Handelsabkommen und die WTO

Eine Welt ohne Handel kann man sich kaum mehr vorstellen: Wein aus Frankreich, Käse aus der Schweiz, die Tomaten aus Italien und Olivenöl aus Griechenland. Das ist Alltagskonsum für die meisten von uns, möglich gemacht durch freie Märkte. Mit Handelsbarrieren ist diese Vielfalt an Lebensmitteln zu außerdem relativ günstigen Preisen nicht möglich. So tragen der freie Binnenmarkt der EU, aber auch Handelsabkommen mit verschiedenen Ländern maßgeblich zu unseren Einkaufsmöglichkeiten bei. 

Durch die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 wurde ein Regelwerk der internationalen Handelspolitik aufgestellt. Alle Mitgliedsstaaten haben sich dem Ziel gewidmet, gegen protektionistische Maßnahmen, Ungleichbehandlung zwischen Staaten vorzugehen und den internationalen Handel berechenbarer zu gestalten. Heute sieht sich die WTO immer mehr Kritik ausgesetzt, da die Interessensheterogenität der Mitgliedsstaaten oftmals keine Lösungen zulassen. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Verhandlungsrunde im Rahmen der WTO in Doha, die sogenannte Doha-Runde. Sie wurde 2001 mit dem Ziel gestartet, umfassende Handelserleichterungen, vor allem für Industrie- und Agrarprodukte sowie Dienstleistungen, zu erreichen und ist bis heute nicht abgeschlossen. Die internationale Handelspolitik ist heute mehr denn je im Wandel. Es geht um wirtschaftliche Macht von aufsteigenden Staaten und die Erhöhung von Zöllen. Zudem kommt es immer wieder zum Vorwurf des Protektionismus. Dies trifft zum Beispiel die EU durch die Erhöhung von Importzöllen für aus den USA eingeführte Güter.

Um diese Maßnahmen zu umgehen, werden zwischen Binnenmärkten beziehungsweise einzelnen Staaten Freihandelsabkommen abgeschlossen. Dazu zählen zum Beispiel CETA (EU-Kanada), TTIP (EU-USA), JEFTA (EU-Japan) oder Mercosur (EU-Südamerika). Mercosur ist ein regionaler Zusammenschluss von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Momentan wird Mercosur verhandelt, viele nichtstaatliche Organisationen und Verbraucher:innen sprechen sich jedoch gegen Mercosur aus. Sogar in der Politik regt sich Unbehagen das größte Freihandelsabkommen der Welt auf dem Rücken von Biodiversität und sozialer Gerechtigkeit zu errichten.10 Das Freihandelsabkommen soll Zölle überwinden und Exportbedingungen erleichtern, doch geht der internationale Handel zu oft zu Lasten der Tiere, die meist nur möglichst günstig produziert werden sollen. So werden höhere Tierschutzstandards einzelner Länder durch Kostendruck und verstärkten Wettbewerb untergraben. Freihandelsabkommen sollten nur mit fairen und stringenten Bedingungen zugelassen werden, die die nationale Tierschutzpolitik nicht untergraben. Die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Mercosur-Staaten sind Ende Juni 2019 abgeschlossen worden. Das Abkommen tritt aber erst in Kraft, wenn der Europäische Rat, das Europäische Parlament sowie alle nationalen Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten zustimmen. 

Gemeinsamer Aufruf (Juni 2020) 

Zeit zum Umdenken – EU-Mercosur-Abkommen stoppen! 

Seit 20 Jahren dauern die Verhandlungen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) an. Im Juni 2019 wurde eine politische Verständigung erzielt. Seither wird an der Erarbeitung eines unterzeichnungsreifen Vertrags gearbeitet. Doch die Mehrheit der Bürger:innen lehnt das Abkommen ab. Die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Belgien, Irland und Niederlande haben deutliche Kritik geäußert, die österreichische Regierung will das Abkommen in der jetzigen Form nicht unterzeichnen. Denn kaum ein Abkommen ist so sehr dem Denken und politischen Handeln der Vergangenheit verpflichtet wie das EU-Mercosur-Abkommen. 

