Durchblick bei Siegeln und Labeln

Haltungskennzeichnung des Handels

Im April 2019 wurde von der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH eine einheitliche freiwillige Haltungskennzeichnung auf Fleisch- und Milchprodukte eingeführt. Die Kennzeichnung gibt Aufschluss darüber, ob ein Tier nur im Stall stand oder auch Auslaufmöglichkeiten im Freien genießen durfte und wie hoch das Tierwohl-Niveau ist. Partner in diesem Programm sind aktuell Lidl, Netto, Aldi Nord, Aldi Süd, Penny, REWE, Edeka, Kaufland und die Bünting Gruppe (COMBI, FAMILA). 

Begonnen hat die Klassifikation der mit vier farblich gekennzeichneten Stufen von 1 bis 4. Im August 2023 ist das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung (TierHaltKennzG) in Kraft getreten. Aufgrund der Einführung dieser verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung, die zunächst für Schweinefleisch startete, wurde die freiwillige Klassifikation des Handels in Anlehnung an das hier fünfstufige Bewertungssystem angepasst. Seit Juli 2024 geben dem Verbraucher deshalb fünf Stufen Auskunft über das Leben der Tiere vor der Schlachtung.  

Dies hat sich bei Umstellung auf fünf Stufen verändert: 

  1. Die Bezeichnungen der einzelnen Stufen haben sich geändert, damit sie zu den Vorgaben des staatlichen Tierhaltungskennzeichengesetzes (TierHaltKennzG) passen. Das Ziel: staatliche und freiwillige Kennzeichnungen sollen besser zusammenpassen, damit es für Verbraucher klarer ist.
  2. Das staatliche TierHaltKennzG galt bisher nur für Schweine. In den fünf freiwilligen Stufen des Handels sind bereits neben Schwein auch Rind, Geflügel, Milchkühe und Kaninchen eingeschlossen, während das staatliche TierHaltKennzG bisher nur für Schweine in die Umsetzung kommt..
  3. Haltungen entsprechend der EU-Ökoverordnung oder von Bio-Anbauverbänden (siehe unten) wandern von Stufe 4 in die neue Stufe 5. Bis zum Sommer 2025 soll die Umstellung der Haltungsform-Kennzeichnung bei den teilnehmenden Unternehmen abgeschlossen sein. Bis dahin kann es möglich sein, dass Verbraucher auf Produkten im Handel sowohl die vierstufige als auch die fünfstufige Kennzeichnung finden.  

Etwas verwirrend ist, dass die Bewertung umgekehrt zum deutschen Schulnotensystem und der bestehenden Eierkennzeichnung verwendet wird. „Mangelhaft“, entspricht Haltungsform 1 und „sehr gut“, beschreibt die Haltungsform 5:  

Haltungsform 1, überall „Stallhaltung“ genannt, entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, bietet also keine Verbesserungen für das Tier und wird von PROVIEH als absolut nicht tiergerecht abgelehnt. Das häufig in dieser Form zu findende QS-Siegel ist – wie alle anderen Siegel in Haltungsform 1 – lediglich ein Qualitätssicherungs-Siegel und verlangt keine Tierwohlstandards. 

Haltungsform 2 „Stall + Platz“ liegt knapp über dem gesetzlichen Mindeststandard. Das bedeutet leider nur völlig unzureichende Verbesserungen für das Tier durch etwas mehr Platz.  

Haltungsform 3, genannt „Frischluftstall“, bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass de Tiere hier Auslauf im Freien haben. Es genügt tatsächlich ein offenes Fenster. Im Idealfall handelt es sich um eine sogenannte „Offenfrontstallhaltung“, die den Tieren über eine offene Seite Außenklimareize bietet. Vorteilhaft ist, dass viele Haltungen durch Reduktion der Tierdichte und Öffnen einer Stallwand schnell und kostengünstig umgebaut werden können und so zumindest etwas mehr Komfort bieten. 
 
Bei Haltungsform 4 „Auslauf/Weide“ ist bei Stallhaltung der Zugang zu Freigelände oder zumindest einem Außenklimabereich vorgeschrieben.  

Stufe 5 ist die „Bio“-Stufe und entspricht den Kriterien des EU-Biosiegels. Es fallen aber auch alle Bio-Anbauverbände darunter, deren Standards in Teilen höher sind. Zu beachten ist, dass es in Biobereich Ausnahmen für die Anbinde- sowie die Weidehaltung gibt.   
Die Mindestanforderungen der fünf Haltungsform-Stufen können Sie hier herunterladen. 

Mit der fünfstufigen Haltungskennzeichnung markieren die Händler Milchprodukte und das Fleisch, welches in den Selbstbedienungstheken ausliegt und von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten stammt. Verarbeitetes Fleisch wie Fertigprodukte und Fleisch in Konserven sind von der Kennzeichnung ausgeschlossen. Im Wesentlichen hat der Handel mit seiner nun einheitlichen Haltungskennzeichnung das bestehende Fleischangebot nach den unterschiedlichen Haltungsformen geordnet.

