist das Kalb in einer besonders sensiblen Phase und bedarf einer sehr guten Versorgung mit der wertvollen Kollostralmilch. Diese liefert die lebensnotwendigen Immunglobuline. Die Milch der eigenen Mutter bietet dabei den passendsten, besten Schutz. Dieser ist umgebungsspezifisch angepasst und schützt das Neugebore gezielt vor betriebsspezifischen Erregern. Studien haben sogar gezeigt, dass zusätzlich das Saugen an der Kuh und die mütterliche Zuwendung eine positive Auswirkung auf die Gesundheit der Kälber hat. Die über das Kollostrum erlangte passive Immunität wird abgelöst von der immunologischen Lücke – einem Übergangzustand in die aktive Immunität und dann eigens gebildeten Antikörpern. Diese Phase zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche macht die Kälber besonders sensibel für Erreger und Stress jeglicher Art.
Nach einer Tragzeit von in etwa neun Monaten kommen zwei Drittel aller Kälber nachts zur Welt, wenn die Kühe ihre Ruhe haben. Unmittelbar nach der Geburt leckt die Kuh ihr Neugeborenes intensiv ab. Das Lecken reinigt das Fell, kurbelt den Kreislauf an und dient der Bindung zwischen Kuh und Kalb. Manche Kälber sind schon nach einigen Minuten auf den Beinen, andere brauchen deutlich länger. Üblicherweise stehen und trinken die Kälber innerhalb der ersten Stunde. In den ersten Tagen gibt die Kuh die besonders wertvolle Kolostralmilch. Diese enthält die sogenannten Immunoglobuline, mit denen das Kalb in den ersten Lebenswochen ein eigenständig funktionales Immunsystem aufbaut. Schon wenige Stunden nach der Geburt erkennt die Kuh ihr eigenes Kalb am Geruch, nach etwa einer Woche an den Lautäußerungen und nach einer weiteren Woche am Aussehen. Im natürlichen Herdenverband von Rindern säugen Muttertiere ihr Kuhkalb im Schnitte Kalb acht bis neun und ihr Bullenkalb sogar bis zu zwölf Monate lang und in den ersten zwei Lebenswochen bis zu sechs bis zwölf Mal am, danach vier bis sechs Mal täglich. Es entwickelt sich eine starke soziale Bindung zur Mutter, die auch über die Geburt des nächsten Kalbes hinaus, oft sogar lebenslang, fortbesteht. Zudem lernen die Kälber viel vom erwachsenen Tier, indem sie sich soziale Verhaltensweisen, Nahrungs- und Wasseraufnahme und Rangkämpfe abschauen.
Die muttergebundene Kälberaufzucht ist allerdings nicht die Regel. Die Kälber der rund 3,8 Millionen Milchrinder in Deutschland werden üblicherweise unmittelbar nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt. Sie erhalten das Kollostrum der Mutter oder eine vorliegende Mischung aus der Flasche beziehungsweise dem Nuckeleimer und werden ab dann durch die Tierhalter:innen getränkt.
Das vollständige Sehvermögen eines Kalbes entwickelt sich innerhalb der ersten Tage. In den ersten zwei Lebenswochen schläft das Kalb sehr viel. Später finden sich die Kälber unter natürlichen Bedingungen tagsüber in Gruppen – sogenannten Kindergärten – zusammen und üben ihren starken Spiel- und Bewegungstrieb aus. Nach rund zehn Tagen beginnen Kälber damit, Rau- beziehungsweise Grünfutter aufzunehmen, können dies aber noch nicht verdauen und nehmen ausschließlich Nährstoffe über die Milch auf. In den ersten vier bis sechs Lebenswochen arbeitet nur der Labmagen über den Schlundrinnenreflex. Die anderen sogenannten Vormägen, also Pansen (Rumen), Netzmagen (Reticulum) und Blättermagen (Psalter) entwickeln sich erst allmählich (bis zum vollendeten ersten Lebensjahr) vollständig.
Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) schreibt lediglich ein zweimaliges Füttern am Tag vor. Dies ist im Vergleich zu der natürlichen Trinkhäufigkeit am Euter von vier bis zwölf Malen sehr wenig. Viele Landwirte praktizieren aus arbeitswirtschaftlichen Gründen und um Futterkosten zu sparen diese Form der Versorgung mit zwei bis drei Litern Vollmilch oder Milchaustauscher pro Mahlzeit aus Nuckel- oder Tränkeeimern. Da die Kälber sehr hungrig sind, trinken sie relativ hastig. Dieses Verhalten sowie die hohe Menge pro Gabe verursachen Verdauungsprobleme und Durchfälle. Da mit den oft üblichen sechs Litern am Tag (natürlicherweise trinken Kälber bis zu zwölf und mehr Liter insgesamt) zu wenig gefüttert wird, nehmen die Tiere schlechter zu und zeigen insgesamt eine geringere Widerstandsfähigkeit. Untersuchungen mit Tränkeautomaten oder anderen Formen der Ad Libitum oder Abruffütterung sichern hingegen eine gute Versorgung bei einer optimalen Milchmenge von bis zu zwölf Litern und beliebig oder bis zu neun Trinkperioden (bei Abruffütterung) sehr viel zufriedenere und gesündere Tiere als bei geringeren Mengen und Perioden.
In den ersten Lebensmonaten können Kälber ihre Körpertemperatur nur eingeschränkt selbst regulieren. Aus diesem Grund ist unbedingt eine trockene, gut isolierende Liegefläche anzubieten. Ideal ist eine Stroheinstreu, die den Kälbern ermöglicht bequem auszuruhen. Im Winter sind Kälberdecken zu empfehlen. Zudem sind die Klauen der Kälber anfangs sehr weich, so dass ein planer, weicher Untergrund essenziell ist. Die optimale Umgebungstemperatur liegt zwischen fünf und 20 Grad. Bei der Geburt ist die Lunge des Kalbes noch nicht voll entwickelt. Eine Unterbringung frei von Zugluft bei gleichzeitig guter Luftqualität ist deshalb sehr wichtig. Darüber hinaus ist eine einwandfreie Stallhygiene von großer Bedeutung, weil Kälber sensibel mit Durchfallerkrankungen auf Keime und Schadstoffe reagieren.
Die Bedürfnisse von Kälbern sind sehr anspruchsvoll und die erfolgreiche Aufzucht erfordert Arbeitszeit, Erfahrung, Gespür und gute Arbeitsabläufe. Leider ist die Kälbersterblichkeit auf deutschen Höfen zum Teil erschreckend hoch. Je nach Betrieb liegt die Sterblichkeit bei insgesamt 2 bis 25 Prozent und im Durchschnitt bei um die 12 Prozent. 90 Prozent der Todesfälle in der Kälberhaltung geschehen während der ersten vier Lebenswochen. Zur Vermeidung von Totgeburten sollten bereits die Muttertiere bestmöglich versorgt, beobachtet und untergebracht werden.
Die Hauptodesursache in der Kälberaufzucht sind Durchfallerkrankungen. Über die Hälfte aller Todesfälle gehen darauf zurück. Lungenerkrankungen sind mit 25 Prozent die zweitgrößte Todesursache. Hinzu kommen die Folgeschäden, wenn diese überstanden sind. Weitere Ursachen für den Tod der Kälber sind Nabelentzündungen, Lebensschwäche, Sauerstoffmangel, Beugesehnenverkürzungen, Nabelbrüche und Missbildungen.
