Sie bringt die Pferde zum Lächeln

Im Interview mit Marlitt Wendt

Marlitt Wendt, Verhaltensbiologin, lebt mit ihren drei Pferden, einer Shetlandponydame namens Polly, einer Haflingermixstute genannt Mausi und mit ihrem Pura Raza Espaniola Jaranero L. in Schleswig-Holstein. In ihrem bereits 8. Pferde-Sachbuch beleuchtet sie genauestens, wie sich Pferde beim Geritten-Werden fühlen. PROVIEH sprach mit der erfahrenen Autorin über ihr Buch „Was fühlt das Reitpferd?“:

Liebe Frau Wendt, wie sind Sie auf das Buchthema gekommen?

Marlitt Wendt und ein weißes Pferd
© Lara Schneider

Das Thema Mimik und Ausdrucksverhalten begleitet mich als Verhaltensbiologin schon seit vielen Jahren. Pferde haben ein so differenziertes und reiches Ausdrucksverhalten, dass es faszinierend ist die Details ihrer Sprache kennenzulernen. Gerade die Themen Stress, Schmerzen oder Angst zu erkennen, kommen jedoch bei den allermeisten Reitern viel zu kurz. So sieht man landauf, landab erschreckend viele Pferde, die sich eben nicht mit ihrem Reiter wohlfühlen, sondern buchstäblich kaputt geritten werden. Auch in der Ausbildung der Reitlehrer und Trainer, der Tierärzte und Hufschmiede und sonstigen Experten im Pferdebereich kommt das ganze Thema Pferdesprache viel zu kurz. Wer nur wenige Details zum Ausdruck des Pferdes kennt, der wird nicht in der Lage sein zu erkennen, wann es einem Pferd wirklich gut geht und wann nicht. Daraus ist die Idee für das Buch entstanden. Einen Leitfaden für alle interessierten Pferdeleute, für Reiter und Profis in diesem Segment zu schaffen, um den Blick zu schulen für die Details der Pferdesprache.

Wollen Pferde – aus Ihrer Sicht und Erfahrung als Verhaltensbiologin – eigentlich geritten werden?

Ich persönlich glaube, dass es immer ganz genau darauf ankommt wie ein Pferd das geritten werden empfindet. Mit vielen Belohnungen, behutsam, Schritt für Schritt herangeführt, kann ein Pferd alles was mit dem Reiten zu tun hat als etwas Alltägliches kennenlernen, was es gerne tun kann. In unserer heutigen technisierten Welt ist das Geritten werden oft die einzige Möglichkeit für ein Pferd auf Ausritten etwas von der Welt zu sehen und in höherem Tempo seinen eigenen Körper zu spüren. Aber natürlich gibt es genügend Gegenbeispiele, Pferde die aufgrund ihres Körperbaus oder ihrer Psyche von vornherein nicht zum Reiten geeignet sind oder aber vom Menschen für den sportlichen Ehrgeiz missbraucht worden sind. Es will sicher nicht jedes Pferd egal wie geritten werden. Sondern wenn überhaupt, dann nur mit Achtsamkeit und bedacht.

Ein Pferd mit gebeugten Hals, Dressurreiten
© Pixabay

Nennen Sie bitte ein paar typische Botschaften, die Pferde versuchen uns zu vermitteln.

Pferde kommunizieren mit ihrem gesamten Körper, mit ihrer Mimik, ihren Bewegungen und ihrer Körperhaltung. Eine typische Botschaft, die unter Reitern viel zu oft übersehen wird, ist „mir tut etwas weh“. Pferde winseln nicht wenn sie Schmerzen haben wie ein Hund, sie äußern ihr Unbehagen stumm mit geweiteten Nüstern und gepresster Atmung, mit Sorgenfalten über den Augen oder angespannter Kaumuskulatur. Diese Botschaft wird allerdings oft einfach übersehen und das Pferd als „faul“ oder „bockig“ dargestellt.

Ein weiteres eng damit zusammen hängendes Thema ist das Thema Stress. Pferde sind häufig gestresst von ihrem Lebensumfeld, der ihnen zuteilwerdenden Behandlung und natürlich auch dem Reitstil. Stress auch bei uns selbst zu bemerken, dass ist eine große Herausforderung für jeden der mit Pferden zu tun hat.

Weiterhin haben Pferde natürlich feinste Antennen für Stimmungen und versteckte Gefühle. Ich glaube eine der wichtigsten Botschaften der Pferde an sich liegt darin, wie sie auf uns reagieren. Wer hier sensibel hinterfragt, der wird seinen eigenen Lebensthemen auf die Spur kommen und eventuell mehr Glück und Zufriedenheit erleben.

Achten Reiter zu wenig auf die Körpersprache und Mimik der Pferde? Warum sind viele Reiter Ihrer Meinung nach so wenig wissend um die Gefühlswelt der Pferde?

Reiter achten so gut wie gar nicht auf die Körpersprache und Mimik der Pferde, so jedenfalls meine persönliche Erfahrung. Zum einen weil ihnen die Vorbilder fehlen wie es anders aussehen könnte und zum anderen, weil wie erwähnt das Fachwissen über die Merkmale der Körpersprache fehlen. Dazu kommt die reiterliche Tradition, das Pferd wird immer wieder als ein Tier dargestellt, das einen speziellen Nutzen haben soll. Es existiert in den Veröffentlichungen meist nur in seiner Funktion als Reittier. Der Ehrgeiz der Menschen und die sportlichen Erfolge führen leider oft zusätzlich dazu, dass die Empathie des Menschen komplett ausgeschaltet wird. Daher denke ich, dass die Pferdeszene ein grundsätzliches Umdenken braucht. Neue Perspektiven.

