Schafe

Vom Wert der Schafe, der Wolle und wie sich die Schäferei verändert hat

Schafe leben schon seit sehr langer Zeit an der Seite des Menschen. Sie wurden etwa 10.000 vor Christus in den vorderasiatischen Bergländern domestiziert. Neben den Hunden sind sie die Haustiere mit der längsten Nutzungsgeschichte. Zunächst wurden Schafe überwiegend als Fleischlieferanten genutzt. Die Verwendung von Fleisch und Wolle ist erstmals in den Zeichnungen der Sumerer zu sehen, um rund 3.000 vor Christus. Nach Deutschland kamen die Schafe vor rund 6.000 bis 8.000 Jahren im Zuge der Völkerwanderungen. 

Schafwolle

Im 19. Jahrhundert erreichte die deutsche Schafzucht mit rund 30 Millionen Tieren ihren Höhepunkt. Bedingt durch die damalige Tuchproduktion wurde die Wolle der Schafe immer wertvoller, weshalb die Tiere nun überwiegend als Wolllieferanten genutzt wurden. Durch die Entdeckung alternativer chemischer Fasern und Baumwolle, verlor die Schafwolle jedoch rapide an Wert und Bedeutung für die Textilindustrie. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland nur noch rund fünf Millionen Schafe. Erhielt 1950 der deutsche Schafhalter noch 4,50 DM für ein Kilogramm Wolle, sind es heute je nach Qualität häufig weniger als 0,50 Euro. Damit werden nicht einmal die Kosten der Schur gedeckt. 

Ein paar Fakten zum Fleisch

Rund ein Kilogramm Schaf- und Ziegenfleisch, vornehmlich Lammfleisch, verzehrt jeder Bundesbürger im Jahr. Gegenüber einem Gesamtfleischverzehr von 52 Kilogramm im Jahre 2022 ist dies eine eher geringe Menge. In deutschen Schlachthöfen starben 2013 dennoch über eine Millionen Schafe, 884.000 davon waren Lämmer. Gut die Hälfte des in Deutschland verzehrten Lammfleisches stammt aus dem Ausland. Und gerade zu Ostern steigt die Nachfrage extrem an. Große Fleischmengen werden vor allem aus Neuseeland importiert. Dort werden Schaffleisch wie auch Wolle besonders günstig produziert.

Schafhaltung heute 

Zur Schafthaltung gibt es in Deutschland keine spezifischen gesetzlichen Regelungen. In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung finden sie bislang keine Berücksichtigung. Die Haltungsformen wie auch die Herdengrößen unterscheiden sich zum Teil sehr voneinander. Im November 2022 gab es laut Statistischem Bundesamt gut 9000 Betriebe mit rund 1,5 Millionen Schafen. Hierbei sind die Hobbyhaltungen mit unter 20 Tieren nicht erfasst. Die meisten Schafe werden in Bayern gehalten, gefolgt von Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Zu den Haltungsformen zählen die Deichschäferei, die Wanderschafhaltung, die Landschaftspflege, die Koppelhaltung, die Almhaltung und die ganzjährige Stallhaltung. Die Schafhaltung ist in Deutschland die an wenigsten industrialisierte Nutztierhaltung. Es gibt im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Spanien mit Intensiv-Mastanlagen keine allgemein gängigen Haltungssysteme beispielsweise zur Lämmermast. Die Haltungen sind sehr vielfältig und betriebsindividuell. Durch den unaufhaltsamen Strukturwandel haben unter anderem Wanderschafhaltungen stark abgenommen. Überwiegend verbringen die Schafe nach einem Winter im Stall den Rest des Jahres auf den Weiden. 

Besonders die Landschaftspflege macht einen wichtigen Anteil für schafhaltende Betriebe aus. Die Beweidung von Biotopen und Naturschutzflächen bedeutet einen wichtigen Beitrag zum einen durch den Erhalt der Flächen und zum anderen durch den Transport von Samen und Insekten, die über das Fell und den Kot auf den Weidegebieten verteil werden. In Bergregionen wie auch auf Deichflächen sorgen die Schafe mit ihren Klauen für eine Verdichtung und damit Stabilisierung des Bodengefüges und pflegen gleichzeitig die Flächen auf schonende Weise. Die Landschaftspflege und die Mastlämmerhaltung sind wirtschaftlich für die Schafhalter:innen am wichtigsten.  

