Verbot von Lebendtierexporten

– wie ist das rechtlich möglich? 

Lebendtierexporte sind ein grausamer Auswuchs eines rein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Tierhaltungssystems. PROVIEH hat oft und ausführlich berichtet, wie sehr die Tiere auf den teilweise tage- oder sogar wochenlangen Transporten unter der Enge, Hunger und Durst durch mangelhafte Versorgung und den zum Teil extremen Temperaturen leiden. Und dies alles, um die Tiere am Zielort überwiegend sofort oder innerhalb weniger Monate zu schlachten. PROVIEH fordert deshalb seit vielen Jahren ein komplettes Verbot von jeglichen Lebendtierexporten. Wir streben ein europaweites Verbot an, aber es wäre ein wichtiger Schritt, auf nationaler Ebene vorwegzugehen. Immer wieder wird behauptet, dies sei rechtlich nicht möglich. Aber stimmt das überhaupt? 

Die aktuelle Situation 

Einige Mitgliedsstaaten der EU versuchen aktuell ein Verbot von Lebendtierexporten in Drittländer auf jeweils nationaler Ebene zu erwirken, Luxemburg und die Niederlande haben dies bereits erfolgreich umgesetzt, auch in Österreich gibt es erhebliche Einschränkungen für beispielsweise Transporte nach Russland. Es ist wichtig, dass Deutschland hier mit einem großen Schritt nachzieht, denn hierzulande werden noch immer Tiere weitgehend unbeschränkt in alle Welt transportiert. Die Situation ist dabei je nach Bundesland, teilweise sogar innerhalb desselben Bundeslandes in verschiedenen Landkreisen, im Moment noch sehr unterschiedlich. Einige Bundesländer haben starke Erlässe herausgegeben, durch die Lebendtierexporte so gut wie unmöglich werden und für einzelne Zielländer sogar vollständige Verbote erlassen. So hat beispielsweise Bayern eine Liste von 18 Staaten erstellt, bei denen „erhebliche Zweifel bestehen, dass die deutschen Tierschutzstandards durchgehend beim Transport bis zum Zielort der Tiere eingehalten werden.“ In diese Länder wird deshalb generell nicht abgefertigt. Weitere Bundesländer agieren ähnlich. Es gibt jedoch bundesweit einige wenige Landkreise, die sich zu echten Schlupflöchern, zu Drehscheiben für die Tiertransportindustrie, entwickelt haben. Hierzu gehören insbesondere der Landkreis Aurich in Niedersachsen und der Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg. In beiden Bundesländern haben sowohl Landkreise als auch die zuständigen Landesministerien versucht, die Lebendtierexporte einzuschränken – ohne nennenswerten Erfolg. Regelungen, die Tiertransporte tatsächlich einschränken, wurden von Verwaltungsgerichten gekippt, die Transporteure dürfen weiter Tiere auf die tagelangen Routen schicken. Deshalb ist ein bundeseinheitliches Verbot so wichtig und möglich macht es: 

Der wichtige §12 des Tierschutzgesetzes 

In §12 Absatz 2 Nummer 3 des Tierschutzgesetzes heißt es: „(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, (…) 3. das Verbringen bestimmter Tiere aus dem Inland in einen anderen Staat zu verbieten, (…)“. Dies ist eine abschließende Formulierung, es kann also keine weiteren Regelungen in dieser Sache geben, die einem generellen Verbot gleichkommen. Das heißt: Ein generelles Verbot in bestimmte Länder zu transportieren, ist ausschließlich per Verordnung durch das Bundesministerium mit Zustimmung des Bundesrates möglich. Trotzdem hatte ein Landkreis in Nordrhein-Westfahlen den Versuch gewagt und Tiertransporte in bestimmte Staaten untersagt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat dies jedoch am 20.12.2020 (Aktenzeichen 20 B 1958/20) für unzulässig erklärt und einen entsprechenden Transport erlaubt. In der Begründung heißt es klar: Ein generelles Verbot, in bestimmte Länder zu transportieren sei nur durch das BMEL zulässig, nicht durch lokale Behörden. („…zum Erlass abstrakt-genereller Regelungen in der Art etwa von verordnungsrechtlichen Verbringungsverboten nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 TierSchG ermächtigen.“ […] „Der Antragsgegner ist als örtliche Tierschutzbehörde für den Erlass derartiger Regelungen schon nicht zuständig“) 

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat hierzu im Februar 2021 ein Rechtsgutachten beim Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdiensts des Landtags beauftragt, welches diese Rechtsauffassung bestätigt. Auch weitere Gutachten kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Landkreise und Bundesländer können Transporte nicht generell verbieten. 

Internationales Recht steht einem bundeseinheitlichen Verbot von Lebendtierexporten allerdings nicht entgegen. So hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem Beschluss vom 26. Mai 2021 festgestellt, dass eine nationale Regelung für ein Transportverbot in Hochrisikostaaten auch vor dem internationalen Recht möglich ist. Die bereits bestehende europäische Transportverordnung überdeckt zwar die nationalen Regelwerke. Jedoch: In dieser Verordnung ist lediglich geregelt, wie Transporte stattfinden dürfen. Nicht geregelt ist dagegen, ob sie überhaupt stattfinden dürfen und wenn ja in welche Länder beziehungsweise in welche Länder genau nicht. 

Versuch eines bundesweiten Verbotes durch den Bundesrat 

Im Juni 2021 hatte der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates auf Drängen mehrerer Bundesländer eine Beschlussvorlage eingebracht, Lebendtierexporte nach §12 zu verbieten. Dafür sollte die Tierschutztransportverordnung so verändert werden, dass ein Transport lebender Tiere in 17 in dem Antrag genannte Staaten verboten wäre. Die damalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat diesen Antrag jedoch massiv kritisiert sowie verschiedene formale und juristische Gründe angeführt, weshalb ein solcher Beschluss in keinem Fall umsetzbar sei, sie hätte eine solche Verordnungsänderung politisch nicht mitgetragen. Der Bundesrat hat den Antrag daraufhin abgelehnt. 

Dringender Handlungsbedarf des neuen Ministers 

Inzwischen hat sich die politische Situation verändert. Julia Klöckner ist nicht mehr Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft, stattdessen ist ein Grüner Bundesminister. Cem Özdemir hat jetzt die Verantwortung, einen neuen Vorstoß zu machen und Lebendtierexporte in Hochrisikostaaten zu verbieten. Es ist ausreichend belegt, dass bei den Transporten regelmäßig Verstöße gegen geltendes Recht stattfinden. Zuletzt hat der Untersuchungsausschuss zum Schutz der Tiere beim Transport des Europäischen Parlamentes in seinem Abschlussbericht dargelegt, dass die bestehenden Gesetze nicht ausreichend sind. Teilweise wird bestehendes Recht systematisch umgangen. Es stellt sich die Frage, ob der Bundeslandwirtschaftsminister in diesem Fall nicht sogar verpflichtet wäre, entsprechende Transporte zu verbieten. §12 des Tierschutzgesetzes ist auf jeden Fall erfüllt, dort heißt es klar: Transportverbote in bestimmte Länder sind möglich „sofern es dem Schutz der Tiere dient“. Dies ist offensichtlich der Fall. Ein Transportverbot ist demnach möglich, es ist nötig und es ist unverzüglich geboten! PROVIEH fordert das BMEL daher auf, das Transportverbot unverzüglich zu erlassen und durchzusetzen. 

Patrick Müller 

05.01.2022

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