Kein großer Wurf – Agrarminister:innen können sich nur auf Minimalkonsens einigen
Herbst-Agrarministerkonferenz
Heidelberg, 26. September 2025
Die Agrarminister:innen von Bund und Ländern trafen sich am 26.09.2025 turnusgemäß zur Herbst-Agrarministerkonferenz (AMK) in Heidelberg unter dem Vorsitz des baden-württembergischen Ministers für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk. Als eine von drei eingeladenen Tierschutzorganisationen nahm PROVIEH am AMK-Verbändegespräch teil – einem Forum in dem Vertreter:innen aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft, Tier- und Naturschutzorganisationen und ländlichen Interessensvertretungen das Wort an die Politik richten. PROVIEH nutze die Chance und appellierte an die Minister:innen, Chancen für Verbesserungen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu nutzen und Rückschritte zu verhindern. Insbesondere machte PROVIEH sich dafür stark, dass das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz nicht erneut auf die lange Bank geschoben und damit vielleicht ganz zu den Akten gelegt wird sowie dafür, dass der überraschende Wegfall des Bundesprogramms zum Umbau der Tierhaltung (BUT) durch andere Fördermittel aufgefangen wird. Nur durch dieses Zusammenspiel können tatsächliche Verbesserungen für „Nutztiere“ und Planungssicherheit für reformwillige Landwirt:innen erreicht werden.
Tierhaltungskennzeichnungsgesetz weiter in Gefahr
13 der 16 Agrarminister:innen stellten den Mehrwert des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes (THKG) in seiner jetzigen Form grundlegend in Frage und sprachen sich für eine weitere Verschiebung des Eintritts des THKG über März 2026 aus. Einzig die grünen Agrarminister:innen Niedersachsens, Bremens und Hamburgs setzten sich für die verpflichtende Haltungskennzeichnung ein. Sie erklärten, dass aufgrund der geplanten Änderung des BUT eine Kennzeichnungspflicht wichtiger sei denn je, damit Bemühungen für Tierwohl auf dem Markt honoriert würden. Eine Überarbeitung des Gesetzes solle noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen und die Ausweitung auf verarbeitete Waren und den Außer-Haus-Verzehr, die Möglichkeit des Downgradings (= Vermarktung von tierischen Lebensmitteln aus besseren Haltungsstufen in niedrigeren Haltungsstufen) und die Einbeziehung ausländischer Produkte berücksichtigen.
Hintergrund
Das THKG ist bereits seit 2023 in Umsetzung begriffen, zunächst nur für frisches Schweinefleisch und ist bislang freiwillig. Nach Kritik von verschiedenen Seiten und dem Ruf nach einer Reform des Gesetzes, wurde die Übergangsfrist für die verpflichtende Haltungskennzeichnung von August 2025 bis März 2026 verlängert. PROVIEH und andere Tierschutzverbände fordern, dass das Gesetz zwar reformiert, der verbindliche Start jedoch nicht weiter herausgezögert werden sollte.
Minister:innen fordern Aufstockung der Tierwohl-Mittel ab 2027
Einig waren sich die Minister:innen dahingehend, dass der Wegfall des Bundesprogramms zum Umbau der Tierhaltung durch andere Fördermittel abgefangen werden muss. So forderten die Länder den Bund auf, die Tierwohl-Mittel ab 2027 aufzustocken und in enger Abstimmung mit den Ländern einen neuen Förderrahmen zu entwickeln. Die grüngeführten Agrarressorts übten zudem Kritik an der fehlenden Abstimmung mit den Ländern und der dadurch entstehenden Planungsunsicherheit.
Stillstand beim Kupierverzicht
Es muss endlich Bewegung in die Umsetzung des Kupierverzichts kommen – zumindest in diesem Punkt stimmt PROVIEH mit den Agrarminister:innen überein. Die Länder einigten sich jedoch lediglich darauf, dass „zeitnah gemeinsam praxisgerechte Lösungsansätze“ erarbeitet werden sollen. Dieser vorsichtige Minimalkonsens weckt wenig Hoffnung auf Fortschritt. Dabei ist das routinemäßige, vorbeugende Kupieren bei Schweinen schon seit 1991 EU-weit verboten und es gibt bereits viele Lösungsansätze und Betriebe, die erfolgreich auf das Kupieren verzichten. PROVIEH fordert seit Langem, dass der Ringelschwanz intakt bleiben muss. Schweine dürfen nicht weiterhin durch Amputation an schlechte Haltungs- und Fütterungebedingungen angepasst werden. Neben der geforderten Unversehrtheit sind gesunde Ringelschwänze zudem als Haltungs- Tiergesundheitsindikatoren anzusehen. Hierfür ist eine umfassende Verbesserung der Haltungsbedingungen und ein Wegfall der im Tierschutzgesetz zulässigen Ausnahmen notwendig.
Millvina Pitz