Schafe können saisonal im Herbst oder ganzjährig (asaisonal) brünstig sein. Die Tragzeit bei Schafen variiert je nach Rasse. Durchschnittlich kommen die Lämmer nach rund 150 Tagen zur Welt. Die meisten Muttertiere gebären ein bis zwei Lämmer, selten Drillinge. Etwa zwölf Stunden vor der Geburt zeigen die werdenden Muttertiere bereits Interesse an neugeborenen Lämmern anderer Herdenmitglieder. Kurz vor der Geburt werden sie in der Regel unruhig, scharren und beginnen bereits mit dem „Lämmer-Lockruf“. Die meisten Geburten finden während typischer Ruhezeiten in der Morgendämmerung oder beispielsweise am Nachmittag oder frühen Abend statt. Schon kurze Zeit nach der Geburt steht das Muttertier auf und beginnt das Neugeborene trocken zu lecken. Dabei gibt es einen tiefen, gurgelnden Laut ab, den „Lämmer-Lockruf“. Wenige Stunden nach der Geburt ist eine feste Mutter-Kind-Bindung entstanden. Nach acht Stunden erkennt die Mutter ihre Lämmer am Geruch und weist fremde zurück. Drei bis fünf Tage nach der Geburt erkennt ein Lamm seine Mutter am Aussehen und nach vier Wochen kann es das Rufen der Mutter von dem anderer unterscheiden. Ruhephasen verbringen Mutter und Kind eng aneinandergeschmiegt. Schnell bilden die Lämmer „Spielgruppen“ mit anderen Jungtieren und tollen umher. Entfernen sich die Lämmer zu lange von ihren Müttern, laufen diese zu ihnen und rufen sie heran. 

Weideverhalten

Lämmer auf der Weide
Lämmer auf der Weide © Pixabay

Kommen die Lämmer gemeinsam mit ihren Müttern auf die Weide, erlernen sie das Weiden und die richtige Futterwahl, indem sie ihnen auf engem Abstand folgen. Erst nach dieser Eingewöhnungszeit entfernen sich die Lämmer weiter von ihren Müttern und bilden Jungtiergruppen. Aber auch dann kommen die Lämmer regelmäßig zum Trinken zu ihrer Mutter zurück. Das Säugen dient dabei nicht allein zur Sättigung, sondern beruhigt die Jungtiere beispielsweise nach Stresssituationen. Die Mutter-Kind-Bindung bleibt bestehen. Selbst nach mehrmonatiger Trennung erkennen sich die Tiere wieder. Eine natürliche Aufzucht ist ideal für Mutter und Kind. Zudem gliedern sich die Jungtiere reibungslos in die Herde ein. Leider dürfen nicht alle Lämmer tiergerecht aufwachsen. 

Zum Teil erfolgt die Aufzucht und Mast komplett auf den Herkunftstbetrieben und zum Teil werden, wie auch bei den Kälbern, Tiere im Alter zwischen drei und sechs Monaten an den Händler verkauft. Von dort ist der Verbleib für die Halter:innen ungewiss (Mast im In- und Ausland, etc.). Problematisch ist auch das Fehlen von Schlachtstrukturen und die oft langen Transporte zum Schlachtbetrieb. Ein großer Markt für Lamm- und Schaffleisch liegt im Bereich des „Halal-Fleisches“, welches eine besondere Form der Schlachtung (in der Regel durch einen Kehlschnitt ohne Betäubung) vorsieht und eine Sondergenehmigung der Schlachtstätten voraussetzt. Ein Teil der Tiere wird ins Ausland verkauft und auch der Transport insbesondere in muslimische geprägte Länder findet statt.   

