Putenhaltung in Deutschland

Gesetzliche Haltungsbedingungen dringend erforderlich

Obwohl 2019 in Deutschland über 34 Millionen Puten geschlachtet wurden, gibt es bisher keine speziellen gesetzlichen Mindestanforderungen für die Haltung dieser Tiere. Stattdessen hat sich die Branche die sogenannten “Bundeseinheitlichen Eckwerte” selbst auferlegt. In diesen vagen Richtlinien finden sich konkrete Vorgaben nur zu den Besatzdichten, aber diese sind viel zu hoch festgelegt. Andere wichtige Aspekte wie Beschäftigungsmaterial oder ein Auslauf sind nicht konkret festgelegt oder fehlen vollständig. Die Folgen einer Haltung der Puten nach diesen Vorgaben sind zumeist gravierende Tierschutzprobleme wie Verhaltensstörungen und Verletzungen. Aus diesem Grund hat PROVIEH gemeinsam mit dem Bündnis für Tierschutzpolitik die Bundesregierung erneut dazu aufgefordert endlich gesetzliche Haltungsregelungen für die Puten einzuführen. 

Verhaltensstörungen und Verletzungen – Puten sind nicht ausreichend geschützt 

Eines der gravierendsten Probleme in der industriellen Putenhaltung ist das Kürzen der Schnabelspitze. Dies wird durchgeführt, um Verletzungen, die als Folge von Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus entstehen können, abzumildern.  Zwar ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt, was die vollständigen Ursachen für Verhaltensstörungen sind, klar ist jedoch, dass die schlechten Haltungsbedingungen eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehören beispielsweise die zu hohe Gruppengröße, Besatzdichte und die mangelnde Beschäftigung der Tiere. In der industriellen Haltung gibt es jedoch keine Obergrenze für die Gruppengröße der Puten, weshalb sie zu Tausenden in der Bodenhaltung gehalten werden. Hierbei müssen sich fünf 16 Kilogramm schwere Putenweibchen oder drei 20 Kilogramm schwere Putenmännchen fast einen Quadratmeter teilen. So eng gepfercht und in solchen Massen haben die Tiere keine Möglichkeit zur Ausbildung eines funktionierenden Sozialsystems. Das Fehlen einer festen Hackordnung führt dann zu Stress und Aggressionen. Zudem haben Puten einen angeborenen Trieb nach Futter zu Picken und zu Scharren. Wird dieser Trieb nicht durch ausreichendes Beschäftigungsmaterial wie Strohballen und Picksteine und einen Auslauf befriedigt, bepicken sich die Tiere stattdessen gegenseitig.  Anstatt die Ursachen für dieses Verhalten zu suchen und zu lösen, kürzt die Geflügelindustrie den Schnabel der Puten routinemäßig, um Pickverletzungen zu verhindern. Das Schnabelkürzen wird mittels Infrarot-Methode ohne Schmerzausschaltung in den ersten Lebenstagen durchgeführt, nach ein bis zwei Wochen fällt der behandelte Teil des Schnabels ab. Die Schnabelspitze ist sehr empfindlich und mit Nerven durchzogen, da es den Tieren auch als Tastorgan dient. Das Kürzen führt zu Schmerzen und lebenslangen Beeinträchtigungen. Die Puten werden durch die Schmerzen nicht nur vom gegenseitigen Verletzen abgehalten, sondern auch bei der Futteraufnahme und Gefiederpflege beeinträchtigt. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf, um diese grausame Praxis zu beenden. Die Geflügelwirtschaft müsste für eine tiergerechte Haltung grundlegende Änderungen ihres Systems vornehmen. Denn selbst die einfachsten Bedürfnisse wie artgemäßes Ruhen können in der jetzigen Haltung nicht erfüllt werden. Naturgemäß würden Puten nachts auf Äste von Bäumen fliegen, um aufzubaumen. Erhöhte Ebenen oder Sitzstangen sind in den bundeseinheitlichen Eckwerten für ihre Haltung jedoch auch nicht vorgeschrieben.  
Schlechte Haltungsbedingungen haben jedoch noch weitere negative Folgen für die Tiere. Oft laufen die Puten bis zur Ausstallung auf der gleichen, feuchten Einstreu. Dies führt sehr häufig zum Aufweichen der Fußhaut, wodurch Partikel eindringen und schmerzhafte Entzündungen, die sogenannten Fußballenentzündungen, entstehen können. Ein ähnliches Problem liegt bei den Brusthautentzündungen vor.  
Durch das schnelle Wachstum und den enormen Anteil an Brustmuskeln, auf die die Tiere gezüchtet wurden, können sich außerdem Beinfehlstellungen und Herz-Kreislauf-Probleme einstellen.  
 
Zu lange durfte die Putenindustrie nach ihren selbstauferlegten Regeln spielen. Wir brauchen endlich gesetzliche Haltungsbedingungen, die wissenschaftlich fundiert sind und eine tierschutzgerechte Haltung ermöglichen. 

Für ein tiergerechtes Leben benötigen die Puten niedrigere Besatzdichten und kleine Gruppen, in denen sie eine Sozialstruktur aufbauen können. Ein Auslauf ins Freie sowie ein strukturierter Stall mit Beschäftigungsmaterial müssen ihnen zur Verfügung gestellt werden, um ihre arteigenen Verhaltensweisen auszuüben. Zudem sollten extensive, langsam wachsende Rassen verwendet werden, damit die Tiere gesund aufwachsen können.  
Die Probleme der Haltung von Puten werden in der am 16. März 2021 veröffentlichten Studie „Anforderungen an eine zeitgemäße tierschutzkonforme Haltung von Mastputen” aufgegriffen, zu der wir gemeinsam mit dem Bündnis für Tierschutzpolitik einen Brief an die Bundesministerin und die zuständigen Minister:innen der Länder verfasst haben. Diese Studie sollte die Grundlage für eine zukunftsfähige Putenhaltung sein und endlich Änderungen der Haltungsbedingungen mit sich bringen. 

Mareike Petersen

20.05.2021 

Mastputen offener Brief

Gesetzliche Mindestanforderungen für die Haltung von Mastputen

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