Unter diesem Link finden Sie eine Übersicht, in welche Stufe die bestehenden Tierwohlsiegel eingeordnet sind: https://haltungsform.de/im-ueberblick/

In einer Pressemitteilung vom 16.1.2025 hat die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH die aktuellen Zahlen von 2023 im Vergleich zum Vorjahr veröffentlicht. Diese zeigen für Selbstbedienungstheken

  • bei Schweinefleisch einen Anteil von 90,5% in Stufe 2 (Vorjahr 84,9%)
  • bei Geflügel einen Anteil von 89,8% (Hähnchen) und 91,5% (Pute) in Stufe 2, mit Zuwachs in Stufe 3
  • bei Rindfleisch 13,4% ohne Haltungsform (Vorjahr 36,8%) und 27,4% in Stufe 3 (Vorjahr 19,8%)
  • bei Milch 44,9% ohne Haltungsform (Vorjahr 81,9%) und Anstieg in Stufe 4 von 11,7% im Jahr 2022 auf 13,8% im Jahr 2023

Ein positiver Trend ist erkennbar. Jedoch geht dies sehr langsam voran, und die unteren Stufen der Haltungsformen stehen nicht für großes Tierwohl.

Seit Jahren kämpft PROVIEH bereits für eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung, wie es sie bei Frischeiern schon gibt. Bei den Eiern war die Kennzeichnung von 0 bis 3 ein großer Erfolg. Die Nachfrage nach Bio-Eiern (Nummer 0) steigt stetig an, während die bewusste Entscheidung der Käufer zu einer Verdrängung der Käfigeier (Nummer 3) geführt hat. Wir wollen, dass auch beim Kauf von Fleisch- und Milchprodukten für Konsumenten ganz klar ersichtlich wird, wie Schweine, Rinder und Hühner gelebt haben. Denn nur wenn die Haltungsform beim Kauf transparent gemacht wird, können wir uns dafür entscheiden, eine bessere Form der Tierhaltung zu unterstützen.

Was steckt hinter dem Begriff „Bio“, also Haltungskennzeichnung Stufe 5?   

Eine ökologische Erzeugung bedeutet besonders nachhaltig mit der Umwelt und den darin befindlichen Lebewesen umzugehen und bezieht sich dabei auf alle Ebenen der Produktion. Ein Produkt darf seit 2001 das deutsche, sechseckige Bio-Siegel tragen, wenn mindestens 95 Prozent der Bestandteile ökologischen Ursprungs sind. Unter Einhaltung der EG-Öko-Verordnung wird folgendes vorgegeben: Verbot von chemischen Pestiziden und genveränderten Organismen, eingeschränkter Antibiotika Einsatz, Verwendung natürlicher Düngemittel und Futter sowie Förderung von Freilandhaltung. 
Zudem wurden bestimmte Bezeichnungen, wie beispielsweise „kontrolliert bio- oder ökologisch“, „ökologischer Landbau“ oder „biologisch-dynamisch“ geschützt. Bezeichnungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „unter unabhängiger Kontrolle“ sind hingegen keine geschützten Begriffe und suggerieren lediglich mehr Tierwohl.  
Leider bleibt dabei häufig unberücksichtigt, dass das deutsche Bio-Siegel sowie das grüne EU-Bio-Siegel, welches 2010 eingeführt wurde, nur die Mindeststandards für eine biologische Erzeugung in Deutschland und der Europäischen Union festlegt.  

Auch die Handelsmarken mischen in Sachen Bio-Siegel ordentlich mit. Die Auswahl an Bio-Eigenmarken ist immens groß und verteilt sich von den Supermärkten über die Drogeriemärkte. Edeka-Bio, Rewe-Bio, Alnatura, enerbio oder GutBio, um nur einige zu nennen. Sie beziehen sich ebenso auf die EU-Öko-Verordnung. Dementsprechend setzen diese Siegel auf dieselben Vorgaben wie das deutsche und das EU-Bio-Siegel. 

Mehr als Bio-Standard?  

Wem die Bio-Mindeststandards nicht ausreichen, sollte einen Blick auf die ökologisch wirtschaftenden Anbauverbände werfen. Darunter sind Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis, Gäa und Biopark. Sie folgen häufig weitergehenden Kriterien, nicht nur in der Tierhaltung. Richtlinien, die übergreifend alle Verbände einhalten, sind unter anderem: ganzjähriger Auslauf und Weidegang, wenn die Witterung dies zulässt, gentechnikfreies Futter, Wahl robuster Rassen statt Hochleistungsrassen, flächengebundene Tierhaltung und kurze Transportwege zum Schlachthof. 