Zucht
Durch die einseitige Zucht auf Milchleistung weisen die Kälber der Milchrassen genetisch bedingt einen eher zierlichen Körperbau mit einem geringen Muskelanteil auf. Die Masterfolge sind deutlich kleiner als bei Zweinutzungs- und Fleischrassen. Daraus ergibt sich ein erheblich geringerer Marktwert dieser Kälber. Regelmäßig werden in der Presse Vermutungen geäußert, dass Landwirte männliche und lebensschwache weibliche Kälber vernachlässigen, da sich deren Pflege und tierärztliche Behandlung nicht rechnet. Tatsächlich zeigen stichprobenweise erhobene Daten einiger tierärztlicher Universitäten, dass die „Sterblichkeitsrate“ der männlichen Kälber von Milchviehrassen deutlich höher ist als bei den weiblichen Tieren.
Haltungsbedingungen
In Deutschland gibt es rund 130 Mäster, die jährlich an die 280.000 Kälber aufziehen. Bei der “Mast ab Kalb” werden vor allem Kälber aus Milchviehherden ab dem 28. Tag zu den Mastbetrieben transportiert. Die “Mast ab Starter” beginnt mit etwa zwei Monaten. In beiden Verfahren erhalten die Kälber zunächst noch Milch oder Milchaustauscher und werden später mit Silage und Rindermastfutter (in der Regel Getreide, Soja, sowie einer Vitamin-Mineralstoff-Spurenelementemischung) gemästet. In der “Kälbermast” werden Kälber im Schnellmastverfahren 16 Monate lang und in der “verlängerten Mast” 20 bis 28 Monate gemästet. Das Fleisch der Tiere darf allerdings nur als “Kalbsfleisch” bezeichnet werden, wenn das Tier zum Zeitpunkt der Schlachtung nicht älter als acht Monate gewesen ist. 2019 wurden in Deutschland 300.000 Kälber geschlachtet.
Ein Großteil der „überschüssigen“ Kälber aus Deutschland wird in die Niederlande und Spanien sowie nach Italien transportiert und dort ausgemästet.
Im Gegensatz zu Milchrindern und Mastrindern bestehen für Kälber detaillierte Haltungsvorgaben. So müssen Kälber entsprechend der europäischen Gesetzgebung und seit 1992 gemäß der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) untergebracht und versorgt werden. Diese Verordnung enthält jedoch lediglich Mindestanforderungen zum Platzangebot und zur Versorgung, die den Kälbern und ihren Bedürfnissen nur rudimentär entsprechen.
Mindestens die ersten zwei Lebenswochen werden die Milchvieh-Kälber aus arbeitswirtschaftlichen und hygienischen Gründen meist einzeln in Boxen in sogenannten Iglus aufgestallt. Spätestens im Alter von acht Wochen (gesetzliche Vorgabe) werden die jungen Kälber in Gruppen untergebracht. Großzügige Haltungsformen wie moderne Zweiraum-Stallsysteme mit eingestreuten Liegeflächen sind selten und hauptsächlich für die weibliche Nachzucht vorgesehen.
Krankheiten/Probleme
Laut Tierschutzgesetz darf das Enthornen beziehungsweise Veröden der Hornanlage nur bei unter sechs Wochen alten Kälbern durchgeführt werden. Sind die Tiere 42 Tage alt oder älter, ist das Enthornen nur noch nach tierärztlicher Indikation (zum Beispiel bei einer Verletzung am Horn oder ähnlichem) erlaubt. Mittlerweile ist auch die Gabe von einem für diesen Zweck zugelassenen Schmerzmittel in einigen Bundesländern Pflicht, wenn ein Landwirt Kälber bis zum Alter von sechs Wochen (§ 5, 6 TierSchG) selbst enthornt. Bei den Kälbern werden die Hornanlagen mit einem Brennstab ausgebrannt und dabei zudem die Nerven- und Blutbahnen verödet. Je nach Bundesland kann überdies eine Sedierung durch ein Beruhigungsmittel Pflicht sein. Die Kälber zeigen sich nach diesem Eingriff mitunter traumatisiert und in der Regel deutlich verängstigt. Viele Kälber weisen weit über den Eingriff hinaus chronische Schmerzempfindungen auf.
