Durchblick bei Siegeln und Labeln
Haltungskennzeichnung des Handels
Viele Supermärkte haben seit dem 1. April 2019 eine einheitliche Haltungskennzeichnung auf Fleischprodukte eingeführt. Die Kennzeichnung gibt Aufschluss darüber, ob ein Tier nur im Stall stand oder auch Auslaufmöglichkeiten im Freien genießen durfte. Lidl, Netto, Aldi, Penny, REWE, Edeka und Kaufland haben sich auf vier farblich gekennzeichnete Stufen verständigt, die dem Verbraucher Auskunft über das Leben des Tieres vor der Schlachtung geben sollen.
Grundsätzlich gilt immer: Haltungsform 1, überall „Stallhaltung“ genannt, entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, bietet also keine Verbesserungen für das Tier. Haltungsform 2 „Stallhaltung Plus“ entspricht überall den Kriterien der Initiative Tierwohl. Das bedeutet leider nur völlig unzureichende Verbesserungen für das Tier. Haltungsform 3, genannt „Außenklima“, bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die Tiere hier Auslauf haben. In den allermeisten Fällen genügt ein sogenannter „Offenfrontstall“, der den Tieren zwar über eine offene Seite Klimareize bietet, aber nicht zwingend einen Auslauf nach draußen. Haltungsform 4 entspricht den Kriterien des EU-Biosiegels oder alternativ auch der Premiumstufe des Labels des Deutschen Tierschutzbundes. Leider orientiert sich diese Haltungskennzeichnung nicht an der bereites erfolgreich etablierten Eier-Kennzeichnung nach dem Schulnotensystem, sondern ist genau umgekehrt.
Mit der neuen vierstufigen Haltungskennzeichnung markieren die Händler das Fleisch, welches in den Selbstbedienungstheken ausliegt und von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten stammt. Verarbeitetes Fleisch wie Fertigprodukte und Fleisch in Konserven sind von der Kennzeichnung ausgeschlossen. Im Wesentlichen hat der Handel mit seiner nun einheitlichen Haltungskennzeichnung das bestehende Fleischangebot nach den unterschiedlichen Haltungsformen geordnet.
Laut dem bundesweiten Marktcheck der Verbraucherzentrale im Sommer 2019 besteht das Angebot im Handel zu mehr als der Hälfte aus der Haltungsform 1, hauptsächlich Fleischangebote vom Schwein und vom Rind. Etwa ein Drittel des Angebotes wird mit der Haltungsform 2 angepriesen, wobei es sich dabei zu 97 Prozent um Geflügelfleischprodukte handelt. Die einzigen beiden Stufen, die tatsächlich für mehr Tierwohl stehen, Haltungsform 3 und 4, machten bei dem Marktcheck insgesamt nur weniger als 10 Prozent des Angebotes aus. Hier war die Haltungsform 3 besonders selten vertreten (1,7 Prozent) und Rindfleisch konnte man in dieser Stufe gar nicht kaufen.
Seit Jahren kämpft PROVIEH bereits für eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung, wie es sie bei Frischeiern schon gibt. Bei den Eiern war die Kennzeichnung von 0 bis 3 ein großer Erfolg. Die Nachfrage nach Bio-Eiern (Nummer 0) steigt stetig an, während die bewusste Entscheidung der Käufer zu einer Verdrängung der Käfigeier (Nummer 3) geführt hat. Wir wollen, dass auch beim Kauf von Fleisch- und Milchprodukten für Konsumenten ganz klar ersichtlich wird, wie Schweine, Rinder und Hühner gelebt haben. Denn nur wenn die Haltungsform beim Kauf transparent gemacht wird, können wir uns dafür entscheiden, eine bessere Form der Tierhaltung zu unterstützen.
Was steckt hinter dem Begriff „Bio“?
Eine ökologische Erzeugung bedeutet besonders nachhaltig mit der Umwelt und den darin befindlichen Lebewesen umzugehen und bezieht sich dabei auf alle Ebenen der Produktion. Ein Produkt darf seit 2001 das deutsche, sechseckige Bio-Siegel tragen, wenn mindestens 95 Prozent der Bestandteile ökologischen Ursprungs sind. Unter Einhaltung der EG-Öko-Verordnung wird folgendes vorgegeben: Verbot von chemischen Pestiziden und genveränderten Organismen, eingeschränkter Antibiotika Einsatz, Verwendung natürlicher Düngemittel und Futter sowie Förderung von Freilandhaltung.
