Kaninchen-Qualmast Wie die Ölsardinen in der Dose
Das Hauskaninchen ist kein typisches Fleisch in den Fleischtheken oder Kühltheken. Möglicherweise liegt es auch am aufkommenden Gesundheitstrend, dass sich das innerhalb der nächsten Jahre vielleicht ändert. Kaninchenfleisch enthält tendenziell mehr Rohprotein als Schwein, Geflügel oder Rind. Der Anteil vom Rohfett liegt tendenziell jedoch niedriger bis deutlich niedriger. Kaninchenfleisch ist somit eine vergleichsweise magere und wertvolle Fleischquelle – zum Leidwesen der Kaninchen.
Es gibt zu jedem Nutztier in der EU oder innerhalb der Beitrittsländer genaue Aufschlüsselungen zur kommerziellen Produktion. Beim Kaninchen gibt es lediglich Schätzungen. Im Jahr 2007 beliefen sich diese Schätzungen auf eine Milliarden Kaninchen weltweit, die in Käfigen gehalten werden. Allein 400 Millionen in der EU, davon kamen 550.000 auf Österreich. 2016 wurden in der EU noch 330 Millionen Kaninchen zur Mast gehalten und die internationale Tierschutzorganisation Compassion in World Farming zählte das Kaninchen damit zur am zweithäufigsten gehaltenen „Nutz“tierart der EU. In vielen Ländern gibt es nicht einmal Mindestauflagen für die Haltung. Der kommerzielle Halter kann diese fast nach Gutdünken halten, solange die Tiere drei Monate bis zur Schlachtung ausharren und damit Profit bringen.
Österreich ist sogar als Vorbild in der EU zu betrachten, da im Jahr 2007 ein Haltungsverbot für Käfige verabschiedet wurde. Dieses hatte eine großzügige „Anpassungsfrist“, die im Jahr 2012 auslief. Nur unter besonderen Bedingungen dürfen Mastkaninchen bis 2020 in Käfigen gehalten werden. Solche Käfige haben nicht einmal einen Boden mit Einstreu, sondern einen Gitterrost.
Diese Gesetzesänderung umfasst alle Kaninchen, die für die Fleischerzeugung gehalten werden. Wer noch einen Kaninchenstall hinter dem Schuppen hat und seine Kaninchen in die Pfanne haut, der macht sich strafbar. Kaninchen für die Fleischerzeugung dürfen nur noch gehalten werden, wenn sie durchgängig Zugang zu einer Bucht haben oder eben in der Bucht gehalten werden. Eine Bucht ist ein Bereich auf dem Boden, der nach oben offen ist. In der Bucht können Zwischenebenen oder verschiedene Elemente oder Bereiche eingerichtet werden.
Sechs Tiere pro Quadratmeter
Im Vergleich zur EU und Deutschland (eine Haltungsverordnung regelt seit 2014 die kommerzielle Kaninchenhaltung, aber duldet Käfige) hat Österreich bereits ein wegweisendes Gesetz zur Kaninchenmast. Der „Verein gegen Tierfabriken“ (vgt.at) hat dieses als einen richtigen Schritt begrüßt, kritisiert es nach rund zehn Jahren dennoch aufs Schärfste. Zuchthäsinnen dürfen weiterhin in Käfigen gehalten werden, die gerade einmal 50 cm (für 35% vom Käfig) hoch sind. Erst ab Mitte der Trächtigkeit muss der Halter ihnen mehr Platz einräumen.
Bei 40 Mastkaninchen bis 1,5 Kilo können 10 Tiere pro m² gehalten werden, danach muss die Fläche auf 1,5 m² erhöht werden. Wenn die Gruppen über 40 Tiere aufweisen, dann verringert sich die Fläche sogar noch um 20% pro Tier. Ausgewachsene Tiere bis 5,5 Kilo erhalten 0,6 m², sonst 0,78 m² pro Tier als gesetzlich zugesicherte Mindestfläche. Auch das ist für Kaninchen viel zu wenig, da sie Bewegung brauchen, um keine Haltungs- und Verhaltensschäden davon zu tragen.