Jene Kälber, die nicht auf den Milchvieh-, Mutterkuh- oder Zuchtbetrieben verbleiben, werden bereits mit vier bis sechs Wochen von Sammelstellen mittels Sammeltransporten in die Mastanlagen transportiert. Durch die unterschiedlichen Herkunftsbetriebe bringen sie ein vielfältiges Keimspektrum mit. In dieser Zeit sind die Kälber durch das nicht ausgereifte Immunsystem ohnehin sehr krankheits- und infektanfällig. Auf dieser Grundlage setzen ihnen die multiplen Stressoren des Standortwechsels, des Transportes ohne Futterversorgung und des Fütterungs- und Haltungswechsels sowie die neue Gruppenzusammensetzung stark zu. Die Folge ist ein sehr hoher Antibiotikaeinsatz in der Kälbermast. Die Antibiotika werden häufig bereits bei den Sammelstellen oder den Viehhandelsunternehmen verabreicht. Da diese nicht der Mitteilungspflicht unterliegen, können diese Gaben nicht vom Antibiotikaminimierungskonzept erfasst werden.
Das Kälbermastverfahren kann zwischen der Weiß- und der Rosa- Kalbfleischerzeugung unterschieden werden. Ein Großteil der Kälber wird gezielt auf weißes Fleisch gemästet, indem sie zu großen Teilen mit Milchaustauscher und nur zu einem minimalen Teil mit faserreichem Raufutter gefüttert werden. Als Folge der falschen Fütterung mit zu wenig Raufutter und der absichtlich unzureichenden Eisenversorgung in Kombination mit multifaktoriellem Stress des intensiven Mastverfahrens haben durchschnittlich 80 Prozent der Kälber in der EU-Weißmast Labmagengeschwüre, die zum Teil erhebliche Schmerzen verursachen.
In der Rosa-Kalbfleischerzeugung werden die Kälber zunächst mit Milchaustauscher gefüttert, erhalten aber ca. ab der siebten Mastwoche zusätzlich konzentrierte Futtermittel sowie als Raufutter Maissilage und Stroh. Das Fleisch ist dunkler als das der Weiß-Kalbfleischerzeugung.
In beiden Verfahren ist bis jetzt noch die Haltung auf Beton- oder Bongossiholzspalten (Holzspalten aus Tropenholz) üblich. Diese Böden sind kalt und hart und werden durch Kot und Urin schnell rutschig. Kälber lieben es zu galoppieren, zu buckeln und mit Artgenossen zu spielen. Auf den beschriebenen Böden kann aber weder das erhöhte Wärmebedürfnis gedeckt noch das ausgeprägte Erkundungs- und Spielverhalten ausgeübt werden. Durch die Änderung der TierSchNutztV im Februar 2021 ist eine Verbesserung für die Haltung von Kälbern ab dem 9. Februar 2024 zu erwarten. Bislang mussten die Liegeflächen der Kälber lediglich trocken sein. Nun wurden in der Neuerung die Eigenschaften „weich oder elastisch verformbar“ zugefügt (Übergangsfrist beträgt drei Jahre ab Verkündung der Verordnung im Februar 2021).
Neben gesundheitlichen Problemen durch falsche Ernährung und einem schlechten Haltungsumfeld und -management kommt es in der Kälberhaltung häufig zu Verhaltensproblemen. Die erste eindeutige Verhaltensauffälligkeit ist das gegenseitige Besaugen. In der natürlichen Aufzucht säugt die Mutterkuh ihr Kalb in regelmäßigen Abständen mit vier bis zwölf Mahlzeiten am Tag. Bei der konventionellen Kälberaufzucht ist es üblich, dass die Kälber aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nur zwei- bis maximal dreimal am Tag getränkt werden. Diese Zeit ist zu kurz, um das Saugbedürfnis der hastig trinkenden Kälber zu befriedigen. Daher besaugen sich die Kälber in der mutterlosen Aufzucht innerhalb der Kälbergruppen gegenseitig an der Euterregion, dem Hodensack, dem Nabel, dem Maul, an den Ohren sowie am Schwanz oder trinken den Urin anderer Kälber. Zudem belecken und beknabbern sie die dafür ungeeignete Stalleinrichtung. Die Aufnahme von Haaren, Urin sowie Holz- oder Kunststoffpartikeln beim Saugen und Beknabbern wirken sich negativ auf Verdauung und Wachstum aus. Die besäugten Kälber tragen zudem Verletzungen und Infektionen davon, die teilweise zu bleibenden Leiden und Schäden führen.
