FREI UND FAIR? Internationaler Agrarhandel im Interesse von Mensch und Umwelt

Wie können wir internationalen Agrarhandel fair, sozial und ökologisch gestalten? Auf diese Frage suchte die Tagung „Frei und Fair? Internationaler Agrarhandel im Interesse von Mensch und Umwelt“ in Hofgeismar eine Antwort. Am 22. und 23. September 2017 wurde in Vorträgen, Debatten und Arbeitsgruppen mit Wissenschaftlern, Praktikern, NGO-Vertretern und Interessierten zum Thema Agrarhandel diskutiert. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Beiträge:

Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung findet: „Weltmärkte für Smartphones machen Sinn, Weltmärkte für Milch nicht.“ Deshalb fragt er provokativ, ob wir die Globalisierung in manchen Sektoren nicht eher zurückfahren sollten. An der Exportstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums scheint jedoch nichts zu rütteln. Das Credo lautet: Geschützte Märkte müssen „geknackt“ werden, wie zum Beispiel der der „abgeschottete Milchmarkt“ Japans im Rahmen des Handelsabkommens der EU mit Japan (JEFTA). Die Exportstrategie führt allerdings hier wie dort zu zunehmenden Preisdruck, dem sich die Landwirte nicht entziehen können. Kosten senken um jeden Preis – auch auf Kosten der Tiere, ist die bittere Konsequenz.

Prof. Dr. Bernhard Brümmer von der Universität Göttingen ist anderer Meinung. Er sieht den globalen Agrarhandel als Antwort auf zukünftige Herausforderungen, wie das hohe Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und Fleisch. In der klassischen Handelstheorie gibt es stets Gewinner und Verlierer der Handelsliberalisierung. Gewinner sind zum Beispiel die Konsumenten, die neben einer größeren Produktauswahl auch niedrigere Preise bezahlen. Verlierer können Produzenten sein, die sich einem größeren Preisdruck ausgesetzt sehen. Diese Verlierer könnten nun theoretisch kompensiert werden. Dies ist aber in der Realität nur selten der Fall. Dennoch besteht Prof. Dr. Brümmer auf den Vorteilen dieser sogenannten globalen Arbeitsteilung.

Dr. Peter Moser von der Universität Bern ist der Auffassung, dass die Realität zu komplex sei, um sie mit Theorien und Statistiken zu erklären. Er gibt einen historischen Rückblick zum Handel mit Agrarprodukten. Problematisch sieht er die heutige industrielle Sichtweise der Landwirtschaft: Während bis in die 50er Jahre Tiere zumindest als multifunktionale lebendige Wesen behandelt wurden, begann die Gesellschaft ab den 60er Jahren, Tiere nur noch als Produktionsfaktoren und damit auf monofunktionale Wesen zu reduzieren. Dr. Moser ruft eindrucksvoll dazu auf, anders zu denken und das heutige System in Frage zu stellen. Wir müssen uns mit den Kosten des Freihandels beschäftigen, anstatt das Argument zu akzeptieren, es gäbe keine Alternative dazu.

Maria Heubuch, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, gibt den TeilnehmerInnen einen weltweiten Überblick: 2.5 Milliarden Menschen sind in der Landwirtschaft tätig, und diese Zahl ist seit den 50er Jahren um eine Milliarde gewachsen. 80 Prozent aller Nahrungsmittel werden von Kleinbäuerinnen und Bauern produziert. Sie bilden somit ein wichtiges Rückgrat unserer Ernährung. Die Weltmarktorientierung von Phil Hogan (EU-Kommissar für Landwirtschaft) im Sinne von „Europa muss die Welt ernähren“ hält sie für falsch. Sie setzt stattdessen auf Ernährungssouveränität und Agrarökologie – eine Bewegung, die auf „optimal“ statt „maximal“ setzt und neben der ökologischen, auch die soziale und politische Dimension berücksichtigt. Politisch fordert Maria Heubuch endlich Kohärenz zwischen den unterschiedlichen Politikfeldern. So müssen entwicklungspolitische Ziele bei der Agrar-und Handelspolitik endlich mitgedacht werden. Stattdessen werden kurzfristige wirtschaftliche Eigeninteressen immer wieder vorangestellt. Das ist schädlich für Kleinbäuerinnen, sowohl in ärmeren Ländern als auch bei uns. Und nicht zuletzt sind die Tiere in der Landwirtschaft die Leidtragenden des globalen Kostendrucks.

PROVIEH findet: Dem globalen Handel müssen stärkere Regeln gesetzt werden, um ihn fairer zu gestalten. Es ergibt Sinn, die Globalisierung in manchen Sektoren zurückzufahren, als immer weiter im Hamsterrad des globalen Wettbewerbs zu strampeln. Wir sollten einen Gang zurückschalten, Vor- und Nachteile der Handelsliberalisierung genau unter die Lupe nehmen und daraus eine neue Handelspolitik gestalten, die allen dient.

Jasmin Zöllmer

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