Kaninchen – stumme Opfer der Mastindustrie

13.04.2011: Der Osterhase als Sinnbild von Leben und Wiedergeburt ist nicht umsonst das Symbol der Fruchtbarkeitsgöttin. Hasen vermehren sich nicht nur schnell, sondern auch ihr Fleisch wird sehr geschätzt. Rund um den Erdball werden Kaninchen gemästet und ihr Fleisch um die Welt befördert.

Der weltweit größte Produzent ist China. In Europa führt Italien mit 300.000 Tonnen, es folgen Frankreich mit 150.000 und Spanien mit 120.000 Tonnen. Der Pro-Kopf-Verbrauch bei Kaninchenfleisch wird in Deutschland auf 0,5 kg geschätzt. Zum Vergleich: In Italien liegt der Verbrauch bei 5,6 kg. Von Weihnachten bis Ostern ist hierzulande die Nachfrage nach Kaninchenfleisch am größten.

Früher wurden Kaninchen im Stall hinterm Haus gehalten. Die Hobbykaninchenhaltung hat besonders im Osten Deutschlands Tradition. Sachsen nimmt hier eine bedeutende Stellung ein. Nach der Wende gab es hier 12 Haupterwerbsbetriebe mit 350 bis 1400 Zuchthäsinnen und 50 Zuchtbetriebe im Nebenerwerb mit je 50 Häsinnen. Doch nur wenige Betriebe mit einer guten Direktvermarktung existieren noch heute.

In der Kaninchenmast zählen unterm Strich Schlachtkörpergewicht und – wert, Schlachtausbeute, Inhaltsstoffe und Fleischqualität. Es werden hauptsächlich Teilstücke vermarktet: Keule, Vorderhand und Rücken erfreuen sich großer Nachfrage. Es werden nur solche Rassen gemästet, die das meiste Fleisch liefern. Zum Beispiel setzen Zika-Hybride mit rund 3 kg ein halbes bis ein Kilo mehr Fleisch an als die Rassen Castor Rex und Holländer.

Die Käfighaltung mit Rostböden ohne Einstreu ist die am meiste verbreitete Haltungsform in der gewerblichen Mast. Hier hocken die Kaninchen in Gruppen in engen Drahtkäfigen auf Gitter- oder Plastikrostenboden und warten auf ihren Tod. Empfohlen wird eine Fläche von rund 600 cm² je Tier. Das sind 16,6 ausgewachsene Tiere auf einem Quadratmeter. Die Tiere haben keine Ausweichmöglichkeiten, fallen übereinander her und beknabbern sich gegenseitig. Dieses Verhalten wird von Wissenschaftlern gerne mit der Geschlechtsreife erklärt. Doch hat es wohl in erster Linie mit Platzmangel zu tun. Die großmaschigen dünnen Drähte schneiden sich in die Pfoten der Tiere und verletzen ihre Läufe. Käfige mit Drahtböden werden als besonders hygienisch angepriesen. Doch Krankheitskeime entwickeln sich nachweislich besonders gut in geschlossenen Stallsystemen (siehe Vogelgrippe und Geflügelmast). So wurden in einem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, s. unten) digestive Fehlfunktionen (Darmerkrankungen) durch ERE (epizootic rabbit enteropathy) nachgewiesen. Während erhöhte Antibiotika-Gaben die hohen Mortalitätsraten von bis zu 12 Prozent nicht senken konnten, gelang dies durch steigende Rohfaseranteile im Futter. Strukturierte Käfige mit Stroh, Knabberhölzer und erhöhte Sitzebenen wurden hingegen von den Kaninchen gerne angenommen.

Die Missstände in der Kaninchenmast werden schon seit Jahren von vielen Tierschutzverbänden kritisiert. Doch anstatt endlich gesetzliche Vorgaben einzuführen, wird deutsches Kaninchenfleisch aus dem Sortiment des Einzelhandels gestrichen. Die Lücke wird entweder von anderen Fleischarten aus der Mastindustrie gefüllt, oder es wird Kaninchenfleisch importiert. Dabei haben die Deutsche Gruppe der World Rabbit Science Association (WRSA) und der DLG-Ausschuss für Kaninchenzucht der DLG e.V. 2007 Leitlinien für Mindeststandards zur Kaninchenhaltung vorgelegt, die vor zwei Jahren novelliert wurden. In dieser Arbeit sind aktuelle Forschungsergebnisse unter Berücksichtigung des Tierschutzes eingeflossen. Doch die Leitlinie dient eben nur der Orientierung, gesetzlich verpflichtend ist sie nicht. Eine gesetzlich bindende Verordnung für Kaninchenhaltung gibt es nur in Holland.

PROVIEH fordert ein grundsätzliches Verbot der Käfighaltung. Denn am besten bekommt den Kaninchen die Haltung im Freiland. Warum das so ist und wie Kaninchen auf der Wiese leben, lesen Sie im aktuellen PROVIE-Magazin 1/2011.

Susanne Aigner, Fachreferat Witzenhausen


Weiterführende Quellen:

Lang, Caroline: KLINISCHE UND ETHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR HALTUNG WACHSENDER KANINCHEN http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2009/7282/pdf/LangCaroline_2009_07_01.pdf

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