Unabhängig zum Alter kann nicht von einer annähernd artgerechten Kaninchenhaltung gesprochen werden. Mastkaninchen haben zwar das Privileg einer Buchtenhaltung, werden jedoch nicht eine Sekunde ihres Lebens 5 cm Platz ohne ein anderes Kaninchen um sich herum haben.
Mastkaninchen auf Bio?
Für die Biohaltung von Mastkaninchen in Österreich sieht es nicht viel besser aus. Bis zur achten Woche nach dem Absetzen von der Mutter dürfen 8, danach 6 Kaninchen pro m² gehalten werden. Die Tiere haben jedoch Anrecht auf einen Auslauf von ebenfalls einen m² pro acht Tiere. Wer anstelle vom Auslauf eine Wiese einzäunt, der berechnet 2 m² pro Kaninchen. Zudem darf der Lochboden nur bis 50% der Bucht ausmachen, womit Kot von alleine aus der Kaninchenbucht verschwindet. In der Gruppenhaltung sollen nur bis rund 50 Mastkaninchen zusammen gehalten werden. Weiterhin soll ein Bereich in der Bucht erhöht sein und es muss abgedunkelte Bereiche geben. Die Fütterung muss so erfolgen, dass auch schwächere Tiere genug abbekommen können.
Außerdem müssen Bio-Mastkaninchen durchgehend Heu erhalten. Während der warmen Jahreszeit ist ihnen zudem Frischfutter zu geben. Weiterhin haben die Halter den Kaninchen geeignete Äste zum benagen zu geben und regelmäßig gegen andere zu tauschen.
Zur Verdeutlichung
Kaninchen brauchen Bewegung und Platz, um sich körperlich und psychisch gesund zu entwickeln und haben hohe Ansprüche an ihre Ernährung. Österreich hat als Vorreiter für die EU immerhin Mindestanforderungen für die Kaninchenmast. Wenn 8, beziehungsweise 6 Mastkaninchen auf einem m² gehalten werden und hier noch Einrichtungsgegenstände wie Futterspender, Tränken oder Kotbereiche berücksichtigt werden, dann können die Tiere im Liegebereich viel kuscheln. Was anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, wenn sie einfach wie Ölsardinen in der Büchse gehalten werden.
Genau wie bei anderer Masthaltung können solche Haltungsbedingungen nur deswegen wirtschaftlich „funktionieren“, da die Tiere nicht alt werden. Bevor sie körperlich verbraucht sind, rafft sie der Schlachter schon dahin.
In wie weit Mastkaninchen mit Antibiotika und anderen Medikamenten voll gepumpt werden, damit sie unter solchen Bedingungen nicht vorzeitig aus ihrem kurzen Leben scheiden, ist den vorhandenen Quellen nicht zu entnehmen. Es gibt einige Kaninchenerkrankungen, teils Seuchen, gegen die Medikamente und Impfungen in der üblichen Haltungspraxis bereits präventiv verabreicht werden. Es wird in jedem Fall für die Lebensmittelproduktion auch bei Mastkaninchen Grenzwerte geben. Bei vielen Masttieren sind solche Grenzwerte grenzwertig hoch.
Fazit zur Kaninchenmast
In der kommerziellen Kaninchenhaltung ist es praktisch nicht möglich, die Tiere artgerecht zu halten. Kaninchen leiden unter Haltungsmängeln noch intensiver, als andere Nutztiere. Auch die Haltung im heimischen Garten für die private Fleischerzeugung ist meist alles andere als Artgerecht. Hier einige Grundlagen für die private sowie artgerechtere Haustier-Kaninchenhaltung.
Wer auf Kaninchenfleisch nicht komplett verzichten will, der kann wenigstens mit Bio-Kaninchen höhere Standards setzen. Das Ausweichen auf anderes Fleisch aus kommerziellen Betrieben ist auch keine perfekte Lösung, da kein Tier seinen kurzen Aufenthalt im Mastbetrieb genießen kann.
Robert Brugert
12.11.2018