Schweine in Papua
kostbarer als Bargeld
In Papua-Neuguinea, genauer gesagt in Irian Jaya, einem Teil von Neuguinea hat das Schwein in den Mythen der Einheimischen einen festen Platz. Die Eipo, ein Stamm der Bergpapua, glauben, dass alle Menschen von sakralen Urschweinen abstammen. Andere Mythen besagen, dass Schweine als Geister in Form von Steinen den Fluss hinuntergespült wurden. Beim Erreichen des Ufers entstanden aus ihnen Menschen, Hunde und Schweine.
Auch Naturphänomene, wie Erdbeben und Blitze werden mit Schweinen in Verbindung gebracht. So sind die Eipo überzeugt, dass in der Mitte der Welt ein Schwein ruht. Wenn es sich bewegt, bebt die Erde.
Die Bergpapua
Irian Jaya ist von einer Gebirgskette mit Gipfeln in 3.000 Meter Höhen durchzogen. Hier leben die Eipo. Ihre Existenz wurde erst 1945 durch Luftaufnahmen bekannt. Bis in die 70er Jahre hatten die Bergpapua keinen Kontakt zur durch die westliche Zivilisation geprägten Außenwelt. Danach wurde das größtenteils isolierte Gebiet langsam sowohl durch Forscher als auch durch die indonesische Regierung erschlossen. Die meisten Dörfer sind inzwischen missioniert und viele sind zum christlichen Glauben übergewechselt; trotzdem ist der alte überlieferte Glaube mit Mythen und den dazugehörigen Riten noch intakt.
Schweine als Tauschware
Schweine sind im Hochland von Irian Jaya extrem wichtig und werden als äußerst wertvoll angesehen. Die Eipo haben ein kompliziertes und bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes Schweinetauschsystem. Das erste Verschenken eines Schweines und damit die Aufnahme in den Tauschkreislauf findet in der Regel statt, wenn ein Kind fünf oder sechs Jahre alt ist. Bald darauf gibt der Beschenkte ein Schwein an das Kind zurück. Im späteren Leben wird der Austausch von Schweinen und anderen Gütern verstärkt, um Handelsbeziehungen, Freundschaften und Hochzeiten zu schließen. Sogar Feindschaften und Verbrechen können mit einem Schweinegeschenk beendet oder gesühnt werden. Hierdurch erweitert sich der Schweinetauschkreis eines Mannes. Beim Tod eines Angehörigen wird dem Trauernden ein Kondolenzschwein geschenkt. Das Teilen des gekochten Fleisches mit anderen Mittrauernden wird erwartet.
Liebevoller Umgang
Die Schweinezucht findet immer in Zusammenarbeit mit dem ganzen Dorf statt, da niemand einen Zuchteber über längere Zeit behalten will. Die Eber müssen ständig beaufsichtigt werden, da sie sonst andere Schweine verletzen oder sich mit weiblichen Tieren paaren könnten. Daher muss der Eber meist an die Leine. Die jungen männlichen Schweine werden, nachdem man sie einmal als sehr junges Tier die Säue decken lässt, kastriert.
Die Eipo geben einzelnen Schweinen Namen, die keine besondere Bedeutung haben und Namen, die entsprechend dem Geschlecht und Alter des Tieres angewendet werden. Die Aufzucht der Schweine erfolgt mit großer Sorgfalt. Sie liegt in der Hand der Frauen, die sich mit viel Liebe um die Ferkel kümmern und die erwachsenen Schweine hüten. Früh morgens werden die Tiere nach draußen gebracht und zunächst an ihrem Futterplatz festgebunden. Später am Tag dürfen die Schweine in brachliegenden Gärten wühlen, suhlen und fressen. Nachts schlafen sie entweder direkt in den Familienhütten oder darunter in speziell angelegten Schweinepferchen. Ab und zu werden auch eigene Hütten für sie gebaut. Die Tiere hängen sehr an ihren Betreuerinnen, von denen sie Streicheleinheiten und Liebkosungen bekommen. Kleine Ferkel werden wie Kleinkinder in Netzen umhergetragen, größere Schweine folgen den Frauen wie guterzogene Hunde.
Die Schweine werden je nach Alter unterschiedlich ernährt. Sehr junge Tiere unter zwei Kilo bekommen weichgekaute Süßkartoffeln, die entweder aus der Hand oder direkt aus dem Mund an das Ferkel verfüttert werden. Die Fütterung der Tiere und die Mahlzeiten der Menschen finden zur gleichen Zeit statt. Manchmal wird den Ferkeln sogar die Brust gegeben, wenn die Versorgerin gerade ein eigenes Kind stillt. Etwas ältere, aber noch nicht ausgewachsene Tiere werden von der Dorfgemeinschaft mit gekochten Süßkartoffeln versorgt. Dazu bekommen sie zerkautes Zuckerrohr und in geringem Umfang auch Blattgemüse. Später gibt man ihnen die Süßkartoffeln roh.
Mythen und Glauben
Die Eipo gehen davon aus, dass ein Schwein geschlachtet werden will. Versäumt man dies, rächt sich das Schwein, indem es seinen Besitzer verlässt. Hausschweine werden nur zu besonderen Anlässen geschlachtet, wie beispielsweise für Gäste. Bei rituellen Anlässen werden geweihte, speziell für diese Anlässe ausgewählte Schweine getötet. In jedem Dorf der Eipo gibt es eine bestimmte Anzahl geweihter Schweine, die in drei Kategorien unterteilt werden. Die erste Gruppe umfasst Schweine, die dorfumfassend zur Sicherung des Schweinebestandes geweiht werden. Sie werden bei allen Schweineriten an erster Stelle geschlachtet. Die zweite Gruppe besteht aus Schweinen, die den Ertrag der Gärten erhalten sollen. Als dritte Gruppe gibt es schließlich die Schweine, die zum Schutz vor Feinden einem bestimmten Krieg geweiht werden.
Für die tägliche Ernährung der Eipo spielt Schweinefleisch allerdings keine entscheidende Rolle, da der Bedarf in erster Linie aus pflanzlichen Quellen, vor allem durch die Süßkartoffel, gedeckt wird. Wird ein Schwein getötet, wird das gesamte Schwein gegessen und verwertet. Manche Teile werden sogar zu einer Art Wurst verarbeitet. Die Gedärme werden dann zuerst gesäubert und anschließend mit Fleisch gefüllt.
Die Schneidezähne oder die Hauer der Eber von geschlachteten Schweinen findet man oft in Form von Halsketten und Nasenschmuck wieder.
Bis heute bilden Schweine für die Eipo eine wichtige Lebensgrundlage.
Angela Dinter
Wild- und Hausschweine
Schweine gibt es überall im Hochland von Irian Jaya. Dabei wird zwischen Haus- und Wildschweinen unterschieden. In manchen Hochlandgebieten gibt es zudem halb domestizierte Wildschweine. Diese Schweine sind nicht vergleichbar mit bekannten Hausschweinrassen, denn es handelt sich um eher kleine, behaarte Tiere, die dunkel gefärbt sind und manchmal helle Flecken an Kopf oder Hals haben. Sie bewegen sich auch im schwierigen Gebiet des Berglandes sehr geschickt