In Deutschland sind vier Formen der Lämmeraufzucht- und –mast üblich, wobei diese von Region zu Region variieren können.

Die künstliche, mutterlose Aufzucht wird fast ausschließlich bei Milchschafen angewandt, wo die Milch der Mutterschafe nicht für das Lamm, sondern ausschließlich für den menschlichen Verzehr verwendet wird. Die Lämmer werden wenige Stunden bis sieben Tage nach der Geburt von der Mutter getrennt und mit Milchaustauscher, Kuhmilch oder Vollmilchpulver aufgezogen. Wenige, vor allem Biobetriebe, betreiben auch die verhaltensgerechte, natürliche muttergebundene Auftzucht.

Bei der Intensivmast bleiben die Lämmer lediglich acht Wochen bei ihrer Mutter. Durch einen sogenannten Lämmerschlupf bekommen sie dabei bereits Zugang zu Mastfutter. Nach dem frühzeitigen Absetzen von der Mutter werden die Lämmer in relativ kurzer Zeit in Stallhaltung gemästet. Die Mutter kann dadurch schneller wieder gedeckt werden und erneut lammen.

Bei der Extensiv- oder Wirtschaftsmast bleiben die Lämmer entweder rund 12 bis 16 Wochen bei den Müttern oder erhalten nach früher Trennung Kuhmilch oder Milchaustauscher. Im Anschluss werden sie bis zum gewünschten Schlachtalter mit Gras- oder Maissilage sowie Kraftfutter gemästet. Diese Tiere werden langsamer aufgezogen, aber auch hier ist eine Stallhaltung üblich. 

Bei der Weidelämmermast werden die Lämmer entweder wie bei der Wirtschaftsmast nach drei bis vier Monaten von den Müttern getrennt und dann auf Weiden aufgezogen oder sie bleiben bis zur Schlachtung bei ihren Müttern im Herdenverband. Böcke werden mit Erreichen der Geschlechtsreife von der Herde getrennt oder kastriert. Teilweise erhalten die Lämmer Zugang zu frischen, gehaltvolleren Weiden oder zu Kraftfutter. Sie werden im Alter von acht bis neun Monaten geschlachtet.

Es gibt drei Bezeichnungen, an denen das Alter des geschlachteten Lammes zu erkennen ist: Frühlingslamm (höchstens acht Wochen alt), Milchlamm (bis zu sechs Monate) und Mastlamm (sechs bis zwölf Monate). Die Mutterschafe werden durchschnittlich mit sechs bis sieben Jahren „aussortiert“ und zur Schlachtung verkauft.

Verbrauchertipp

Die Schafhaltung in Deutschland erfolgt im Vergleich zur Haltung anderer Nutztierarten aufgrund der ausgedehnten Weidehaltung oftmals relativ tiergerecht und extensiv. Wenn Sie nicht auf Ihren Lammbraten verzichten wollen, dann informieren Sie sich allerdings so ausführlich wie möglich über die Herkunft und Aufzuchtform des Lammes, von dem Ihr Fleisch stammt. Idealerweise kaufen Sie bei Kleinhalter:innen oder Schäfer:innen aus Ihrer Region und überzeugen sich dort von den Haltungsbedingungen für Muttertiere und Nachzucht und der Aufzuchtform der Lämmer. Zu bevorzugen ist in jedem Fall die extensive Aufzucht in Weidehaltung. Hier darf das Lamm bei seiner Mutter bleiben und langsam heranwachsen. Leider fehlen in der extensiven Haltung teilweise Witterungsschutz insbesondere im Sommer bei großer Hitze, ausreichend Wasser, Parasitenmananagement und Klauenpflege. Zudem mangelt es bei einigen Halter:innen an Tierkontrollen, so dass kranke, hilfsbedürftige Tiere länger unentdeckt bleiben oder beispielsweise erst durch Spaziergänger bemerkt werden. Sprechen Sie darüber mit Schafhalter:innen aus ihrer Region, wenn Sie unsicher sind.

Kathrin Kofent

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