Zudem wurden bestimmte Bezeichnungen, wie beispielsweise „kontrolliert bio- oder ökologisch“, „ökologischer Landbau“ oder „biologisch-dynamisch“ geschützt. Bezeichnungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „unter unabhängiger Kontrolle“ sind hingegen keine geschützten Begriffe und suggerieren lediglich mehr Tierwohl.
Leider bleibt dabei häufig unberücksichtigt, dass das deutsche Bio-Siegel sowie das grüne EU-Bio-Siegel, welches 2010 eingeführt wurde, nur die Mindeststandards für eine biologische Erzeugung in Deutschland und der Europäischen Union festlegt.
Auch die Handelsmarken mischen in Sachen Bio-Siegel ordentlich mit. Die Auswahl an Bio-Eigenmarken ist immens groß und verteilt sich von den Supermärkten über die Drogeriemärkte. Edeka-Bio, Rewe-Bio, Alnatura, enerbio oder GutBio, um nur einige zu nennen. Sie beziehen sich ebenso auf die EU-Öko-Verordnung. Dementsprechend setzen diese Siegel auf dieselben Vorgaben wie das deutsche und das EU-Bio-Siegel.
Mehr als Bio-Standard?
Wem die Bio-Mindeststandards nicht ausreichen, sollte einen Blick auf die ökologisch wirtschaftenden Anbauverbände werfen. Darunter sind Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis, Gäa und Biopark. Sie folgen häufig weitergehenden Kriterien, nicht nur in der Tierhaltung. Richtlinien, die übergreifend alle Verbände einhalten, sind unter anderem: ganzjähriger Auslauf und Weidegang wenn die Witterung dies zulässt, gentechnikfreies Futter, Wahl robuster Rassen statt Hochleistungsrassen, flächengebundene Tierhaltung und kurze Transportwege zum Schlachthof.
Hat man im stressigen Alltag keine Zeit sich mit diesem Siegel-Wahn auseinander zu setzen, möchte aber dennoch auf eine artgemäße Tierhaltung nachhaltige Anbaumethoden achten, ist es ein guter Anfang Produkte mit dem Bio-Siegel zu wählen. Die biologisch wirtschaftenden Anbauverbände gehen noch weiter. Produkte mit diesen Siegeln finden Sie vorwiegend in Bioläden. Zu guter Letzt sind noch diejenigen Landwirte zu nennen, die artgemäße Tierhaltung betreiben und ihre Erzeugnisse direkt verkaufen, ohne in einem Anbauverband zu sein. Am besten können Sie sich vor Ort über die Haltungsbedingungen erkundigen. Häufig bieten diese Betriebe auch Hofbesichtigungen an.
Bioland e.V.:
Seit 1976 besteht der Bioland-Verband für organisch-biologischen Landbau e.V.
Gebildet aus dem ersten, 1971 gegründeten Bio-Verein für Gemüse durch die organisch-biologische Landbaumethode von Dr. Hans Müller und Dr. Hans Peter Rusch.
Heute sind 7.744 Betriebe und 1.153 Handelspartner Teil von Bioland, welches seit 2018 sogar bei LIDL erhältlich ist.
Naturland e.V.:
1982 wurde der Naturland e.V., Verband für ökologischen Landbau in Gräfelfing bei München gegründet und ist seit 1986 weltweit vertreten.
Erzeuger verteilen sich auf 58 Ländern mit rund 65.000 Bäuerinnen und Bauern, davon 3.700 Erzeuger in Deutschland.
Demeter e.V.:
Bio-dynamische Bewirtschaftung seit 1924.
Teil von Demeter sind 300 Demeter-Hersteller, 100 Hof Verarbeiter, 140 Vertragspartner
sowie 1.600 Betriebe in Deutschland. Im Rahmen einer Fördermitgliedschaft kann der Verbraucher sich in den Verband einbringen.
Biokreis e.V.:
Verband für ökologischen Landbau und gesunde Ernährung, gegründet 1979.
Wirtschaften im Einklang mit der Natur.
1200 Landwirte, über 150 Verarbeiter, Händler etc. sind Teil von Biokreis.
Gäa e.V.:
1989 in der DDR gegründet, um den biologischen Anbau in den neuen Bundesländern auszuweiten
458 Höfe sind Teil von Gäa, vorwiegend Ostdeutschland.
Biopark e.V.:
1991 von Frau Prof. Heide-Dörte Mattheus sowie Landwirten und Wissenschaftlern in Mecklenburg-Vorpommern gegründet. 500 Betriebe in Deutschland, davon 300 Betriebe in Naturschutzgebieten, 100 Verarbeiter und Händler Öko-Junglandwirte-Netzwerk bietet jungen Landwirten die Möglichkeit zum Austausch.