Das EU-Mercosur-Abkommen steht für 

● die Verhinderung von existenzsichernden landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen in den Mercosur- und EU-Staaten durch eine exportorientierte Agrarpolitik, sowie die Unterminierung von Tierwohl und lokaler Lebensmittelerzeugung. Mehr Tierwohl in Deutschland kostet die Bauernhöfe Geld und gleichzeitig sollen sie mit billigen Fleischimporten aus den Mercosur-Ländern konkurrieren. In den Mercosur-Ländern verstärken die steigenden Fleischexporte und zunehmender Soja- und Zuckerrohranbau (Biokraftstoffe) die Zerstörung der Umwelt und führen zu mehr Gentechnik- und Pestizideinsatz sowie zur Gewässerverschmutzung. 

● die Verschärfung der Klimakrise. Das Abkommen treibt die Abholzung des Amazonasregenwaldes, des Cerrados und der Trockenwälder des Chaco weiter voran, die eine essentielle Bedeutung für die Stabilisierung des Weltklimas und für die biologische Vielfalt haben. Zudem dient es der Absatzförderung für besonders klimaschädliche Autos. 

● die Zunahme von Menschenrechtsverletzungen, wie die Vertreibung von Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Indigenen von ihrem Land. Insbesondere unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro sind Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten und 

Oppositionelle sowie die Beschneidung von Arbeitnehmer*innenrechten an der Tagesordnung. Durch den Abschluss eines Handelsabkommens belohnt die EU diese Politik und widerspricht ihren eigenen demokratischen Werten. 

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die immer weiter fortschreitende ungesteuerte Globalisierung nicht zu einer gerechten und ökologischen Weltwirtschaft führt. Die EU sollte zukünftig ihre handelspolitischen Ambitionen darauf konzentrieren, ökologisch, sozial, menschenrechtlich und entwicklungspolitisch kohärente, multilaterale Handelsbeziehungen mitzugestalten. 

Nicht, dass wir weniger Kooperation mit Südamerika bräuchten – wir brauchen sogar mehr: für die Bekämpfung von Hunger und Armut, für Klimaschutz, für die Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen und der Menschenrechte. Das geplante Abkommen der EU mit dem Mercosur geht jedoch genau in die falsche Richtung. 

Wir fordern deshalb Bundesregierung und EU-Kommission auf: Kein „Weiter So“! Stoppen Sie die Arbeit an dem aktuellen Handelsabkommen der EU mit dem Mercosur. 

Unterzeichnende Organisationen: 

  • Agrar Koordination 
  • Aktion 3.Welt Saar e.V. 
  • Aktion Agrar 
  • Aktionsgemeinschaft solidarische Welt (ASW) 
  • Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. 
  • Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) 
  • Attac 
  • Berliner Wassertisch 
  • Biokreis e.V. 
  • Bischöfliche Aktion Adveniat e.V. 
  • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V. 
  • Bloque Latinoamericano Berlín 
  • Brot für die Welt 
  • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) 
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) 
  • Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) 
  • Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e. V. 
  • Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V. 
  • Campact 
  • Caritas international 
  • Christliche Initiative Romero (CIR) 
  • Deutsche Umwelthilfe e.V. 
  • Deutscher Naturschutzring (DNR) 
  • Eine Welt Forum Freiburg e.V. 
  • FIAN Deutschland 
  • Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) 
  • Forum Fairer Handel 
  • Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung e.V. – FUgE 
  • Forum Umwelt und Entwicklung 
  • Gemeinsam gegen die Tierindustrie 
  • Gen-ethisches Netzwerk e.V. (GeN) 
  • Gesellschaft für bedrohte Völker 
  • Greenpeace 
  • Informationsstelle Lateinamerika – ila (Bonn) 
  • Informationsstelle Peru 
  • Inkota-netzwerk
  • Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) 
  • Katholische Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) e.V. 
  • Kooperation Brasilien (KoBra) 
  • Medico International e.V.
  • NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. 
  • NaturFreunde Deutschlands e.V. 
  • Naturland – Verband für ökologischen Landbau e.V. 
  • Netzwerk Energie-Hunger – Nein Danke 
  • Netzwerk Gerechter Welthandel 
  • OroVerde – Die Tropenwaldstiftung 
  • Oxfam Deutschland 
  • Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN) 
  • POEMA e.V. 
  • PowerShift 
  • PROVIEH e.V. 
  • Regenwald Institut e.V. 
  • ROBIN WOOD e.V. 
  • Slow Food 
  • SumOfUs 
  • terre des hommes Deutschland e.V. 
  • Umweltinstitut München e.V. 
  • Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) 
  • Weltladen-Dachverband e.V. 
  • Wir haben es satt!-Bündnis