Land.Luft
mit Herzblut für mehr Tierwohl
Frau Veronika Lindner ist 45 Jahre alt und Vorsitzende des Verwaltungsrats der Lindner Group. Ihre Familie ist seit 55 Jahren im Bau aktiv und hat heute weltweit 7.500 Mitarbeiter. Seit einigen Jahren gehört auch der Bio-Betrieb Land.Luft zur Lindner Group, der sich vor allem durch die ganzjährige Freilandhaltung und die hohen Standards einen Namen gemacht hat.
Liebe Frau Lindner, seit wann existiert der Betrieb Land.Luft und von wem wurde er gegründet?
Im Oktober 2016 haben wir uns aus einer Familien-Diskussion zum Thema Tierwohl und Fleischpreise dazu entschieden, nicht das bestehende System zu kritisieren, sondern selbst etwas zu unternehmen, um die Haltungs- und Schlachtbedingungen für „Nutz“tiere zu verändern und so vielleicht auch Nachahmer zu finden: Wir haben uns entschlossen eine Landwirtschaft mit primärem Fokus auf Tierwohl und Nachhaltigkeit aufzubauen. Wir wollten es anders machen. Wir wollten Tierwohl ganz oben ansiedeln, in einem geschlossenen Kreislauf, mit selbst angebautem Futter. Heute ist unsere Land.Luft mit dem Schwerpunkt Tierzucht seit vier Jahren ein mit dem Bio-Siegel der Europäischen Union zertifizierter Betrieb.
Welche Tiere halten Sie und was macht Ihre Haltung besonders?
Wir halten auf unserem Hof vor allem Rinder und Schweine. Unsere Tiere verbringen ihr ganzes Leben zu 100 Prozent auf der Weide. Sie werden dort geboren und werden auch dort geschlachtet. Die Schlachtung findet in einer von uns selbst entwickelten mobilen Schlachteinheit auf der ihnen vertrauten Weide im Beisein ihnen vertrauter Menschen statt. Ein ganzes Leben findet ohne Tiertransport und somit ohne die damit verbundene Angst und den Stress statt. Unsere Land.Luft ist noch jung und lange nicht profitabel, aber wir sind überzeugt und kämpfen mit Herzblut für unsere Idee. Unsere Familie sieht es als Nachhaltigkeitsprojekt, als Investition in eine lebenswerte Zukunft.
Unsere mobile Schlachteinheit ist Teil unseres geschlossenen Systems: von der Ganzjahresfreilandhaltung von Schweinen, Rindern und Schafen über die Weideschlachtung und die unmittelbare Weiterverarbeitung in unserem Zerlegebetrieb am Hof, bis hin zum Kunden (Hofladen, Bio-Hofrestaurant, Onlineshop). Vor allem aber ist die mobile Weideschlachtung beispielgebend für eine alternative Landwirtschaft und handwerkliches, regionales Schlachten und Verarbeiten. Mit gutem Gewissen Fleisch in höchster Qualität absolut transparent zu erzeugen, ist unser Antrieb.
Warum haben Sie sich für die mobile Schlachtung entschieden und gab es rechtliche Schwierigkeiten?
Wir möchten den Tieren ein glückliches Leben ermöglichen und einen angstfreien, stressfreien Tod. Die vielen Berichte über Tiertransporte, die wir alle ja auch fast täglich auf den Straßen sehen, und die Berichte über die Zustände in den großen Schlachthöfen ließen für uns keinen anderen Schluss zu, als den Tieren jeden Tiertransport zu ersparen. Freilich waren die zuständigen Behörden, insbesondere das Veterinäramt und die zulassende Instanz, die Regierung von Niederbayern, im ersten Augenblick überrascht und zurückhaltend zugleich, als wir „als Branchenfremde“ die Anträge für die EU-Zulassung eines Schlachtbetriebes mit Weideschlachtung stellten. Zumal dies gerade für Schweine bisher erst- und einmalig war. Wir haben es jedoch geschafft, gemeinsam mit den Vertretern der Ämter unser Vorhaben im Hinblick auf die rechtlichen, fachlichen und ethischen Parameter zu untersuchen und darauf auszurichten. Dabei haben wir viel Fachwissen als angehender Lebensmittelbetrieb aufgebaut und so waren wir glücklich und stolz, als wir im November 2017 die „EU-Zulassung zum Schlachten und Zerlegen von Rindern, Schweinen und Schafen, unter Verwendung einer mobilen Schlachteinheit auf der Weide sowie zur Herstellung von Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnissen“ erlangt haben.
Unser Schlachtanhänger ist ein Prototyp, welchen wir bewusst nicht patentiert haben. Wir stehen Nachahmern mit Rat und Tat zur Seite, um diese Variante des stressfreien Schlachtens zu verbreiten und nach und nach weiterzuentwickeln.
Sie verarbeiten das Fleisch direkt auf dem Hof. Worauf müssen Sie hier besonders achten?
Unsere Weiden sind rund um den Hof angesiedelt. Somit haben wir nur kurze Wege mit dem Schlachtanhänger zur Metzgerei. Das ist hilfreich, da wir von der Betäubung und Entblutung nur 45 Minuten Zeit haben, bis wir die Tierkörper ausgeweidet haben müssen. Unter Einhaltung aller Vorschriften schlachten wir so zwischen acht und zehn Schweine pro Schlachttag mit zwei Metzgern. Unsere Metzger haben jedoch einen viel intensiveren Bezug zu unseren Tieren, da jeder in unserem jungen Unternehmen auch in der Landwirtschaft gearbeitet hat und unsere Einstellung zum bestmöglichen Tierwohl teilt. Unser bestandsbetreuender Veterinär ist sowohl für den hohen Gesundheitsstatus aller Tiere und die Lebendbeschau vor der Schlachtung, sowie auch für die Fleischbeschau zuständig. Die Verarbeitung des Fleisches erfolgt unmittelbar nach der Freigabe des Beschauers im (leider aussterbenden) Warmbrätverfahren, um die natürliche Bindung des Fleisches ohne Zusatzstoffe zu nutzen. So entstehen bei uns Fleisch- und Wurstprodukte in höchster Qualität.
Sie haben mit der Tierärztlichen Fakultät der LMU München zusammengearbeitet, um zu beweisen, dass ihr Weg einen signifikanten Mehrwert für das Wohl der Tiere und zudem für die Fleischqualität hat. Wie kam es dazu?
Da bisher kaum Erkenntnisse über die mobile Schlachtung vorliegen, begleiteten Prof. Dr. Dr. habil. Manfred Gareis und der Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit der Tierärztlichen Fakultät der LMU München unser Projekt. Tierwohl- und Tierschutzprobleme wie Technopathien und Verletzungen durch Kannibalismus wurden nicht festgestellt. Aufgrund der Messungen auf Laktat im Blut und Cortisol im Speichel konnte eine nahezu stressfreie Schlachtung der Schweine belegt werden. Geschlachtet werden bei uns nur die Schweine, die von Neugierde getrieben, freiwillig in unseren selbst entwickelten, EU-zertifizierten, mobilen Schlachtanhänger gehen. Die bei der visuellen Fleischuntersuchung erhobenen Organbefunde – vor allem bei Leber und Lunge – dokumentierten einen ausgezeichneten Gesundheitszustand der Tiere. Die Fleischqualität wurde als sehr gut beurteilt.
Liebe Frau Lindner, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Christina Petersen
Kontakt: www.landluft.bio
Leberfing 1
94439 Rossbach