Das Gesetzgebungsverfahren auf Länderebene

Was macht PROVIEH?

Auch die Bundesländer sind bei den verschiedenen relevanten Themen im Tierschutzbereich sehr wichtig. Oft setzen sie die Vorgaben, welche von der EU oder der Bundesregierung kommen, vor Ort um. Um dieser Rolle gerecht zu werden, und alle Beteiligten mit einzubeziehen, gibt es in fast allen Bundesländern verschiedene Beiräte, Arbeitsgruppen, Runde Tische und ähnliche institutionalisierte Treffen zum Thema Tierschutz. An diesen nimmt PROVIEH regelmäßig teil und gibt den Tieren damit eine Stimme. So ist es PROVIEH einerseits möglich mit den handelnden Personen in Kontakt zu bleiben, anderseits werden hier fachlich wichtige Inhalte eingebracht. Oft können durch dieses Engagement wichtige Tierschutzthemen auf die Tagesordnungen gesetzt werden. So wurde durch PROVIEH unter anderem die Ausgestaltung des Tierschutzplanes in Brandenburg mitgestaltet. In Arbeitsgruppen für Rind, Schwein, Puten, Masthühner und Legehennen sowie Pferde wurden wichtige Themen mit Wissenschaft, Interessenverbänden, Politik und nicht zuletzt Praktikern diskutiert. Oft konnten Lösungen im Sinne des Tierschutzes erreicht oder zumindest eingeleitet werden. Auch beim Tierschutzbeirat in Schleswig-Holstein ist PROVIEH seit vielen Jahren aktiv, ebenso in den verschiedenen Facharbeitsgruppen. Entscheidungen, die in diesen Facharbeitsgruppen getroffen werden, sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage für das Handeln der Politik. 

Darüber hinaus schreibt PROVIEH, wie auch auf Bundesebene, diverse Abgeordnete an oder sucht das direkte Gespräch mit ihnen, wie beispielsweise mit den zuständigen Minister:innen. Auch hier beteiligt sich PROVIEH mit Stellungnahmen und offenen Briefen am politischen Geschehen, insbesondere am Gesetzgebungsprozess. Weiterhin sind unsere Referentinnen und Referenten gefragte Teilnehmer an Podien mit Wissenschaft, Politik und Wirtschaftsverbänden.  

Das Zusammenspiel von Bund und Ländern im Föderalismus

Ganz allgemein kann man Föderalismus als eine Organisationsstruktur beschreiben, die aus mehreren Einheiten mit einem gewissen Grad an Unabhängigkeit besteht. Diese Einheiten wiederum bilden zusammen ein Ganzes1.  

Föderale Strukturen können wir an vielen Stellen im Alltag finden. Einzelne Tierschutzvereine sind beispielsweise in einem Dachverband organisiert; Sportvereine unter einem Ligaverband usw.. Ebenso bilden die 16 Bundesländer zusammen die Bundesrepublik Deutschland.  

Auf politischer Ebene bezeichnet Föderalismus eine Struktur, deren Aufgabe es ist, die Beziehungen zwischen den Bundesländern und dem Bund zu regeln. Länder mit föderalen Strukturen gibt es auf allen fünf Kontinenten und jedes Land hat seine eigene Ausprägung dieses politischen Ordnungsprinzips. So spielen beispielsweise historische und politische Faktoren ebenso eine Rolle, wie die Größe des Landes und deren Bevölkerungszusammensetzung.  

Im Zuge der Wiedervereinigung in Deutschland wurden fünf neue Bundesländer ins Leben gerufen, die sich relativ nahtlos in das bestehende System der Bundesländer einfügen konnten. Aufgrund des föderalen Systems haben die neuen Bundesländer genauso viele Rechte wie die alten Bundesländer. 

Kooperativer Föderalismus 

Die Ausprägung des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland wird auch kooperativer Föderalismus genannt. Von einer kooperativen Ausbildung wird deswegen gesprochen, weil die Bundesländer in diesem System zur Zusammenarbeit angehalten sind. Besonders bedeutend für die deutsche Ausprägung des Föderalismus sind deshalb zwei Prinzipien: das Solidaritätsprinzip und das Subsidiaritätsprinzip. 

Das Solidaritätsprinzip 

Das Solidaritätsprinzip soll sicherstellen, dass Bund und Länder füreinander einstehen und zielt unter anderem darauf ab, länderspezifische kulturelle Ausprägungen zu schützen. Diesem Prinzip liegt der Grundgedanke nach möglichst einheitlichen Lebensbedingungen zugrunde. Im Grundgesetz spiegelt sich diese Idee in Art. 71 Abs. 2 GG durch die Anspruchshaltung nach einer „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ und Art. 106 Abs. 3 GG mit dem Ziel einer „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ wider. 

Die Ebene der Landespolitik bietet zudem Bürgern die Möglichkeit einen erleichterten Zugang zur Politik zu finden. Die Politik der Landesregierungen ist für die Bürger greifbarer als die Bundespolitik, da es für die Landespolitik leichter ist in einen regelmäßigen Austausch mit ihren Bürgern zu treten. Auf diesem Wege können sie effektiver auf regionale Bedürfnisse eingehen und diese bei der Umsetzung ihrer Politik berücksichtigen. Der Austausch zwischen Bürgern und Vertretern der Kommunal- und Landespolitik soll Politik für die Bürger verständlicher machen, um dadurch politische Partizipation zu beleben.  