Weitere Verhaltensstörungen sind das Zungenrollen und Zungenschlagen, was anstelle der in der intensiven Stallhaltung unterdrückten Verhaltensweise des Grasens auftritt. Dieses Verhalten ist insbesondere bei mutterlos aufgezogenen Kälbern mit geringem Rohfaseranteil in der Futterration zu beobachten. Auch ein zu schnelles Absetzen der Kälber bei schlechtem Energieaustausch durch andere Futtermittel spielt bei den Verhaltensauffälligkeiten eine Rolle.
PROVIEH fordert
Kälber sind keine Wegwerfware!
Die Aufzucht von Kälbern in Menschenhand ist sehr arbeitsintensiv und erfordert ein hohes Maß an Erfahrung, Gespür sowie genaue Abläufe. Ein bestmögliches Geburtsmanagement sowie eine engmaschige Einzeltierkontrolle sind unerlässlich für die Gesundheit der Kälber. So können viele unnötige Todesfälle und gesundheitliche Beeinträchtigungen verhindert werden. Unerlässlich ist eine gute Versorgung mit Kolostralmilch, dem Bedarf angepassten Milchmengen sowie Fütterungshäufigkeiten. Ebenso sorgen eine optimale Stallhygiene und eine gute Klimatisierung für gesündere Kälber. So könnten jährlich mehrere hunderttausend Kälber vor einem unnötigen nicht selten qualvollen Tod bewahrt werden.
Durch breitere Zuchtziele und die Rückkehr zum Zweinutzungsrind bekämen auch die männlichen Kälber der Milchkühe mehr Wert. Transporte sollten durch Aufzucht auf dem Herkunftshof selbst oder zumindest auf Höfen in der Region auf ein Minimum beschränkt werden. Durch die Erhöhung der Zwischenkalbezeit werden insgesamt weniger Kälber geboren und so kurzfristig Abhilfe geschaffen.
Keine Amputationen! Keine Amputationen – Horn und Stert gehören zum Rind!
Das Enthornen und die Schwanzspitzenentfernung sind tiefgreifende, äußerst schmerzvolle und stressige Eingriffe an dem Tier und widersprechen dem Tierschutzgesetz, weil sie allein durch Verbesserungen der Haltungsbedingungen vermieden werden könnten. Sollte das Enthornen in Ausnahmefällen zwingend erforderlich sein, muss jedes Tier ausnahmelos und kontrollierbar betäubt werden. Dies muss von einer mit Sachkunde betreuten Person durchgeführt werden und unter Schmerzausschaltung sowie anschließender Schmerzlinderung. Viele europäische Mitgliedsstaaten fordern bereits eine ausnahmslose Betäubung, doch Deutschland lässt bis auf wenige Ausnahmen in einigen Bundesländern (wie auch viele andere Amputationen in der Nutztierhaltung) in den ersten Lebenswochen dieses schmerzhafte Verfahren unbetäubt zu (Stand September 2023).
Kuhgebundene Kälberaufzucht!