Ein Pferd auf einem Reitplatz
© Pixabay

Was würden Sie sich von den Reitern und vielleicht auch den Ausbildern wünschen und wie (weit) ist dies umsetzbar?

Der erste Punkt den ich mir wünschen würde ist die professionelle Fortbildung im Bereich Pferdeverhalten. Es existiert heute eine Vielzahl wunderbarer Publikationen zu unterschiedlichen Themen der Verhaltensforschung, die in Reiterkreisen nahezu unbekannt sind. Dieses Defizit aufzuarbeiten wäre ein großer Wunsch meinerseits.

Einen zweiten Wunsch kann jeder eigentlich ganz einfach umsetzen: Sein Herz zu öffnen und das eigene Handeln hinterfragen. Würde ich mich selbst wohlfühlen, wenn ich in der Rolle meines Pferdes wäre? Ist sein Lebensraum wirklich ein Lebensraum oder eher ein Abstellplatz? Kann ich persönlich etwas tun um das Leben meines Pferdes weiter zu verbessern?

Ich denke schon, dass es umsetzbar ist, ich sehe jedenfalls, wie viel sich in den letzten 20 Jahren auch zum Besseren gewendet hat. Vielleicht nicht im Spitzensport, in der Freizeitszene aber auf jeden Fall.

Wie empfinden Pferde die Reiterhilfen?

Traditionell wurden und werden die Reiterhilfen über Strafen und negative Verstärkung erarbeitet. Das Pferd wurde so trainiert, dass es auf ein Kommando reagiert, weil es befürchten muss dass sich der Druck steigert, wenn es nicht reagiert. Dazu wurden diverse Hilfsmittel wie Sporen oder Gerte erfunden. So trainierte Pferde empfinden die Reiterhilfen nicht als etwas Positives. Heute ist das Wissen um die Ausbildung von Tieren jedoch weiter als noch vor 50 Jahren. Man kann Pferde auch über Belohnungen trainieren. So können sie lernen, dass sie etwas bekommen – in Form von Leckerlis, Zuwendung, streicheln – wenn sie auf ein bestimmtes Signal hin reagieren. Bei der Methode der positiven Verstärkung lernt das Pferd kleinschrittig und es werden keine Druckstufen erhöht. So werden reiterliche Hilfen als Gelegenheiten erlebt sich eine Belohnung zu erarbeiten.

Gibt es aus Ihrer Sicht positive Beispiele für Ausbildungssysteme und Reitschulen, etc., die das Pferd als Persönlichkeit einbeziehen?

Ja, aus meiner Sicht sind positive Beispiele im Bereich des immer weiter verbreiteten Trainings mit positiver Verstärkung zu finden. Hier gibt es viele Ansätze auch alternative Formen der Beschäftigung mit dem Pferd zu finden, wie Horse-Agility oder aber Tricktraining. Alles ermöglicht durch Clickertraining und positive Verstärkung. Auch im Bereich der Haltung hat sich in vielen Reitschulen etwas getan. Immer mehr Betriebe bieten gut durchdachte Offenstall- und Aktivstallkonzepte für ihre Schulpferde an und vermitteln den Reitschülern einiges über die Natur des Pferdes.

Geben Sie auch Kurse, um den Menschen mehr Verständnis zu vermitteln?

Genau, ich biete europaweit Seminare, Kurse und Vorträge zu positivem Pferdetraining, Ausdrucksverhalten und Ethologie des Pferdes an. Darüber hinaus biete ich ab Oktober 2018 auch auf meiner neuen Homepage www.rplus.click mit einem interaktiven Online-Magazin eine Inspirationsmöglichkeit für alle Interessierten an einem erfüllten Leben mit Pferden.

Gibt es noch etwas, was Sie den Lesern mitgeben wollen?

Schaut genau hin was Euch im Pferdebereich verkauft werden soll. Alles Mögliche wird hier mit positiv klingenden Etiketten wie „Spiel“, „natürlich“ oder „artgerecht“ betitelt, was bei näherer Betrachtung gar nicht unbedingt positiv zu nennen ist. Meist werden traditionelle Verfahren nur mit einem neuen Begriff versehen und weiterhin die Augen verschlossen gegenüber dem stummen Leid der Tiere.

Foto oben:  Cornelia Ranz; Fotos mitte und unten: Pixabay

Marlitt Wendt setzt sich als Verhaltensbiologin seit vielen Jahren für bessere Lebensumstände von Pferden ein. Sie informiert als Autorin und Dozentin über die Themenbereiche Pferdeverhalten, Training mit positiver Verstärkung und Pferdehaltung.

Buchtipp: Marlitt Wendt, Was fühlt das Reitpferd?: Signale richtig deuten – Partnerschaft verbessern Gebundene Ausgabe: 160 Seiten, Verlag: Franckh Kosmos Verlag; Auflage: 1 (5. Juli 2018), ISBN-10: 9783440158623, 26,99 €

Beitrag teilen