Das Subsidiaritätsprinzip 

Das Subsidiaritätsprinzip wiederum legt fest, dass der Bund jene Aufgaben ausübt, die auf Landesebene nicht erledigt werden können, weil sie beispielsweise das ganze Bundesgebiet betreffen. Die Frage nach der Zuständigkeit bei Gesetzgebungen ist im Grundgesetz in den Artikeln 70 bis74 festgeschrieben. Das Subsidiaritätsprinzip ist darauf angelegt, die Kompetenzen der Länder zu stärken und zentralstaatlichen Tendenzen entgegenzuwirken.  

Während die Landesparlamente für die lokale Umsetzung von Politiken verantwortlich sind, haben die Bundesländer über den Bundesrat die Möglichkeit auf die Gesetzgebung des Bundes und EU-Angelegenheiten einzuwirken2. Der Bundesrat setzt sich aus Vertretern zusammen, die von den Landesparlamenten ernannt statt gewählt werden – dies wird „Exekutivföderalismus“ genannt. Die Landesparlamente wiederum tauschen sich auf den Landesministerkonferenzen untereinander aus und entwickeln gemeinsame Ziele. Während der Bund in der Regel für die Schaffung von Gesetzen zuständig ist, obliegt es den Ländern diese lokal umzusetzen. Dieses Prinzip wird Vollzugsföderalismus genannt.  

Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern 

Die Kompetenzen der Länder wurden im Rahmen der umfassenden Föderalismusreformen I und II von 2006 und 2009 neu austariert. Neben Neuregelungen in Finanzfragen war ein Hauptziel dieser Reformen das komplexe Netz an Zuständigkeiten zu vereinfachen und die sich teilweise überlagernden Zuständigkeiten zu entwirren. Auf diesem Wege sollten neue  Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen werden. Neben vielen anderen Kompetenzbereichen, wurden auch die Zuständigkeiten im Bereich der Umweltpolitik überarbeitet. Diese lagen bis zur Reform vornehmlich in der Hand des Bundes.   

Generell lassen sich zwei Arten von Kompetenzen unterscheiden: ausschließliche Kompetenzen und konkurrierende Kompetenzen. 

Ausschließlich sind jene Kompetenzen, für deren Umsetzung der Bund oder die Länder exklusiv verantwortlich sind. So sind unter anderem das Kernenergierecht, Verteidigungsfragen und auswärtige Angelegenheiten im Kompetenzbereich des Bundes3. Die Länder wiederum sind beispielsweise verantwortlich für die Themen Bildungswesen, Rundfunk und Versammlungsrecht.  

Im Falle der konkurrierenden Kompetenz gestalten sich die Zuständigkeiten ein wenig komplizierter. Während die Gesetzgebungskompetenz an und für sich beim Bund liegt, dürfen die Länder dann selbstständig tätig werden, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch macht. Es gibt also Sachgebiete, bei denen sowohl der Bund als auch die Länder über Gesetzgebungskompetenzen verfügen. Zu diesen Rechtsbereichen gehören unter anderem das Strafrecht, das bürgerliche Recht und das Sozialversicherungsrecht4.  

Politikverflechtung 

Politikverflechtung beschreibt die Einbindung von Akteuren aus unterschiedlichen politischen Ebenen (zum Beispiel Kommunen, Länder, Bund) im Zuge politischer Willensbildungsprozesse. Damit politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden können, müssen sich die Vertreter der unterschiedlichen Institutionen untereinander abstimmen und miteinander kooperieren. 

Inzwischen spielt zudem die europäische Gesetzgebung zunehmend eine wichtige Rolle im deutschen Gesetzgebungsgesetz. In diesem Zusammenhang wird von Mehrebenenverflechtung gesprochen. Dieses Phänomen lässt sich anhand des Beispiels der Regulierung von Tiertransporten anschaulich darstellen.  

Problematische Rechtslage bei Tiertransporten 

Für den Transport von Tieren gilt seit 2007 die EU-Tiertransportverordnung (EG) Nr.1/2005. In dieser Verordnung werden die Rahmenbedingungen und Mindestanforderungen für den Transport von Tieren festgelegt. EU-Verordnungen gelten für alle Mitglieder der EU, deren Regierungen wiederum dafür Sorge zu tragen haben, dass die Verordnungen in den Gesetzestexten des jeweiligen Staates umgesetzt werden. In Deutschland ist dies 2008 durch die Tierschutztransportverordnung (TierSchTRV) geschehen.  

Die Kontrolle der Einhaltung der Verordnung während der einzelnen Tiertransporte obliegt den Ländern. Wenn die zuständigen Kontrollbehörden eines Landes vermehrt Verstöße gegen Tierschutzanforderungen feststellen, kann ein Bundesland die Abfertigung von Tiertransporten aussetzen567.  

So haben beispielsweise zwischen 2019 und 2020 ein Großteil der Bundesländer Erlasse8 auf den Weg gebracht, die das Abfertigen von Nutztier-Transporten in Drittländer untersagen oder streng regulieren. Ein Nachteil dieser Erlass-Politik der Länder besteht darin, dass diese Regelungen sehr unterschiedlich ausfallen. Dies ermöglicht Transportunternehmen Lebendtiertransporte in den tierschutzpolitisch zögerlich agierenden Bundesländern abzuwickeln.  

An dieser Stelle wird deutlich, dass es regelmäßige Novellierungen der EU-Gesetzgebungen braucht. Einerseits um dem Wandel der politischen Lage gerecht zu werden und andererseits, um dem Entstehen von Schlupflöchern entgegenzuwirken. 

Fußnoten
1 Vgl.: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17497/foederalismus 
2 Vgl.: GG Art. 50 
3 Vgl.: GG Art. 73 
4 Vgl.: GG Art. 74 
5,6,7 https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-tiertransport-grenzenlos-102.html 
8 Insbesondere die Tabelle „Erlasse der Bundesländer zu Tiertransporten“