Zum artgemäßen Verhalten von Rindern gehört die gemeinsame Aufzucht von Kühen mit ihren Kälbern. Sowohl die Mutterkuhhaltung in der Fleischrinderaufzucht als auch die kuhgebundene Kälberaufzucht in der Milchkälberaufzucht sollten die natürliche und übliche Aufzuchtform sein. Kuh und Kalb genießen die Zweisamkeit und den sozialen Kontakt ungemein, Kuh- und Kälbergesundheit sind verbessert, außerdem bekommt das Kalb so mehr und regelmäßiger Milch, wodurch sich sein Magen-Darm-Trakt besser entwickelt und das Kalb außerdem durch eine großzügige Tränke durch die sogenannte metabolische Programmierung langfristig gesundheitlich profitiert.
Genaueres zur wertvollen Kälberaufzucht ist unter PROVIEHs Kampagne „KUH & KALB“ zu finden.
Keine Isolationshaltung!
Kälber lernen von ihren Müttern und der Herde wichtige Verhaltensweisen und finden sich leichter in das Sozialgefüge ein, wenn sie muttergebunden aufwachsen. Wo keine mutter- oder zumindest ammengebundene Aufzucht möglich ist, muss eine Isolationshaltung der Kälber durch mindestens paarweise Haltung in Iglus mit Auslauf und eine schnellstmögliche Gruppenhaltung angestrebt werden.
Artgemäßes Futter!
Essenziell für das Wohlergehen von Kälbern sind eine gute Grundversorgung mit Kolostralmilch und mehrmaligen, besser noch unbeschränkten Säugezeiten pro Tag. Wasser sollte ab dem ersten Lebenstag bereitgestellt werden und Raufutter (am besten hochwertiges Heu) ab dem achten Lebenstag zur Verfügung stehen. Das gesetzlich vorgeschriebene zweimalige Tränken am Tag mit Milch/Milchaustauscher ist absolut unzureichend. Kälber sollte in den ersten Lebenswochen ad libitum, das heißt, eine nicht begrenzte Milchmenge zur Verfügung stehen, damit sie sich satt trinken und ihr Saugbedürfnis stillen können. Die ausreichende Fütterung von Raufutter ist unerlässlich für die Entwicklung des komplexen Vormagen- Verdauungssystems, insbesondere des Pansens. Zudem sollten Kälber bestmöglich mit Mineralien, insbesondere mit Eisen und Kupfer versorgt werden.
Mehr frische Luft und Bewegungsfreiheit!
Wünschenswert sind Weidemastverfahren, Kälberausläufe oder zumindest Kombi-Stallsysteme aus mit Stroh eingestreuten Liegeflächen und einem planbefestigten, möglichst trockenen, rutschfesten Lauf- und Fressbereich. Die Haltung auf Vollspalten ist, auch mit Gummiauflagen wie sie ab 2024 verpflichtend werden, inakzeptabel. Kälber haben einen großen Bewegungsdrang: ausreichend Fläche und ein geeigneter trittsicherer Boden müssen es ihnen ermöglichen, zu rennen, zu springen und zu toben! Gleichzeitig müssen Aktivitäts- und Ruhebereiche funktional voneinander getrennt sein. Atemwegserkrankungen gehören zu den größten gesundheitlichen Problemen von Rindern und entstehen in erster Linie durch stickige Haltungen, in denen bereits die Kälber auf mistigen Strohmatten oder direkt über Jauchegruben leben und durch Schadgase erkranken. Kälber brauchen frische Luft und Haltungen mit gutem Luftaustausch.
Beschäftigungsmaterial!
Scheuerbürsten, Raufutterstationen und beispielsweise sogenannte Heutoys tragen dem Erkundungsbedürfnis und dem Spiel- und Bewegungsdrang der Tiere Rechnung. Ausläufe und noch besser Weiden mit Witterungsschutz wie Hecken und Grüninseln bieten gesundheitsfördernde Außenreize und zusätzliche Bewegungs- und Erkundungsmöglichkeiten.
Hier finden Sie unseren Text über Kälber mit Quellenangaben als pdf-Datei zum Download:
Der Kälberhelfer
Ein schneller Praxis-Leitfaden für mehr Kälberwohl