Hat man im stressigen Alltag keine Zeit sich mit diesem Siegel-Wahn auseinander zu setzen, möchte aber dennoch auf eine artgemäße Tierhaltung und nachhaltige Anbaumethoden achten, ist es natürlich optimal, regional bei Landwirten „um die Ecke“ zu kaufen, die artgemäße Tierhaltung betreiben und ihre Erzeugnisse direkt verkaufen, ohne in einem Anbauverband zu sein. Am besten können Sie sich vor Ort über die Haltungsbedingungen erkundigen. Häufig bieten diese Betriebe auch Hofbesichtigungen an. 

Beim Kauf im Laden ist es ein guter Anfang, Produkte mit dem Bio-Siegel zu wählen. Die biologisch wirtschaftenden Anbauverbände gehen noch weiter. Produkte mit diesen Siegeln finden Sie vorwiegend in Bioläden. Ein paar dieser Siegel stellen wir hier vor. Die vollständige Übersicht mit allen Tierwohl-Kriterien finden Sie hier unter dem Link:  https://www.oekolandbau.de/bio-zertifizierung/richtlinien-der-oeko-anbauverbaende/

Bioland e.V.:  

Bioland Logo

Bioland ist der größte deutsche Bio-Verband. 7.784 Betriebe bewirtschaften 488.912 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (Stand 1.1.2022, Quelle BÖLW). Hinzu kommen über 1.000 Partner aus Herstellung und Handel (Bäckereien, Molkereien, Metzgereien und Gastronomie). Seit 2016 sind Bioland und der Anbauverband Gäa Kooperationspartner mit gleichen Richtlinien, Zertifizierungsverfahren und einem einheitlichen Beitragssystem. In der Partnerschaft bleiben beide Verbände jedoch weiterhin eigenständige Vereine mit ihren jeweiligen Markenzeichen.

Naturland e.V.:  

Naturland Logo

1982 wurde der Naturland e.V., Verband für ökologischen Landbau in Gräfelfing bei München gegründet und ist seit 1986 weltweit vertreten. 

Naturland ist nach Bioland der zweitgrößte Anbauverband in Deutschland und versteht sich als Pionier in Bereichen, die in der EU-Öko-Verordnung sowie auch in den Richtlinien anderer Anbauverbände (zunächst) nicht geregelt waren, wie die ökologische Aquakultur, die nachhaltige Fischerei oder die ökologische Waldnutzung. Mit der Zertifizierung „Naturland Fair“ vereint Naturland seit 2010 als einziger Öko-Verband ökologische Wirtschaftsweisen und fairen Handel in einem Zeichen. Naturland unterstützt die Betriebe in Deutschland und Österreich mit einem umfassenden Beratungsangebot vom Anbau bis zur Vermarktung.

4.477 landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe bewirtschaften 286.405 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland (Stand 1.1.2022, Quelle: BÖLW). Hinzu kommen 53.000 Hektar nach Naturland-Richtlinien bewirtschafteter Wald. Weltweit sind Naturland 140.000 Bäuerinnen und Bauern, Imkerinnen und Imker und Fischwirtinnen und Fischwirte in fast 60 Ländern angeschlossen.

Demeter e.V.: 

Demeter Logo

Bio-dynamische Bewirtschaftung seit 1924. Demeter ist der älteste Bio-Verband in Deutschland. Aufgrund der lebendigen Kreislaufwirtschaft gilt die Demeter-Landwirtschaft als eine sehr nachhaltige Form der Landbewirtschaftung.  Im Rahmen einer Fördermitgliedschaft kann der Verbraucher sich in den Verband einbringen. Demeter ist als internationale Bio-Marke auf allen Kontinenten vertreten.

1.778 Demeter-Betriebe bewirtschaften 106.882 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (Stand 1.1.2022, Quelle Demeter). Hinzu kommen 353 Demeter-Hersteller und etwa 98 Hofverarbeiter sowie 184 Vertragspartner aus dem Großhandel und 320 Partner aus dem Bio-Fachhandel. 

Biokreis e.V.: 

Biokreis Logo

Verband für ökologischen Landbau und gesunde Ernährung, gegründet 1979. 
Ziel: bäuerliche Landwirtschaft auf Basis von ökologischem Landbau
1.324 Biokreis-Betriebe bewirtschaften 82.236 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (Stand 1.1.2022, Quelle BÖLW). 

Link: https://www.oekolandbau.de/bio-zertifizierung/richtlinien-der-oeko-anbauverbaende/biokreis/

Biopark e.V.: 

Biopark Logo

Zu Biopark zählen Betriebe mit einer durchschnittlichen Größe von 216 Hektar (Stand 1.1.2021). Gründung: 1991. 2004 gründeten fünf Biopark-Betriebe mit elf konventionell wirtschaftenden Nachbarn die erste deutsche gentechnikfreie Zone mit einer Gesamtfläche von fast 10.000 Hektar. Insgesamt bewirtschaften 514 Landwirtschaftsbetriebe 111.416 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche unter dem Biopark-Siegel (Stand 1.1.2022, Quelle BÖLW).

Texte zu den Anbauverbänden sind teilweise von den Beschreibungen auf  www.oekolandbau.de übernommen